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Kommentar Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen

Muslimische Frauen, die als Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal mit praktischen Aufgaben betraut sind, kann das Tragen des Kopftuchs verboten werden. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Gigi Deppe kommentiert.

Von: Gigi Deppe

Stand: 28.02.2020

ARCHIV - 24.09.2014, ---: Eine junge Frau mit Kopftuch geht an einem Behördenschild mit dem Bundesadler vorbei. (Zu dpa: «Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen ist verfassungsgemäß») Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Martin Schutt

Über das Thema "Kopftuch" lässt sich heftig streiten. Wobei nicht mehr so kontrovers diskutiert wird, wie früher. Als das Gericht zuletzt 2015 entschied, Lehrerinnen dürfen grundsätzlich Kopftücher tragen, gab es verhältnismäßig wenig Kritik. Das Verfassungsgericht hat die Sache damals salomonisch gelöst. Das Stück Stoff sei nicht das Problem. Erst wenn es damit in der Schule Schwierigkeiten gibt, dann sei ein Verbot erlaubt. Wobei eben die Kritiker begründen müssen, welche Schwierigkeiten es eigentlich gibt. Für mich eine gute Entscheidung: Der Glaube eines Menschen sollte erkennbar sein, und es ist gut, wenn Schüler frühzeitig lernen, dass es unterschiedliche Dinge gibt, die den Erwachsenen wichtig sind. Wer Angst hat vor dem Einfluss sehr konservativ ausgerichteter Lehrkräfte, der muss bei der Eignung und beim beruflichen Können ansetzen: Eine gute Lehrerin manipuliert die Kinder nicht.

Grundsatz weltanschaulicher Neutralität verletzt

Jetzt also die Rechtsreferendarin. Hier rudert das Gericht wieder etwas zurück, sagt, das Kopftuch verletze den Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sei bedroht. Und die negative Religionsfreiheit könne in Gefahr sein – also die Freiheit, von Glauben verschont zu werden in einem Raum, dem man sich nicht entziehen kann. Denn im Gerichtssaal steht man als Bürger wie kaum an einem anderen Ort der Staatsgewalt gegenüber.

Entscheidung könnte weitere Konsequenzen haben

Offiziell geht es in der Entscheidung nur um Rechtsreferendarinnen, also um Juristinnen in einer Ausbildung. Aber es lässt sich manches aus der Entscheidung herauslesen, was sicher im Streitfall auch für Richterinnen oder Staatsanwältinnen gelten würde. Geht man so weit, bedeutet das faktisch ein Berufsverbot für gläubige Muslimas, die auf das Kopftuch Wert legen. Obwohl in den juristischen Fakultäten mittlerweile eine ganze Reihe von Kopftuchträgerinnen studieren, können sie dann eben nur Anwältinnen werden. Und das ist bitter, dass wir Menschen ausschließen von bestimmten Berufen, nur wegen ihres Glaubens.

Richterperson soll möglichst neutral erscheinen

Allerdings fände ich es auch ziemlich unpassend, wenn ein Richter über seiner Robe ein großes Kreuz hängen hätte. Von einem Christen erwarte ich genauso, dass er seine persönliche Überzeugung zugunsten des möglichst neutralen Amts zurücknimmt. Es ist für alle Beteiligten eher friedensstiftend, wenn die Richterperson möglichst neutral erscheint.

Bei Auszubildenden könnte man großzügiger sein

Wobei ich in einem Punkt aber doch anderer Ansicht bin als die Mehrheit der Verfassungsrichter. Bei einer Auszubildenden könnte man großzügiger und pragmatischer sein. Sie repräsentiert noch nicht so sehr die Justiz. Es wäre denkbar, allen im Gerichtssaal anzukündigen: Das ist unsere Referendarin, sie ist noch keine fertige Juristin. Sie ist also keine hundertprozentige Vertreterin des Staates. Vielleicht würde sie dann weniger ernst genommen, aber die Sache mit der Glaubensfreiheit wäre dann leichter zu lösen. Ein Kopftuch hat in solchen Fällen nicht solche starke Aussagekraft.


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