Die 68er - Ein Aufbruch und seine Folgen radioFeature Rudi Dutschke Revisited

Rudi Dutschke Revisited
Der Revolutionär, sein Attentäter und ich
Eine Erinnerungsreise von Ulrich Chaussy
BR/WDR 2018

Wiederholung am Sonntag, 21.05 Uhr
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

In nur 314 Tagen ist er zu einer Ikone der deutschen Nachkriegsgeschichte geworden, zur Stimme und zum Gesicht der deutschen 68er-Bewegung. Die Medienfigur Dutschke erschien kometenhaft nach der Erschießung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und verschwand nach dem Attentat des jungen Arbeiters Josef Bachmann, der ihn am 11. April 1968 auf dem Kurfürstendamm mit einem Kopfschuss an den Rand des Todes beförderte.
Dutschke wurde für die 68er-Generation zum Idol, für das Establishment zum Bürgerschreck, für seinen Attentäter zu Hassfigur. Wie erlebte Dutschke selbst den Aufstieg zur Galionsfigur einer eigentlich antiautoritären Bewegung - und wie den Angriff auf sein Leben und seine Identität?
Wie entstanden die so verschiedenen Perspektiven? Ulrich Chaussy schildert, wie er ihn 1968 sechzehnjährig als mediale Identifikationsfigur erfuhr. 1979 lernte er ihn persönlich kennen und wurde zum Biographen Dutschkes. Seine Recherchen über den Attentäter Josef Bachmann werfen ein neues Licht auf dessen Hass, der maßgeblich von einer Szene geschürt wurde, an deren genauer Ausleuchtung vor 50 Jahren weder die Behörden noch Dutschkes Genossen interessiert waren: der rechtsextremen Szene Niedersachsens. Die Ermittler gaben sich mit einem verwirrten Einzeltäter zufrieden, die 68er Rebellen waren allein auf die aufhetzende Wirkung der Springer-Presse fixiert.
Chaussy belegt mit neuen Recherchen unter anderem im Nachlass Dutschkes und des Westberliner Verfassungsschutzes, wie Dutschke 1967/68 selbst seine Möglichkeiten und Grenzen politischer Wirksamkeit erfuhr, welche Handlungsoptionen er erwog, wie er in der Frage der Gewalt schwankte - und sich entschied.
Bachmanns Attentat hat Dutschke zum "Toten auf Urlaub" gemacht. Chaussy, dokumentiert auch, wie tiefgreifend es Dutschke verwundet und seine Persönlichkeit verändert hat, wie hart der Kampf um die Rückkehr ins Leben war - und in die Politik, mit der Dutschke beschäftigt war, kurz bevor er an den Folgen der Schüsse von 1968 am Weihnachtstag 1979 starb.