Bayern 2


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Bayern genießen Kalt - Bayern genießen im Januar

Aber heit is koid singen die traditionellen Schäfflergruppen alle sieben Jahre. Dabei gibt es in jedem Winter eiskalte Tage, die einen wie die Schäffler von einem Fuß auf den andern hüpfen lassen. Viel Vergnügen bei dieser eiskalten Ausgabe von Bayern genießen.

Stand: 02.01.2021 | Archiv

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Kalt"

Oberbayern: Kalt geformt: Der Eiskünstler Thomas Tremml aus Ismaning. Von Moritz Steinbacher
Niederbayern: Kalt genannt: Die Kalte Moldau bei Haidmühle. Von Renate Roßberger
Oberpfalz: Kalt gemacht: Lindes Eismaschine in Regensburg. Von Thomas Muggenthaler
Oberfranken: Kalt gegessen: Zutenhefeklöße aus Goldkronach. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Kalt gefroren: Die Kältekammer in Erlangen. Von Barbara Bogen
Mainfranken: Kalt genossen: Eiskonfekt aus Werneck. Von Achim Winkelmann
Schwaben: Kalt gewärmt: Pelze mit gutem Gewissen aus Augsburg. Von Barbara Leinfelder

Kalte Moldau

Kalt. Zusammen mit vielen weiteren Begriffen in anderen europäischen Sprachen geht das Wort auf die Ursprache der jungsteinzeitlichen Bauern zurück. Die indoeuropäische Wurzel cl- oder hl- bedeutet ursprünglich so viel wie stechen, prickeln und danach gleichzeitig warm, beziehungsweise kalt sein. Schließlich kann warmes Feuer genauso stechen und prickeln wie eisige Kälte. Und manchmal vereinigen sich Wärme und Kälte zu gemeinsamer Pein. Jeder kennt das Gefühl, wenn man mit erfrorenen Fingern in die Wärme kommt, wenns in den Fingern das Nageln anfängt - das Rezept dagegen: Kaltes Wasser über die eiskalten Finger. Das wärmt dann. Warm und kalt sind also höchst relative Begriffe, das weiß sowieso jeder, der fröstelt, wo es dem andern längst zu heiß ist. Und Italienisch caldo bedeutet ja nicht umsonst warm. So kommt es zum Beispiel, dass die Moldau, der tschechische Nationalfluß, aus einer Warmen und einer Kalten Moldau entsteht, die vermutlich beide eher gleich warm und oder kalt sind. Übrigens: von wegen Nationalfluß: Die Kalte Moldau entspringt in Bayern. Unsere Flüsse haben sich nie um Grenzen gekümmert. Und mit der Moldau ists halt wie mit der Isar, die wär der altbayerische Nationalfluss, wenn sie nicht ein paar Meter hinter der bayerisch-tiroler Grenze entspringen würd. Hier gibt’s einen kleinen Wandertipp zum Ursprung der Kalten Moldau.

Lindes Eismaschine

Weil wir grad bei der Isar waren: Flußnamen wie Isar, Isen, Isere, Eisack undsoweiter gehen auf die keltische Wurzel is zurück, die spritzen, schäumen auch reißen bedeutet. Nicht nur Isar oder Eisack sind schäumend und reißend – auch das Eisen, das zur Keltenzeit vor 3000 Jahren erfunden worden ist, reißt blutende Wunden. Das gleiche macht ja auch das Eis. Wasser tut nicht weh - ist es erst einmal gefroren, kann man sich aber ganz schön dran verletzen. Abgesehen davon war Eis schon immer begehrt. Die Römer haben es sich im Sommer von den Alpen bringen lassen und damit Speiseeis produziert und bei uns hat man es spätestens seit dem Mittelalter aus speziell angelegten Weihern gestochen, um den Sommer über Bier kühlen zu können. Eis also ein kostbares Gut. Bis der evangelische Pfarrerssohn aus Berndorf bei Kulmbach und spätere Professor am Münchner Polytechnikum Carl von Linde im Jahr 1871, also vor genau 150 Jahren, mit den Forschungen an einer Kältemaschine begonnen hat. Mitten im Industriezeitalter hat damit eine Eiszeit der besonderen Art begonnen. Linde konstruierte noch 1871 zwei Modelle: Das erste für die Brauerei Dreher in Triest, das zweite für die Münchner Spatenbrauerei. Das Modell Nummer 1 aus Triest steht heute im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Noch heute funktioniert jeder Kühlschrank nach dem von Linde ausgetüftelten Prinzip. Anlass genug für eine Linde-Gedächtnisminute, wenn Sie das nächste Mal zum Kühlschrank gehen!

Eiskünstler Tremml Ismaning

Man kann davon ausgehen, dass es sich bei der indoeuropäischen Wortwurzel cl- oder hl-, auf die das Wort glatt zurückgeht, um eine sogenannte Lautgebärdehandelt. Da bildet man mit Lauten das nach, was man bezeichnen will. Wenn also der jungsteinzeitliche Bauer ggll oder hhll gesagt hat, dann haben gleich alle gefröstelt. Und alle haben gewusst: Was gl oder hl ist, das ist nicht bloß kalt, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch glatt - ebenfalls die gleiche Wortwurzel. Womit wir wieder beim Eis sind: Lateinisch glacies heißt Eis. Französisch glace. Auch der Gletscher kommt daher, genauso wie glitschig. Das Schlittern, das Schliwatzn auf dem Eis, gehört ja zu den ältesten Wintersportarten überhaupt. Generell gilt: Eis glänzt. Alles, was im Deutschen die Wurzel gl im Anlaut hat, ist damit verwandt: Der glanz,das Glimmen, das Glühen, das Glosen, das Gleißen - und selbstverständlich auch das Glas. Das sieht ja nicht umsonst fast so aus wie das Eis. Wobei man sagen muss: Natürliches Eis ist ja in den seltensten Fällen richtig durchsichtig. Das Glas war ja in früheren Zeiten ja auch opak, höchstens durchscheinend. Erst moderne Technik hat es absolut klar gemacht. Das wiederum hat für modernes Kunsteis wiederum die Latte höher gelegt: Eis glasklar zu machen ist zu einer Wissenschaft für sich geworden. Und auch da ist ein Bayer ganz vorn mit dabei: Der Eiskünstler Thomas Tremml aus Ismaning bei München liefert seine Skulpturen und andere Eisprodukte in alle Welt.

Eichetti Eiskonfekt

Die alte Wortwurzel glkann, wie gesagt, warm und kalt gleichermaßen bezeichnen. Lateinisch calidus heißt warm, gelidus dagegen kalt, gefroren. italienisch caldo und gelato. Das Gelato, das italienische Speiseeis kennt jeder, auch wenn es jetzt, im höchsten Winter, keine Saison hat. Dafür gibt’s was Anderes, das man vielleicht nicht so auf dem Schirm hat: Eiskonfekt: Und man muss schon sagen: Wie bei der Kältemaschine war auch der Erfinder des Eiskonfekts ein Franke: Auf der Basis einer Idee von unterfränkischen Hausfrauen hat es der Wernecker Der Konditormeister Adam Eichelmann aus dem unterfränkischen Werneck 1927 entwickelt. Seitdem hat es sich in der halben Welt als typische Weihnachts- und Wintersüßigkeit etabliert. Alle kennen sie, die kleinen zackigen Eiskonfekt-Schälchen aus Aluminium in vielen Farben, gefüllt mit einer cremigen Masse, die im Mund sofort schmilzt und sich dabei kalt und immer kälter anfühlt. Längst gibt es von Eichetti auch andere Produkte. Es ist aber wie beim Tempo-Taschentuch: Der Name der Firma ist zum Synonym geworden für Eiskonfekt.

Goldkronacher Zutenhefeklöße

Wir bleiben in Franken und bei der kaltwarmen Wortwurzel gl. Denn ob kalt oder warm - das ist auch bei der folgenden Spezialität aus dem Fichtelgebirge ganz gleich. Zutenhefeklöß schmecken direkt aus dem Ofen genauso gut wie bei Zimmertemperatur oder aus dem Kühlschrank. Zutenhefeklöße: Wahrscheinlich haben Sie davon noch nie gehört und sie schon gar nicht probiert. Denn diese Klöße gibt es nur Ende Dezember Anfang Januar. Und nur und ausschließlich in der kleinen Stadt Goldkronach im Landkreis Bayreuth. Schon im Nachbarort sind sie unbekannt. Dabei hätten sie viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Finden wir jedenfalls. Dabei ist es so: Sie können natürlich Zutenhefeklöß nachmachen - das exklusive Rezept dazu gibt’s hier. Damit wär aber ein herber Verlust verbunden: Der Verlust der Exklusivität. Zutenhefeklöß, das ist halt ausschließlich Goldkronach. Mag es zwar ähnliches auch woanders geben - ganz gleich ists halt doch nicht und heißen tuts auch ganz anders. Deswegen sollten sich die Goldkronacher den Namen und ihr spezielles Rezept bei der EU schützen lassen. Dann kann es theoretisch den Zutenhefeklößen gehen wie der Pizza. Mag die ganze Welt Pizza machen. Jeder weiß: So richtig gut ist sie bloß in Neapel. Und wir wissen jetzt: Zutenhefeklöß das ist Goldkronach.

Kryosauna

Ich habs ja schon erzählt: Kaltes Wasser macht eiskalte Finger warm. Überhaupt kennt jeder das Gefühl, dass ein eiskaltes Bad oder eine eiskalte Dusche hernach pudelwarm macht. Regt den Kreislauf an und damit die Durchblutung nicht nur alles Muskeln, sondern auch des Hirns. Eis macht schlau. Deswegen gibts schon seit Jahrzehnten Leute, die schwören aufs Eisbaden. Andererseits ist das Baden im eiskalten Fluß oder See nicht jedermanns Sache. Und natürlich kann man die Kälte dabei nicht gut dosieren. Das wär aber interessant, wenn mans richtig wissenschaftlich medizinisch anwenden möchte. Genau dafür gibt’s die Kryotherapie von griechisch Kryo=Kälte.Nicht einmal nass wird man dabei.

Zugegeben: Ich bin eher ein Warmduscher. Aber wenn Sie sich für die Kryosauna interessieren: Die gibt’s mittlerweile nicht mehr bloß in Erlangen, sondern zum Beispiel auch in Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Landshut oder München.

Ethischer Pelz

Sie sehen: Kälte kann man durchaus genießen. Nicht bloß weil sie kalt ist, sondern auch weil man sich dagegen warm anziehen kann. Es gibt ja nix schöneres als ein gut eingemummelter Spaziergang an einem eiskalten Wintersonnentag. Das Angebot an entsprechender Kleidung ist mittlerweile ja riesengroß. Noch vor ein paar Jahrzehnten hats da nicht so viel Auswahl gegeben. Jahrtausendelang war die Antwort auf die Frage Was hilft am besten gegen die Kälte? klar: Ein Fell, ein Pelz. Heute allerdings protestiert der Tierschutz gegen grausame Pelztierfarmen - zu Recht versteht sich. Andererseits gibt es auch Tiere, die getötet werden, weil sie Krankheiten übertragen oder zur Plage geworden sind und dezimiert werden müssen. Der Fuchs manchmal, der Bisam, der Waschbär, aber auch der Biber. Sie werden heute mitsamt ihren Bälgern einfach entsorgt. Dabei wäre ihr Fell weich und warm und ist eigentlich viel zu schade zum Entsorgen. Im Gegenteil: Im Prinzip ist es unethisch, ein Tier, das man schlachtet, nicht vollständig zu verwerten. Und biologischer als so manches künstliche Textil ist ein Pelz sowieso. Ein Kürschner aus Augsburg hat da Lösungen parat.

Zum Schluss

Es gibt so viele Möglichkeiten Kälte zu genießen! Vorausgesetzt natürlich, es ist wirklich kalt. Stellen Sie sich bloß vor, Sie treffen sich mit ein paar Freunden auf dem nächsten Weiher zum Eisstockschießen. Die Eisstöcke schweben über das Spiegeleis, auf dem die Sonne glänzt. Und manchmal gibt’s ein Schnapserl – nicht nur, um beim nächsten Schuss besser zu treffen – was für ein Genuss! Aber aufgepasst: Eis kann hai sein. Hai ist die alte bairische Entsprechung zu glatt und geht genauso wie glatt auf die alte Wortwurzel gl/hl zurück. Im Mittelalter war das Wort auch in Franken und Schwaben bekannt. Damals hat es noch hal geheißen. Weil die Altbayern das l nach Vokalen aber vokalisieren, wie man sagt, also aus schnell schnei machen oder aus kalt, koid, so ist auch aus hal hai geworden. Hai sagt leider kaum einer mehr; etwa, dass die Straß von Eis und Schnee ganz hei, also glatt, rutschig ist. So ein altes Wort zeigt aber einmal mehr, wie eng verwoben unsere Sprachen mit jahrtausendealter Geschichte sind. Und sowas kann doch wirklich niemanden kalt lassen.


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