Wenn der Kini pleite ist Ludwig II. und seine Gläubiger
Welch Ehre, für den "Kini" arbeiten zu dürfen. Was aber, wenn Ludwig II. nicht zahlt? Ihm "allerunterthänigst treugehorsamst" eine Mahnung schicken! Geschichten von königlichen Schulden und am Ende doch noch glücklichen Handwerkern – zum 150. "Geburtstag" von Schloss Neuschwanstein.
Als Ludwig II. im Juni 1886 im Starnberger See ertrank, hatte er, jenseits der bereits aufgenommenen umfänglichen Darlehen, über 5,2 Millionen Goldmark offene Schulden bei Handwerkern und Künstlern.
Das nach seinem Tod erstellte Gläubigerverzeichnis liest sich wie ein "Who is Who" der vom König geförderten, von ihm aber auch bis über alle Grenzen strapazierten Handwerkerschaft. 124 Positionen umfasst diese Liste, ein Dokument königlicher Gestaltungslust wie königlicher Maßlosigkeit.
"… Ehrenhaus, Jacques, Kaufmann dahier 23.574 Mark, Rögge, Wilhelm, Kunstmaler dahier 12.000 Mark, Moradelli, Carl, Hofschlosser dahier, 124.000 Mark, Wollenweber, Eduard, Hofsilberarbeiter dahier, 74.000 Mark, Kronenbitter, Karl, Ingenieur dahier, 37.000 Mark, Harrach, Ferdinand, Silberarbeiter und Ciseleur dahier, 63.000 Mark, Weiser, Joseph, Kunstmaler dahier, 14.000 Mark, … Bernheimer, Lehmann, Hoflieferant dahier, 2.268 Mark zu zahlen, … Pössenbacher, Anton, Hofmöbelfabrikant dahier, 186.000 Mark …"
(Auszug aus dem Gläubigerverzeichnis)
Ungeduldig drängte Ludwig II. auf die Fertigstellung von Neuschwanstein
Die erfolgreiche Arbeit der Handwerker, die ihren König über alles liebten, war oft die einzige Freude Ludwigs II. in seinen letzten Jahren.
Jedes Schränkchen, jeder Leuchter, jeder Betstuhl und jeder Türbeschlag interessierten ihn im Detail.
Über seine Bauleiter vor Ort, die an die jeweiligen Hofsekretäre schrieben, ließ sich Ludwig oft täglich über den Stand der Arbeiten in Neuschwanstein und den anderen Schlössern unterrichten, ungeduldig drängte er auf deren Fertigstellung und erhöhte immer wieder das Bautempo.
Rundgang durchs Königsschloss Neuschwanstein
Nach Ludwigs Tod beglich das Königshaus unverzüglich seine Rechnungen
Bezahlen konnte er das schon längst nicht mehr: Bereits im April 1884 wagten es 19 Betroffene, nach jahrelangem Warten "allerunterthänigst" eine Eingabe an den König zu senden, die man als Vorbote einer Zivilklage deuten konnte. Dies schreckte den König auf. Finanzminister Emil von Riedel beschaffte tatsächlich noch einmal 7,5 Millionen Mark, mit denen etliche Handwerker bezahlt wurden. Doch das Geld war schnell dahingeschmolzen. Nach Ludwigs Tod beglich das Königshaus schnell und geräuschlos die Rechnungen, die Hälfte davon mit einem Kredit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Über Jahre belastete die Abzahlung dieser Schulden die Hofkasse.
Letztendlich profiertiert der Bayerische Staat bis heute von Ludwigs Bauwut
Das Geschäft mit Ludwig II. und seinen gebauten Träumen hat dem Bayerischen Staat bis heute ein Vielfaches der damaligen Bausummen eingespielt.
Doch der Hof und vor allem Prinzregent Luitpold hatten das nur durch jahrzehntelange persönliche Sparsamkeit zuwege gebracht.
Die königlich bayerischen Hoflieferanten, die Hoftitelträger, die späteren Kommerzienräte und mit ihnen eine ganze Generation von "Gründern" waren letztlich als die großen Gewinner aus dem königlichen Desaster hervorgegangen. Sie konnten von dem Aufschwung profitieren, viele hatten ihre Karrieren direkt oder indirekt Ludwig II. zu verdanken. Seine Aufgeschlossenheit für die neueste Technik, seine Anforderungen an Kunstfertigkeit und Präzision und die Größe seiner Aufträge ermöglichten diesen bayerischen Firmen den Aufstieg zu nationaler oder internationaler Bedeutung.
So wurde ein König, der nicht in München baute und sich scheinbar nicht um wirtschaftliche Belange kümmerte, zum großen Förderer von Gewerbe und Industrie.
Von verzweifelten Hofsekretären und begeisterten Bauleuten
Marita Krauss folgt den Spuren einer königlichen Gläubigerliste, erzählt von Kopieraufträgen für Möbel aus Versailles, von verzweifelten Hofsekretären und trotz offener Rechnungen begeisterten Bauleuten.
Wiederholung einer Produktion aus dem Jahr 2008 zum 150. Jahrestag der Grundsteinlegung von Schloss Neuschwanstein am 5. September 2019.