Bayern 2

     

19

Macht, Moral und Medien Ein Verlegerkrieg der frühen 60er Jahre

Mai 1960: Werner Friedmann, Chefredakteur der SZ, wird zusammen mit seinem Freund, dem Schriftsteller Sigi Sommer, wegen des Verdachts auf "Kuppelei" festgenommen. Was nun folgt, ist eine prächtige bayerische Provinzposse, gewürzt mit viel Scheinheiligkeit.

Von: Thomas Grasberger

Stand: 24.05.2021 | Archiv

Der 10. Mai 1960 war ein ganz normaler Arbeitstag in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Werner Friedmann, der Chefredakteur, warf an jenem Nachmittag kurz vor 17 Uhr noch einen letzten prüfenden Blick auf die Schlagzeilen des Blattes vom nächsten Tag:

„Hallstein-Plan hinaus geschoben“, hieß es da auf Seite Eins. Und „Protest Moskaus in Washington“.

Mag gut sein, dass Werner Friedmann über den heiteren Roman auf Seite 14 geschmunzelt hat: "Wer nie in fremden Betten lag“, lautete der Titel, der sich bald als äußerst anspielungsreich herausstellen sollte. Ebenso die Karikatur, die der Chefredakteur selbst für die Seite zwei ausgesucht hatte. Sie zeigte den amerikanischen Präsidenten Eisenhower, dem das 11. Gebot vorgehalten wird: „Du sollst dich nicht erwischen lassen!“

Werner Friedmann wurde von der Polizei verhaftet

An diesem Tag im Mai 1960 erschienen drei Polizeibeamte in der Münchner Sendlingerstraße und verhafteten Werner Friedmann. Er wurde genau wie sein Schützling, der Schriftsteller Sigi Sommer - berühmt als „Blasius, der Spaziergänger“ - unter dem Verdacht der fortgesetzten Anstiftung zur Kuppelei festgenommen.

Friedmann, so der Vorwurf, der später zur Verurteilung führte, hatte sich regelmäßig in Sommers Wohnung mit einer minderjährigen Verlagsangestellten zum Schäferstündchen getroffen.

Hans Kapfinger rückte dem Münchner "Sittenskandal" wortreich zu Leibe

Die sonst so wortgewandten Münchner Journalisten von SZ und AZ waren zunächst sprachlos. Ganz im Gegensatz zu den Kollegen der "Passauer Neuen Presse". Deren Verleger Hans Kapfinger, ein zutiefst konservativer, katholischer und kämpferischer Publizist, griff in diesem Münchner „Sittenskandal“ selbst zur Feder und empfahl wortreich, den „Sumpf trocken zu legen“.

Umso peinlicher war es dann, als er selbst wenige Monate später ein Schreiben der Passauer Staatsanwaltschaft erhielt: eine Anklage wegen Kuppelei ...

Rechts gegen Linksliberal

Freilich ging es damals nicht allein um Fragen der Moral, sondern um knallharte Politik. Denn während Friedmann sich stets als kämpferischer Linksliberaler in politischen Fragen exponiert hatte und dabei nicht selten die Moralkeule schwang, stand Kapfinger der CSU nahe und war ein Duz-Freund von Franz Josef Strauß.

Thomas Grasberger rekonstruiert ein Stück Sitten-, Medien- und Justizgeschichte, die, gewürzt mit viel Scheinheiligkeit, als bayerische Provinzposse daherkommt.


19