Bayern 2


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Der Jungfernstreit von Oberammergau Wie Frauen die Passionsspiele reformierten

Bis 1990 durften verheiratete Frauen und Frauen über 35 nicht an den Oberammergauer Passionsspielen teilnehmen. Der Streit um diese Regelung dauerte über 10 Jahre an. Kurz vor einer Premiere wurde er entschieden.

Author: Lisa Weiß

Published at: 1-5-2022 | Archiv

Jungfräulich sollte sie doch eigentlich sein, die Darstellerin der Jungfrau Maria. Aber nun, bei den Passionsspielen 1990, stand eine Mutter von zwei Kindern trauernd unter dem Kreuz. Auch sonst war plötzlich alles ganz anders in Oberammergau: Bei der Passion durften nun auch jene Frauen mitspielen, die verheiratet waren oder älter als 35. Und auch im Passionsspielkomitee konnten nun Frauen mitwirken: für Traditionalisten ein Alptraum!

Christian Stückl musste schnell noch Hunderte Frauen im Stück integrieren

Christian Stückl, Regisseur der Passionsspiele von 1990 und 2000

Ja, tatsächlich: Erst seit 1990 sind Frauen bei den Passionsspielen in Oberammergau gleichberechtigt.

Und das auch nur, weil die Oberammergauerin Monika Lang und ihre Mitstreiter(innen) sich dieses Recht mühsam erkämpft hatten: Über zehn Jahre lang hatten sie diskutiert, verhandelt, gefordert, im Gemeinderat und schließlich auch vor Gericht – und nach vielen Rückschlägen am Ende den Sieg davongetragen. Doch der kam sehr knapp vor Beginn der Spiele.

So stand der junge Spielleiter Christian Stückl vor der schwierigen Aufgabe, im letzten Moment noch Hunderte von Oberammergauerinnen ins Stück zu integrieren.

"Ich glaub, des was die Monika und die Hella und die Annelies damals gemacht haben und alle, die mit denen da gestritten haben, das ist heute selbstverständlich und man denkt nimmer drüber nach."

(Christian Stückl)

Autorin Lisa Weiß im Gespräch mit Eva Reiser und Barbara Schuster

Die Autorin Lisa Weiß (m.) im Gespräch mit Barbara Schuster (l.) und Eva Reiser (r.)

Eva Reiser und Babara Schuster wissen, wovon sie sprechen: Die beiden Frauen sind Anfang 30, aufgewachsen in Oberammergau. Sie standen zum ersten Mal mit vier beziehungsweise fünf Jahren beim Passionsspiel auf der Bühne.

Bei der Passion 2022 werden beide Hauptrollen spielen: die blonde Eva die Maria; die dunkelhaarige Babsi die Maria Magdalena.

Wenn die beiden erklären, wo auf der Bühne das Haus des Pilatus ist und wo das der Anna, der Großmutter von Jesus, wenn man mit ihnen durch Pilatus' Gasse geht, merkt man sofort: das Passionsspiel ist für beide eine Herzensangelegenheit.

"Also das ist natürlich ein männerlastiges Stück, das ist klar. Und die Frauen sind einfach nicht so im Vordergrund gewesen damals. Jetzt ist aber die Frage: Was will man denn? Will man Frauen mehr einbinden, mehr Text, mehr Frauen auf die Bühne?"

(Eva Reiser)

Babsi Schuster schüttelt den Kopf – eine Art Frauenquote bei der Passion oder gar ein weiblicher Jesus wäre nichts für sie. Beide sind sich auch einig: Seit Christian Stückl Spielleiter ist, ist die Passion schon um einiges weiblicher geworden!

Lisa Weiß berichtet vom Oberammergauer Jungfernstreit – einem Kampf, der den Ort und die Passionsspiele geprägt hat – und das bis heute.

Buchtipp:

Oberammergau und Seine Passionsspiele:
Ein Rückblick Über die Geschichte Oberammergaus
und Seiner Passionsspiele von Deren Entstehung
bis zur Gegenwart, sowie eine Beschreibung
des Ammergauer Landes, der Volkssitten
und Gebräuche Seiner Bewohner.

Autorin: Hermine Diemer
Verlag: Forgotten Books (10. Februar 2019)


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