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Heizen, heilen, fruchtbar machen Der Wirtschaftsfaktor Moor im Wandel der Zeit

Sie sind mystisch, feucht, oft wabert dort Nebel über den Streuwiesen oder zwischen den Birken: Die Moorgebiete. Torf hat eine heilende Wirkung und seit hunderten von Jahren wurde Torf in den Mooren gestochen, um zu Heizen. Oder im großen Stil mit Baggern abgebaut, wie bei Peiting in Oberbayern.

Von: Chris Baumann

Stand: 25.10.2021 | Archiv

Am 23.Juli 1957 wurde die einzige in Europa in einem Sarg begrabene Moorleiche zwischen Peiting und Hohenpeißenberg im Weiter Filz gefunden. Dort wurde Torf mit Baggern abgebaut, um Brennmaterial für die Baumwollspinn- und Weberei in Kaufbeuren zu gewinnen. Werner Krätzig war damals als junger Ferienjobber dabei, als die Arbeiter auf die Moorleiche Rosalinde stießen.

"Der Bagger blieb stehen, wir haben dann versucht, ein- zweimal zurück zu fahren wieder ein bisschen vorwärts zu fahren und sind dann runter in die Grube, auch Herr Samuel Gunsch, der Baggerführer und dann werde ich nie vergessen als er plötzlich sagte: Um Gottes Willen da liegt ja Oana drin."

Werner Krätzig, Mitfinder der Moorleiche Rosalinde

Hannes Fischak mit Lok Molly

In den Kendlmühlfilzen in Rottau im Chiemgau wird im Museum Torfbahnhof die Geschichte erhalten. Die grüne Lok Molly fährt die Besucher in offenen mit Holzbänken bestuhlten Holzwagons ein Stück durchs Moor.

"Es lagen einstmals bis zu 40 Kilometer Gleis hier im Moor, aber sie müssen sich vorstellen: Seitdem dieses Moor unter Naturschutz steht und mit der Renaturierung begonnen wurde, d.h. der Wasserspiegel wurde wieder angehoben, ist da kein Zug mehr reingefahren. Heute liegen vielleicht noch 15 - 20 Kilometer Gleise im Moor."

Hannes Fischak, ehrenamtlicher Lokführer im Museum Torfbahnhof in Rottau

Streckenplan der damaligen Moorbahn in den Kendlmühlfilzen

Bereits 1850 hat König Max II beschlossen, die Moore zu nutzen. Eine wissenschaftliche Untersuchung führte dazu, dass das Moor landwirtschaftlich u.a. für den Kartoffelanbau genutzt wurde, aber auch geschreddert als Stalleinstreu und vor allem wurde der Torf…

"als Brennmaterial verwendet, denn getrockneter Torf brennt sehr gut, so ähnlich wie Braunkohle vom Brennwert her brennt, also auch sehr lang und wurde dann verwendet in den Salinen zum Beispiel oder eben auch zu Hause als Brennmaterial, man hat Schulen damit geheizt auch damit die Tinte nicht einfriert."

Claudia Riess vom Museum Torfbahnhof in Rottau

Die heutigen 750 Hektar Naturschutzgebiet gehörten der Regierung, und die benötigte zum Torfabbau Arbeitskräfte, deshalb

"hat man ein Gefängnis hier erbaut und das ist die JVA Bernau, die dann zugleich auch den Torfbahnhof erbaut hat, damit man die hier gestochenen Torfsoden gleich auch aufs Gleis bringt also an den Anschluss München Salzburg, der ja seit 1865 hier schon vorbei fuhr."

Claudia Riess vom Museum Torfbahnhof in Rottau

Umladebahnhof Kendlmühlfilzen mit Gesprächspartnerin Claudia Riess vom Museum Torfbahnhof

Die Genehmigung zum Abbau von Torf für Blumenerde lief 1986 aus. Inzwischen wird für Blumenerde immer weniger Torf verwendet, stattdessen Torfersatzstoffe, wie Holzfasern, Rindenhumus, Kompost und Kokosprodukte. In den Kendlmühlfilzen kehrte Ruhe ein. Seit 1992 stehen sie unter Naturschutz.

Langarmbagger mit 18 Meter langem Greifarm beim Moorabbau der Firma Panradl in der Nähe von Bad Aibling

Der Torf kann auch heilen. In den 1960er Jahren war Bad Aibling einer der großen Moorkurorte in Bayern. In den 16 Moorbädern kamen die Patienten, wie am Fließband dran. Teilweise bereits ab drei, vier Uhr in der Früh, denn man wollte ja vom Rest des Tages noch etwas haben. Der Bedarf am schwarzen Rohstoff war enorm. Für Bad Aibling hat neben anderen die Firma Panradl den Torfabbau und -transport betrieben.

"­­Also mein Großvater hat einen Altmaterialhandel gehabt und Kohlenhandel und 1964 hat er mit dem Moorfahren angefangen, also auf Betreiben von den Kliniken her, die haben also einen Lieferanten gesucht und da hat der Opa gesagt: Des pack ma."

Max Panradl, Panradl Moor GmbH, die für Bad Aibling Moor abbauen und fahren

Der Torf wurde nicht von Hand gestochen, sondern mit Seilbaggern, die mit Händen und Füssen bedient wurden. Die waren leichter als Hydraulikbagger und sanken im Moor nicht ein. Das war ein lukratives Geschäft besonders in der Blütezeit in den 1970er und 1980er Jahren. Sechs Mann mit zwei LKW haben den Torf nach Bad Aibling geliefert. Dann kamen die Gesundheitsreformen.

"90 ist es dann los gegangen mit den ersten Gesundheitsreformen und das ist bis zum Jahr 2000 gelaufen  und da hat uns der Herr Seehofer praktisch das Licht ausgeschaltet. Da haben wir dann von einem Tag auf den andern einen Umsatzrückgang von 60 Prozent gehabt."

Max Panradl, Panradl Moor GmbH, die für Bad Aibling Moor abbauen und fahren

Wegen der Gesundheitsreform wurden immer weniger Moorbehandlungen auf Rezept verschrieben und es kamen deshalb immer weniger Patienten - was das Geschäftsmodell der Panradls und vieler anderer stark beutelte. Die Förderleistung hat sich allein bei der Firma Panradl von ehemals 25.000 Kubikmeter auf aktuell unter 2.000 Kubikmeter pro Jahr reduziert. Viele hörten mit dem Moorabbau auf. Die Panradls überlegten sich weitere Geschäftsideen um zu überleben, wie das Aiblinger Moorkissen, Salben und Badezusätze, außerdem noch Baumfällungen, Wurzelstockfräsen und Dank des Juniors auch Gartenbau. Das Moor wird aber nicht nur in die Heilbäder gebracht, sondern hinterher dem natürlichen Kreislauf wieder zugeführt, damit der für uns Menschen überlebenswichtige CO2-Speicher bestehen bleibt.

"Und da haben wir Flächen, wo man den Torfwachstum wieder nachweisen kann. Da wachsen Seggen Gräser, die wo es sonst nirgends mehr gibt, weil die alten Samen aktiviert werden über die Moorbäder und auf einem Feld haben wir eine Sonnentaupopulation die ist einmalig in Bayern."

Max Panradl, Panradl Moor GmbH, die für Bad Aibling Moor abbauen und fahren

Im Torf zu baden ist gesundheitsfördernd und entspannend. 70 Heilbäder gibt es in Bayern, eines davon ist Bad Kohlgrub. Im Bio Kurhotel moor & mehr kann der Gast im Torf baden. Die bräunliche warme Masse lädt in einem blauen Holzzuber zum reinsteigen und sich reinlegen ein.

"Das Besondere an dem Bad ist einmal dass wir die Wirbelsäule komplett entlasten und das heißt in der Konsequenz sie schweben eigentlich und über dieses dickbreiige Moor hat man jetzt auch noch mal ne Überwärmung, also die Temperatur ist bei 40 Grad und in der Konsequenz ist es so dass diese Überwärmung die Poren öffnen und wir dann einfach die Wirkstoffe reinschleusen und damit eben ganz viele Prozesse auslösen um eine normale Körpertemperatur wieder zu erreichen."

Andrea Fend, Chefin Bio Kurhotel moor & mehr Bad Kohlgrub

Reporter Chris Baumann entspannt im Moorbad mit Torf und beim Interview. Auf der Brust liegt der Herzkühler.

Huminsäuren, Fulvinsäuren werden eingeschleust. In der Zwischenzeit hat man sich in Bad Kohlgrub auf eine schon seit ungefähr 100 Jahren bekannte weitere­­­ Wirkung des Torfes besonnen. Moor kann bei Kinderwunsch den Körper unterstützen. Salopp gesagt: Etwas Batz hilft schwanger zu werden. Es ist wissenschaftlich belegt, denn der Torf in Bad Kohlgrub wirkt sich auf die Dopaminrezeptoren aus. Das Dopamin beeinflusst die Höhe des Östrogenspiegels und unterstützt dadurch Frauen, schwanger zu werden.

Der Rückgang der auf Rezept verschriebenen Moorkuren hat Bad Kohlgrub zu schaffen gemacht, doch jetzt könnte die Zahl wieder steigen. Die ambulante Kur ist seit Juni 2021 durch eine Änderung im Sozialgesetzbuch wieder leichter für Patienten in Anspruch zu nehmen und eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen.

Das Moor ist allerdings nicht überall so heilsam. Das größte Moorgebiet Mitteleuropas liegt nur ein paar Kilometer von Bad Kohlgrub entfernt: Das Murnauer Moos - auch der Torfstich hat hier keine große Rolle gespielt, denn das liegt am teilweise

"schlechten oder andersartigen Torfzustand viele Torfe sind im Murnauer Moos durch Überschwemmungen mit Schwebstoffen vermischt und von daher nicht so sonderlich geeignet."

Peter Strohwasser, Leiter des Sachgebietes Naturschutz, Landwirtschaft, Gartenbau und Schifffahrt im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen und Kenner des Murnauer Mooses

Dafür wurde das Moor wirtschaftlich auf eine andere Art und Weise genutzt: Als Streuwiesen. Hier standen vor 200 Jahren an den Bachläufen und in den Hochwasserbereichen die Wiesen im saftigen Grün, was auf anderen Flächen im Landkreis nicht der Fall war. Die meisten solcher extensiv genutzten Flächen sind heute mit Birken oder Erlen bewachsen und völlig verwildert. Bis in die 1980er Jahre wurde die Nutzung immer extensiver.

Ab dann wurde die Bestellung der Wiesenflächen im Murnauer Moos zur Erhaltung der Kulturlandschaft und zur Erhaltung der Artenvielfalt auf den Streuwiesen zusätzlich gefördert. Mit großen Doppelreifen oder zusätzlich angebrachten Metallrädern an den Traktoren ist das trotz des teilweise feuchten Untergrundes kein Problem.

"Unsere Bauern wussten noch wie es geht mit der Streu weil sie es ja eigentlich selber noch gelernt hatten. So kam es dass wir zwischen 1980 und 2010 fast die alten Landschaftsbilder auf großen Flächen wieder zurück entwickeln konnten weil die Bauern einfach dermaßen eingestiegen sind."

Peter Strohwasser, Kenner des Murnauer Mooses

Wie ein Moorgebiet landwirtschaftlich genutzt werden kann, es aber trotzdem als CO 2-Speicher funktioniert wird derzeit in Kolbermoor auf einer Fläche der Bayerischen Staatsgüter erforscht. In Kurzform: Dort werden die ehemaligen Entwässerungskanäle zur Rückführung des Wassers ins Moor, also zur Vernässung verwendet. Man erhofft sich herauszufinden, wie trockengelegte Moorflächen wieder vernässt werden können und trotzdem landwirtschaftlich nutzbar sind - mit dem Nebeneffekt, dass der Moor-CO2-Speicher größer wird.


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