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Kitsch und Würde Welcher Grabschmuck angemessen ist

Wie erinnert man auf einem Friedhof an die Toten? Was erlaubt ist, regelt die jeweilige Friedhofsordnung. Eine besonders strenge haben die historischen Friedhöfe Sankt Johannis und Sankt Rochus in Nürnberg. Das führt oft zu Konflikten.

Von: Tanja Oppelt

Stand: 29.04.2021 | Archiv

Einst befand er sich außerhalb der Stadt, denn nur dort durften die Toten bestattet werden. Inzwischen liegt der Johannisfriedhof mittendrin in Nürnbergs quirligem Stadtteil Sankt Johannis. Wer allerdings durch die Friedhofsmauern geht, der betritt nach wie vor eine andere Welt: Stein an Stein an Stein reiht sich, soweit das Auge reicht.

Steingräber mit Epitaphien

Auf dem Johannisfriedhof sind seit 500 Jahren nur Steingräber erlaubt. Die Grabsteine liegen hier, sie sind sargähnlich und genormt: 80 Zentimeter breit, 1,80 Meter lang. Die meisten der insgesamt 6.500 Gräber sind aus verwittertem und bemoostem Sandstein oder dem etwas helleren Muschelkalk. Einige wenige Steinquader sind dunkel, glatt und glänzend. Sie sind aus Granit gefertigt. Auf allen sind Metallplatten angebracht - die so genannten Epitaphien.

"Epitaphien sind Bronzetafeln, die den Namen der Familie, der das Grab gehört, wiedergeben. Manchmal auch etwas über den Beruf oder das Leben."

Elfi Heider, Leiterin des Friedhofs Sankt Johannis in Nürnberg

Elfi Heider ist die Leiterin des denkmalgeschützten Friedhof Sankt Johannis. Die Epitaphien seien das Herzstück der Steingräber, erklärt sie. Darauf zu sehen: Familienwappen, aufwändig gestaltete Figuren oder auch Handwerkszeichen und Werkzeug, das der Verstorbene in seinem Beruf benutzt hat.

Angehörige, die sich nicht an die Friedhofsordnung halten

Eine Steinplatte, darauf ein bronzenes Epitaph und eine fest montierte Kupferschale für Blumen: Das ist alles, was auf dem Johannisfriedhof an Grabschmuck erlaubt ist – eigentlich. Ein Rundgang mit Friedhofsleiterin Elfi Heider zeigt: Einige Angehörige halten sich nicht daran.

"Die Menschen tragen sehr oft ihren privaten Wohnzimmergeschmack aufs Grab. Zum Beispiel die ganzen Engelchen. Wenn man auf das Grab da drüben schaut, da sind drei Engel. Wissen Sie, wenn es ein Bronzeengel wäre, wäre das eine andere Geschichte. Aber es ist Ein-Euro-Fünfzig-Kitsch aus dem Supermarkt. Und inwieweit das den Sinn erfüllt, weiß ich nicht."

Elfi Heider, Leiterin des Friedhofs Sankt Johannis in Nürnberg

Zwei Dinge stehen im Widerstreit: Einmal der Denkmalschutz mit seinem Bestreben, den historischen Friedhof in seiner einheitlichen Gestalt zu erhalten. Und andererseits das Bedürfnis der Angehörigen nach Einzigartigkeit: An diesen einen besonderen Menschen zu erinnern, der unter der Steinplatte begraben liegt.

"Es ist immer eine Gratwanderung, das weiß ich, weil die Menschen ihrer Trauer individuell Ausdruck geben. Ich würde nie ein Bild von einem Kind, das das aufs Grab vom verstorbenen Vater gelegt hat, entfernen. Man muss immer abwägen: Was ist die tatsächliche Trauer des Menschen, und was ist notwendig, um das Gesamtbild zu erhalten."

Elfi Heider, Leiterin des Friedhofs Sankt Johannis in Nürnberg

Nicht oft, aber immer wieder greift Elfi Heider zu rigorosen Maßnahmen.

"Ich räume oder lasse in regelmäßigen Abständen die Gräber räumen von Schmuck, der nicht erlaubt ist. In der Satzung steht, dass zum Beispiel Material aus Glas, Emaille, Porzellan, Kunststoff nicht erlaubt ist. Ich hänge dann einen Zettel an die Tore und sage, in drei Wochen wird abgeräumt. Und dann haben die Menschen die Möglichkeit, das wegzutun. Wenn sie es nicht tun, dann gehen wir durch und entfernen es."

Elfi Heider, Leiterin des Friedhofs Sankt Johannis in Nürnberg

Angehörige sind teils empört

Sehr zum Ärger mancher Angehöriger: Menschlich fragwürdig sei das, beschwerte sich eine Grabbesitzerin nach der letzten Abräum-Aktion. Nicht jeder lese die Aushänge an den Toren oder komme regelmäßig auf den Friedhof. Eine andere kritisierte das Abräumen als "anmaßend und überheblich". Elfi Heider versucht dann, persönliche Gespräche zu führen, um die Wogen zu glätten. Sie will vor allem die Gräber vor Zerstörung schützen. Gerade jetzt im Frühjahr sind immer wieder Blumenschalen aus Plastik auf den Steingräbern zu sehen. Ein besonderes Ärgernis für Elfie Heider, denn – so die Friedhofsleiterin – das mache den Stein systematisch kaputt.

"Wenn Sie zuhause auf ihren Holztisch eine Plastikschale dieser Art stellen und gießen, dann haben Sie nach einer Woche einen verfaulten Tisch. Der Stein ist natürlich härter im Nehmen, aber auch der weicht auf, die Oberfläche geht kaputt. Im Winter geht der Frost drunter, die Oberflächen platzen auf, der Stein zerbröselt. Deswegen soll das nicht sein."

Elfi Heider, Leiterin des Friedhofs Sankt Johannis in Nürnberg

Das Epitaph – der schönste Grabschmuck

Epitaphien auf dem Nürnberger Johannis-Friedhof

Wer auf dem Johannis-Friedhof ein Grab kauft, der akzeptiert damit auch die strenge Friedhofsordnung der denkmalgeschützten Grabstätte. Die Mehrheit der Grabbesitzer hat damit kein Problem, so wie auch Irmgard Holzbecher. Sie pflegt auf dem Johannisfriedhof das Grab ihres Vaters und ihrer Großeltern:

"Also als erstes entferne ich hier diese Christrosen, die nicht mehr passen. Ich habe Stiefmütterchen gebracht. Und weil mein Vater morgen Geburtstag hätte – seinen 115., er ist vor 20 Jahren gestorben mit 95 Jahren – habe ich ihm rote Rosen gebracht. Ich lege die auf das untere Epitaph, das wird hier abgeräumt und da lege ich die hin. Und diese Schalen, das schaue ich mir an, was da zu machen ist. Die muss ich einfach neu bepflanzen."

Irmgard Holzbecher, Angehörige

Irmgard Holzbecher weiß, dass ihre Möglichkeiten, das Grab ihres Vaters zu gestalten, sehr beschränkt sind. Als Einschränkung empfindet sie das nicht. Der schönste Grabschmuck sei das Epitaph, sagt Holzbecher. Das hat der fränkische Bildhauer Felix Müller für das Familiengrab gestaltet.

"Sie sehen den Engel, der über seinen Schultern den Menschen trägt. Von oben, praktisch als Flügel des Engels, sind gestaltet die Hände Gottes, die den Verstorbenen aufnehmen. Und wir empfinden das immer als sehr tröstlich. Das ist ein historischer Friedhof mit einer ganz besonderen Ausstrahlung. Ich finde das gut, dass hier nicht jeder Kitsch erlaubt ist und jede ausufernde Selbstdarstellung, sag ich mal. Ich sehe es sehr positiv. Ich freue mich immer, wenn ich herkomme und den Blick schweifen lasse. Eigentlich zu allen Jahreszeiten."

Irmgard Holzbecher, Angehörige


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