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Geheimnisvolle Künstlerin Hermine Moos - Schöpferin von Oskar Kokoschkas Fetisch-Puppe

Am 22. Februar 1980, vor 40 Jahren also, starb der große Maler Oskar Kokoschka. Nicht nur mit seinen Bildern hat er Kunstgeschichte geschrieben. Auch seine obsessive Liebe zu Alma Mahler trieb wunderliche Blüten. Nachdem sie ihn verlassen hatte, ließ er sie in Gestalt einer lebensgroßen Puppe wiederauferstehen. Geschaffen hat diesen skurrilen Fetisch die Münchner Künstlerin Hermine Moos. Dies ist ihre Geschichte.

Von: Justina Schreiber (Produktion DLF/BR 2018)

Stand: 22.02.2020 | Archiv

Der wohl berühmteste Homunculus der Kunstgeschichte war ein lebensgroßes Vollweib mit Teddybärenfell, halb Fetisch, halb "Love Doll". In Auftrag gegeben hatte die wunderliche Monstrosität der Maler Oskar Kokoschka als künstlichen Ersatz für seine Verflossene: die Femme fatale Alma Mahler. Ausgeführt hatte den Auftrag eine Münchner Künstlerin unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg: Hermine Moos. Sie ist die große Unbekannte in dieser seltsamen Ménage-à-trois.

"Liebes Fräulein Moos, ich sandte Ihnen gestern durch meinen Freund Dr. Pagel eine lebensgroße Darstellung meiner Geliebten (Alma Mahler), welche ich Sie bitte recht getreu nachzuahmen und mit dem Aufgebot Ihrer ganzen Geduld und Sensualität in Realität umzuschaffen."

(Oskar Kokoschka)

Enttäuscht von Alma Mahler und ihrem Ebenbild aus Stoff

Die Femme fatale Alma Mahler (1908)

Zahlreiche Briefe mit genauen Anweisungen und Entwurfsskizzen gingen zwischen Oskar Kokoschka und der Münchner Puppenmacherin Hermine Moos hin und her. Trotzdem entsprach "die stille Frau", als sie dem 33 Jahre alten Kunstprofessor dann 1919 nach Dresden geliefert wurde, so gar nicht seinen erotischen Vorstellungen und Bedürfnissen; wie ihn auch das reale Vorbild, die Witwe Gustav Mahlers, bitter enttäuscht hatte, denn sie hatte ein gemeinsames Kind abtreiben lassen.

Im Herbst 1918 hatte Hermine Moos ihr Bestes gegeben um in schwierigen Zeiten diesen schwierigen Auftrag zu erfüllen. Sie musste Materialien wie Watte und Zwirn und bahnenweise Stoff besorgen, während die allgemeine Stimmung in München sehr angespannt war.

Ständig kam es in der Stadt zu Überfällen und Schießereien, bis die Lage am 7. November 1918 nach einer Volksversammlung auf der Theresienwiese eskalierte. Es war Revolution! Hermine Moos durfte sich trotzdem nicht beirren lassen. Ihr Auftraggeber drängte.

Eisbärenfell statt Pfirsichhaut

Der Maler Oskar Kokoschka in jungen Jahren

Das nackte Weib mit den üppigen Brüsten. Eine Männerphantasie. Nur die Haut der fertigen Puppe passte nicht ins Konzept des liebeskranken Malers. Sie erinnerte an ein Eisbärenfell - das einzige flauschig-weiche Material, das Hermine hatte ergattern können. Angeblich kleidete Oskar Kokoschka die Ersatz-Alma in schöne Gewänder, nahm sie mit in die Oper. In seinem Wohnzimmer hatte sie ihren festen Platz.

Seine schräge Obsession erregt bis heute Aufsehen. Doch die berühmten Fotos von dem lebensgroßen Kuschel-Monster hat nicht Kokoschka gemacht. Sie stammen von Hermine Moos.

Hermine Moos beging mit 40 Jahren Selbstmord

Hermine Moos mit Skelett der Alma-Puppe

Für die Münchner Malerin interessierte sich allerdings bisher niemand. Sie beging schon 1928 mit 40 Jahren Selbstmord. Trug etwa Kokoschkas vernichtende Kritik an dem "Fetzenbündel" dazu bei?

Justina Schreiber jagt seit Jahren der Puppenmacherin nach, um ihr immerhin posthum zur Rehabilitation zu verhelfen. Keine leichte Sache. Denn die Nazis radierten ihre Familie aus. Und manche Spur verliert sich im Nichts. Aber einige Entdeckungen lassen sich dann doch machen, die der verschollenen Künstlerin Konturen geben.

Späte Versöhnung zwischen Alma und Oskar

Ende gut, alles gut. Zumindest für Oskar Kokoschka und Alma Mahler-Werfel, die sich im Alter aussöhnten. Da war er schon länger mit der knapp 30 Jahre jüngeren Olda verheiratet. Von der glücklosen Hermine Moos jedoch künden heute nur noch die zwölf überlieferten Briefe ihres berühmten Auftraggebers. Und die Fotos, die sie mit der pelzigen Puppe in ihrer Schwabinger Wohnung zeigen. Es gibt kaum Belege dafür, dass sie jemals künstlerisch reüssieren konnte. 

Und was wurde aus der Alma-Puppe mit dem Eisbärenfell?

"So wenig dies auch 'meine' Puppe war, es tat mir doch weh von ihrem Ende zu hören. Lotte Pritzel und Dr. Pagel erzählten, dass Kokoschka der Puppe eines Nachts im Rahmen einer wüsten Orgie den Garaus gemacht hätte. Schockierte Passanten fanden die 'Leiche' am nächsten Morgen in einem Blumenbeet. Mit abgerissenem Kopf, den Körper blutüberströmt, sprich: mit Rotwein übergossen. Der städtische Mistwagen transportierte sie ab."

(Hermine Moos)


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