Bayern 2

Ludwig Köcks abenteuerliche Wanderschaft Vom Schlosser aus Tettenweis zum Brückenbauer Abu El Kismet in Kairo

An einem kalten Januartag 1902 tritt Ludwig Köck mit Rucksack und Regenschirm seine abenteuerliche Reise in den Orient an, ohne Sprachkenntnisse, ohne Kontakte oder ein Netzwerk, wie es den heutigen Wandergesellen zur Verfügung steht. Sein Ziel: die heilige Stadt Jerusalem. Ohne sich von seinen Eltern zu verabschieden, macht sich der Schlosser nach dem Wehrdienst auf den Weg. Über die Alpen, durch den Vielvölkerstaat Österreich, durch Serbien bis Konstantinopel legt er 2000 Kilometer zurück, allein, zu Fuß, in 70 Tagen! Nach Jerusalem kommt er nie, aber nach Ägypten, das Land seiner Sehnsucht.

Von: Eva Demmelhuber

Stand: 25.11.2022 | Archiv

Vom Schlosser aus Tettenweis zum Brückenbauer Abu El Kismet in Kairo

Blick auf Konstantinopel, für Ludwig Köck ein berührender Anblick

"Ein Bild, das ich nie vergessen werde. Auf leichten Anhöhen Zypressenwälder und zwischen dunklen Zypressen hindurch ein Wald von hohen schlanken, weißen Türmen. Es sind die vielen Moscheen Konstantinopels und dahinter der blaue Himmel des Südens. Ein märchenhafter Anblick. Lange bleibe ich stehen und sehe diese fremde Welt an. Nun merke ich, dass ich vor etwas ganz Neuem stehe und fühle, was es heißt, der Zauber des Orients. Und von diesem schönen Fleck Erde aus haben türkische Sultane ihre Kriegsscharen bis vor Wien getrieben, dachte ich mir, und konnte nicht verstehen, dass auch vom Schönen so viel Böses ausgehen kann."

(Tagebuchaufzeichnungen von Ludwig Köck)

Gisela Fischer, Edgar Fahmüller und Christa Fahmüller erinnern an ihren außergewöhnlichen Großvater

Sehr arm seien sie gewesen, erzählt Ludwig Köck immer wieder seinen Enkeln, „nur die Stucks, aus deren Familie der später vom König geadelte Franz von Stuck stammte, waren noch ärmer“. Beide wurden in Tettenweis geworden, einer kleinen Gemeinde im unteren Rottal, 25 Kilometer südwestlich von Passau. Franz von Stuck wurde ein berühmter Maler und Ludwig Köck ein großer Geschichtenerzähler, wie seine drei Enkel, Gisela Fischer, Christa und Edgar Fahmüller stolz berichten.

Ludwig Köck aus Niederbayern alias Abu El Kismet in Kairo

"Es ist kalt und es liegt tiefer Schnee. Nach 14 Tagen Marsch stehen vor mir die hohen, schneebedeckten Berge, die ich noch nie in solcher Nähe gesehen habe. Ich habe etwas Angst vor solcher Schneewelt. Ich gehe in die Richtung, wo ich meine, dass ich hinüberfände. Es fängt an zu schneien, so dichte und so große Flocken, dass ich keine 5 Meter mehr um mich sehe. Bald weiß ich gar nicht mehr, wo ich bin. Vier Stunden bin ich schon herumgetappt, da öffnet sich der Himmel wieder und ich sehe tief im Tal ein Haus. Unten muss ich über eine Talmulde und ich merke nicht, dass unter dem Schnee ein Abgrund ist. Ich falle durch, dass der Schnee über meinem Kopf zusammenschlägt. Nun bin ich ganz allein. Angst quält mich. Ich denke an die Verschütteten, von denen ich in der Zeitung gelesen habe. Aber nur für Augenblicke. Mit den Armen kann ich noch ins Freie greifen und ich mache mir Luft. Dann trete ich mit den Füssen immer mehr Schnee unter mich; ich arbeite mich wieder heraus. Gleich darauf falle ich wieder durch. Mir tropft der Schweiss, als ich wieder heraus bin. Dann bin ich schlauer geworden und krieche auf allen Vieren über die Mulde."

(Tagebuchaufzeichnung von Ludwig Köck, die Lieblingsgeschichte der Enkel)

Ludwig Köck beherrschte wenigstens 5 Sprachen, die er im Selbststudium auf seiner Reise lernte, baute in Kairo eine der längsten Brücken über den Nil, hat in der Nachkriegszeit viele nützliche Dinge erfunden und gebaut, spielte Ziehharmonika, illustrierte für seine Kinder und Enkel Märchen, die er handschriftlich notierte, malte und zeichnete Portraits und Landschaften, dolmetschte in der Nachkriegszeit für die Franzosen und Amerikaner, arbeitete als Betriebsführer bei den "Münchener Kupfer und Messingwerken" und als Werksmeister bei der Firma "Seppelfricke Gelsenkirchen". Seine Tagebuchaufzeichnungen, seine Gemälde, Zeichnungen und Erfindungen hütet die Familie wie einen großen Schatz.

Hagia Sophia in Konstantinopel

"Hier ist ein Leben und Treiben wie ich noch nirgends gesehen, denn hier sind alle Nationalitäten vertreten, hier ist alles durcheinander, zerfallene Gebäude und Paläste, Paläste und Schutthaufen. Die Hagia Sophia ist das größte Gebäude Konstantinopels. Sie hat innen 107 Säulen von künstlichem Stein, 120 – 130 Kronleuchter, 50 bis 300 Lichter fassend, und die Frauenkirche könnte man hereinstellen, wenn diese auch rund wäre."

(Tagebuchaufzeichnung von Ludwig Köck)

Vom Schlosser aus Tettenweis zum Brückenbauer Abu El Kismet in Kairo