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Kommentar zur Verlängerung der Maßnahmen Corona verlangt Demut vor dem Leben

Zum ersten Mal haben Bund und Länder gestern Lockerungen in der Corona-Krise beschlossen – allerdings nur wenige. Kanzlerin Angela Merkel begründet das damit, dass der Kampf gegen die Pandemie noch lange nicht gewonnen ist. Kommentatorin Anita Fünffinger hält die Entscheidung daher für angemessen.

Von: Anita Fünffinger

Stand: 16.04.2020

15.04.2020, Berlin: Markus Söder (l-r, CSU), Ministerpräsident von Bayern, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, äußern sich bei einer Pressekonferenz nach der Schaltkonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder im Bundeskanzleramt zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Bernd von Jutrczenka

Was ist richtig und was ist falsch? Ist die Entscheidung klug, viele Läden wieder aufzumachen, oder ist sie Wahnsinn? Die Antwort darauf kann keiner mit hundertprozentiger Gewissheit geben. Weiß hier jemand ganz sicher, dass alles, was jetzt passiert, grundfalsch oder völlig richtig ist? Wer das hundertprozentig weiß, der soll sich melden. Wer sich nicht sicher ist, aber trotzdem alles besser weiß, der soll doch bitte schweigen.

Kleine Schritte mit doppelter Kraft

Sie mache Politik der kleinen Schritte, hat Angela Merkel einmal zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt. Damals wurde sie dafür müde belächelt. Heute ist die Politik der kleinen Schritte lebenswichtig. Es geht ums Überleben: ums Überleben unserer Mitmenschen, der eigenen Eltern, der kranken Freundin. Um sie zu schützen, muss die Mitte stark bleiben, die Alten dürfen nicht gefährdet werden, auf die eigenen Kinder muss man weiterhin gut aufpassen. Und das jetzt noch länger. Das verlangt von Alleinerziehenden doppelt so viel Kraft wie sonst. Das benachteiligt Arbeitnehmer, die nicht eben mal schnell ins Homeoffice wechseln können. Das macht die einsamen noch einsamer.

Geht das nicht anders?

Ja, es ginge schon, wenn die Gesellschaft dafür in Kauf nimmt, dass eben noch mehr Menschen sterben. Solidarität ist nicht einfach und schon gar nichts für eine so durch individualisierte Gesellschaft wie unsere. Ist diese Gesellschaft also bereit, Leben zu retten, indem sie solidarisch ist? Wie weit sind wir im Miteinander? Wie weit sind wir im Füreinander und im Verzicht? Das fordert im Moment so viel Geduld und Geld, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Geld haben wir in Deutschland genügend. Mit unfassbar viel Geld werden schon jetzt millionen Arbeitnehmer geschützt und Unternehmen gestützt. Aber die Politik muss noch genauer hinschauen, wen sie dabei übersehen hat: die Schwächsten.

Überleben mit Demut

ARD-Kommentatorin Anita Fünffinger

Mit Geld könnten Kinder aus armen Familien einen eigenen Laptop bekommen. Lernhelfer könnten online bei den Hausaufgaben dabei sein. Wenn Frauen raus müssen aus ihrer gewalttätigen Umgebung, müssen sie auch in Hotels dürfen. Umsonst. "Solidarität" ist ein schönes Wort. Aber um sich wirklich solidarisch zu verhalten, gehört auch eine Portion Demut dazu. Demut vor dem Leben. Wenn wir die haben, werden wir auch überleben.


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