Petition gegen #Bierzeltsexismus im "Donaulied" "Sexuelle Gewalt kann auch ein Bild oder Lied sein"

Im bekannten "Donaulied" vergewaltigt ein Mann ein schlafendes Mädchen. Als im Bierzelt alle um sie herum den Text lauthals mitsingen, ist die Passauer Studentin Corinna Schütz entsetzt. Mit Freund*innen hat sie eine Petition gegen #Bierzeltsexismus gestartet – diese schaffte es nun sogar bis in den Innenausschuss des bayerischen Landtags.

Von: Linda Becker

Stand: 03.03.2021 14:27 Uhr

Bild: dpa-Bildfunk/Armin Weigel

Corinna Schütz, 22, studiert in Passau und möchte, dass das "Donaulied" künftig in Bierzelten nicht mehr gespielt wird. Bekannt wurde der Song durch den Party-Schlagersänger Mickie Krause, die ursprüngliche Fassung ist aber schon viel älter. In dem Lied geht es um die Vergewaltigung eines Mädchens, sagt Corinna Schütz. Deshalb hat sie mit Freund*innen die "Aktion gegen Bierzelt-Sexismus" ins Leben gerufen und eine Petition gestartet.

Über 36.000 Unterschriften gegen #Bierzeltsexismus

Im August 2020 haben die Initiatorinnen die Donaulied-Petition in Passau mit über 36.000 Unterschriften an Oberbürgermeister Dupper übergeben. Für die Gruppe rund um Corinna Schütz war die Abgabe der Petition auch der Auftakt, um das Thema Bierzelt-Sexismus generell anzugehen. Die Gruppe hat sich die zehn größten Volksfeste in Bayern vorgenommen und die Wirtschaftsreferate der jeweiligen Städte angeschrieben. Mit dem Ergebnis: Jede Stadt hat ihr eigenes Konzept – sowohl was die Lied-Regelungen für Musiker als auch das Sicherheitskonzept für Frauen betrifft.

Nicht alles, was geschmacklos sei, könne verboten werden

Die Petition hat es am 3. März 2021 sogar in den Innenausschuss des bayerischen Landtags geschafft. Dort wurde sie allerdings nur zur Kenntnis genommen. Die Begründung: Der Landtag könne nicht in die Kommunen hineinregieren, und nicht alles, was geschmacklos ist, könne auch verboten werden. Jede Gemeinde und jede Stadt in Bayern müsse sich selbst darum kümmern, ob auf ihrem Volksfest künftig das Donaulied gespielt werden darf oder nicht, bilanzierten die Politikerinnen und Politiker. Der Stadtrat von Erlangen hat bereits beschlossen, das Donaulied in Festzelten zu verbieten. In Passau wird es zu dem Thema einen Runden Tisch geben.

Der Bayern 2-Podcast „Tagesticket“ hatte am 4. Juni 2020 mit der Initiatorin der Petition, Corinna Schütz, gesprochen:

Tagesticket: Eure Petition gegen Bierzeltsexismus richtet sich gegen das sogenannte "Donaulied". Welche Zeilen stören Euch?

Corinna Schütz: Im Lied geht es um die Vergewaltigung eines Mädchens am Donauufer. Ein Mann, aus dessen Sicht man das Lied singt, findet ein leicht bekleidetes Mädchen, sie schläft und hat die Beine "weit von sich gestreckt". Dann kommt die Zeile: "Ich machte mich über die Schlafende her", also eine explizite Vergewaltigung. Dann geht es weiter: "Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr", was das Ganze noch beschreibt. Später wird dann noch gesagt, dass sie sich bei ihm beschwert: "Ich habe schon zwölf Kinder. Was soll ich jetzt mit dem dreizehnten tun?" Du Schlingel, quasi. Und am Ende kommt noch die Beleidigung: "Was denkst du von mir, du Schlampe? Ich hab doch immer einen Gummi dabei."

Nach dem Motto: Wenn man jemanden mit Kondom vergewaltigt, dann geht's ja?

Corinna Schütz: Ganz genau. Für mich ist das eine sehr problematische Aussage. Und am Ende kommt die Moral: Schlafende Mädels vögelt man nicht. Das klingt nach einer Warnung: Passt auf Jungs, wenn ihr schlafende Frauen vergewaltigt, dann könnt ihr Probleme bekommen, weil die schwanger werden. Es geht komplett unter, dass da eine Straftat besungen wird. Auch die Melodie finde ich schwierig, dieses "Oh-La-La-La", weil ich da diese Verherrlichung so sehe. Dass man sich freut über das, was man gerade gesungen hat.

Weil eine Vergewaltigung beschrieben wird, die aber in einem fröhlichen Lied daherkommt?

Corinna Schütz: Dabei ist es gar kein fröhliches Anliegen. Im Song "Jeanny" von Falco zum Beispiel [der von einer Sexualstraftat handelt und bei Erscheinung 1985 einen Skandal ausgelöst hatte, Anm. d. Red.] kann man durchaus von einer künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem sehr kritischen Thema sprechen. Der Song stellt auch den Wahnsinn des Täters dar, zum Beispiel in der Stimme. Im Donaulied sehe ich das überhaupt nicht.

Was war der Moment, wo euch klar wurde "Jetzt reicht's, das Donaulied gehört verboten. Wir starten jetzt eine Petition!"?

Corinna Schütz: Ich habe das Lied zum ersten Mal vor zwei Jahren gehört, als ich in Passau zu studieren angefangen habe. Auf einer privaten Feier. Da hat mich der Text einfach nur gestört. Aber privat kann ja jeder singen, was er will. Kurz darauf habe ich es in der schlimmen Version auf der Passauer Dult gehört. Und ich war so entsetzt. Ich habe meinen Freunden auf der Bierbank in die Augen geschaut – und die wussten ja, was sie da singen. Die waren textsicher. Und ich habe nur gesagt: Wieso singt ihr denn das? Aber wenn man versucht, im Bierzelt eine Sexismus-Debatte zu starten, da hat man einen verdammt schlechten Stand. Ausschlaggebend für mich waren dann Joko und Klaas.

Mit ihrem Beitrag "Männerwelten"?

Corinna Schütz: Das hat mich so ergriffen. Ich wusste am Anfang gar nicht, warum. Ich habe selber nie sexuelle Gewalt erleben müssen in physischer Form. Aber das war der Punkt für mich: Dass endlich mal jemand, der beliebt und bekannt ist, ausspricht, was sich alle unterbewusst schon lange denken. Dass sexuelle Gewalt nicht nur physisch ist, sondern auch ein Bild sein kann, ein Kommentar, ein Wort, ein Lied. Da habe ich gesagt: Okay, jetzt kann ich dafür kämpfen. Vorher wusste ich nicht, was ich dagegen hätte tun sollen. Ich habe mir das vor zwei Jahren schon einmal vorgenommen. Aber ich wusste, ich hatte keine Stimme. Und durch diesen Beitrag habe ich mir gedacht: Jetzt verstehen die Leute vielleicht, was mein Problem ist.

Es gibt Überlegungen, die kritischen Stellen herauszunehmen und das Lied umzudichten. Wäre es damit für euch getan?

Corinna Schütz: Leider nicht. Das Lied gibt's in seiner schlimmen Version ja schon seit hundert Jahren. Die Version von Mickie Krause, die es ja auch schon eine ganze Weile gibt, ist ja schon abgeschwächt. Das hat nicht geholfen. Man kann auch diese Version nicht kontextfrei singen.

Warum singen Leute das "Donaulied", ohne sich über die Bedeutung Gedanken zu machen?

Corinna Schütz: Ich habe mit denen gesprochen, die das damals neben mir auf der Bierbank gesungen haben. Einige schämen sich mittlerweile dafür. Das Problem ist: Man denkt halt nicht nach. Jeder singt es. Auch viele Mädels sagen: Ich wollte halt nicht die eine im Bierzelt sein, die rumzickt. Ich wollte nicht langweilig sein gegenüber den anderen – gar nicht unbedingt gegenüber Männern, sondern auch unter Freundinnen. Man möchte locker sein, möchte entspannt wirken und humorvoll sein. Und dann meint man, dieses Lied singen zu müssen, um in der Gruppe akzeptiert zu werden.

Ihr bekommt wegen euer Petition viele Mails und Nachrichten über Social Media. Was sagen denn die Leute?

Corinna Schütz: Alles, was man sich gar nicht zu denken traut. Hass aus der rechten Ecke, ganz viele Nazi-Parolen. Seit ein paar Tagen nehmen wir Screenshots auf, dokumentieren, melden, löschen und bringen das auch zur Anzeige. Ich darf mir ganz viel anhören gegen mich als Studentin, gegen mich als Frau. Kommentare wie: "Man müsste sie nur mal richtig durchbügeln, dann kommt sie schon auf gute Gedanken." Online haben sich keine zehn Leute wirklich sachlich mit dem Thema auseinandergesetzt. Das fände ich ja schön, wenn Leute zwar nicht meiner Meinung sind, sich aber sachlich über das Thema austauschen können. Statt einfach nur zu sagen: "#Bierzeltsexismus, oh Gott! Schon wieder irgendeine von diesen grünen Öko-Feministinnen, die mir unsere Kultur wegnehmen wollen!"

Was passiert, wenn genügend Unterschriften zusammenkommen?

Corinna Schütz: Wir haben bisher 25.000 Unterschriften gesammelt. Sobald wir ein positives Feedback von offizieller Seite haben, ist für uns das Thema Passau erst einmal abgeschlossen. Als nächstes haben wir uns vorgenommen, das Ganze auch bayernweit auszuweiten. 25.000 Unterschriften sind auch ein Auftrag, das Ganze größer anzugehen. Wir möchten beim Donaulied bleiben und schauen, ob wir auch auf anderen Volksfesten eine Sensibilität dafür bekommen. Und im Zuge dessen hoffen wir, dass über unseren Hashtag "Bierzeltsexismus" das Thema insgesamt angestoßen wird. Wir wollen keine Regeln aufstellen. Wir wollten noch nie irgendwelche Verbote, sondern uns geht es um den Denkanstoß. Und wir werden weiterhin Bands anschreiben, Veranstalter, Wirte und auch Städte. Alles, was ein Volksfest hat und dieses Lied spielt, wird von uns eine Mail kommen.

Das Interview stammt aus dem Tagesticket, unserem Früh-Podcast.