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Über Umwege zum Herzen Minimal-invasive Verfahren

Herzoperationen müssen heute nicht mehr mit den vergleichsweise brachialen Methoden der Chirurgie durchgeführt werden: Die moderne Medizintechnik hat es möglich gemacht, dass Kardiologen und Operateure auch mit kleinen Einschnitten beziehungsweise einem Einstich in eine Ader ans Ziel kommen.

Stand: 01.10.2021

Einsetzen einer Herzklappe durch minimal-invasives Verfahren am Herzzentrum Dresden | Bild: picture-alliance/dpa

Minimal-invasive Methoden oder "Schlüsselloch-Chirurgie" nennt man die Verfahren, die den Körper der Patienten schonen sollen.

"Der kosmetische Vorteil liegt auf der Hand. Man hat sehr viel kleinere Einschnitte und außerdem an Körperstellen, an denen sie nicht so schnell sichtbar sind. Darüber hinaus erholt sich der Patient schneller, kann dadurch eher mobilisiert werden und das Krankenhaus früher wieder verlassen."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München

Manche dieser Eingriffe klingen für den Laien wie Science-Fiction, wenn sich beispielsweise eine durch einen Katheter eingeführte Herzklappe im Herzen entfaltet. Doch nicht in allen Fällen haben sich die vermeintlichen Vorteile für die Patienten auch in der Praxis bestätigt.

Herzkatheter

Der Herzkatheter hat die Kardiologie revolutioniert. Mit Hilfe eines dünnen, biegsamen Kunststoffschlauches kann der Arzt über eine Arterie in der Leiste oder im Arm bis zum Herzen vordringen. Dabei erhält er ständig ein Röntgenbild der Gefäße und kann so Verschlüsse und andere krankhafte Veränderungen erkennen.
Doch längst ist der Katheter über den rein diagnostischen Einsatz hinausgewachsen: Er ermöglicht den Kardiologen, verengte Gefäße wieder aufzuweiten und Stents und Herzklappen minimal-invasiv einzusetzen. Im Deutschen Herzzentrum München sind inzwischen Hybrid-Operationssäle eingerichtet, in dem sowohl Herzkatheter-Eingriffe durchgeführt werden können als auch konventionelle Operationen, um im Notfall schnell reagieren zu können.

Einzelne Verfahren im Überblick:

  • Stents: Die kleinen Gitterröhrchen sollen die Blutgefäße, speziell die Herzkranzgefäße abstützen und damit für den Blutfluss offen halten. Somit lässt sich das Herzinfarkt-Risiko vermindern. Stents können in zusammengefaltetem Zustand mit Hilfe eines Herzkatheters an der richtigen Stelle platziert werden. Dort werden sie entweder mit einem Ballon aufgepumpt oder eine Plastikhülle wird zurückgezogen, sodass sich der Stent entfaltet.


  • Bypass-Operationen: Geht es nur darum, die Engstelle in einem einzelnen Gefäß zu überbrücken, so ist dies inzwischen auch über einen kleinen Einschnitt seitlich vom Herzen möglich. Als minimal-invasiver Eingriff gilt aber auch ein Bypass, der zwar über einen großen Schnitt am Brustbein, aber ohne Herz-Lungen-Maschine gelegt wird. Dabei wird das Herz über ein Gerät stabilisiert, das so ähnlich aussieht wie eine Gabel mit zwei Zangen. Der Bereich, auf dem die Gabel liegt, nimmt dann nicht an der Bewegung des Herzens teil, sodass die Chirurgen am schlagenden Herzen operieren können.


  • Ablationsverfahren: Diese Methoden werden unter anderem bei Vorhofflimmern eingesetzt, einer Herzrhythmusstörung, von der in Deutschland rund 800.000 Patienten betroffen sind. Bei der Ablation werden bestimmte Leitungsbahnen in der Vorhofmuskulatur des Herzens verödet so dass die Erregung nicht mehr weitergeleitet werden kann. Neben Hochfrequenzstrom und Mikrowellen die das Gewebe durch Hitze zerstören, setzen die Ärzte dazu inzwischen auch Kälte ein. Kryoablation oder Kryo-Ballonablation heißen diese neuen Methoden. Allerdings seien die Ergebnisse "noch nicht exzellent", schränkt Prof. Lange vom Deutschen Herzzentrum ein.


  • Herzklappen-Operationen: Hierbei stehen den Medizinern inzwischen verschiedene minimal-invasive Verfahren zur Verfügung: So können Herzklappen (vor allem die Mitralklappe) über kleine Schnitte im Brustkorb operiert werden, bei anderen Operationen muss zumindest nicht der ganze Brustkorb eröffnet werden. Inzwischen können Aortenklappen-Operationen mit Hilfe von Kathetertechniken vorgenommen werden oder über einen kleinen Schnitt über der Herzspitze eingesetzt werden.

Aorten-Klappen-Operationen per Katheter

Am 27. Mai 2008 war es so weit: Das Deutsche Herzzentrum München meldete die 100. kathetergestützte Herzklappen-Operation. Ein knappes Jahr vorher hatten die Chirurgen erstmals eine Aortenklappe per Herzkatheter implantiert. Inzwischen wurden über 6.300 TAVI (das steht für: transapikale Aortenklappenimplantantation) implantiert.

"Zunächst wird die eigene Herzklappe mit einem Ballon erweitert, um den Kalk und die verbrauchten Segel an die Wand zu drücken. Anschließend wird in einem zweiten Schritt eine neue Herzklappe durch ein ganz schmales Röhrchen bis zum Herzen vorgeschoben. Derzeit gibt es auf dem Markt zwei verschiedene Modelle: Im einen Fall ist die Herzklappe auf einen Ballon montiert, und dieser wird dann aufgeblasen, um die Klappe zu entfalten. Im anderen Fall entfaltet sich die Klappe schrittweise selbst, sobald man das Rohr zurückzieht, durch das die Klappe bis zum Herzen vorgeschoben wurde."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München

Minimal-invasive Verfahren nur für Risikopatienten?

Risikopatienten profitieren besonders von minimal-invasiven Verfahren. So erhielt im Deutschen Herzzentrum unter anderem eine 98-jährige Patientin per Katheterverfahren eine neue Herzklappe. Von einer konventionellen Herzoperation mit geöffnetem Brustbein hätte sie sich möglicherweise nicht erholt. Das Katheterverfahren wird heutzutage nicht nur ausschließlich an Hochrisikopatienten angewandt, sondern sein Verwenden expanidert auch bei jüngeren Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko.

"Die Verfahren sind nicht für Risikopatienten reserviert. Im Gegenteil: Die modernen Operationstechniken sind eigentlich insbesondere für jüngere Patienten geeignet. Wann eine minimal-invasive Methode in Frage kommt, muss man immer von Fall zu Fall entscheiden. Allerdings sind die Verfahren sehr teuer. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nur, wenn die Evaluation des Patienten nach den gültigen Richtlinien erfolgt."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München


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