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Am besten mehrfach gesättigt Gesundes Fett in der Ernährung

Der menschliche Körper benötigt den Makronährstoff Fett unter anderem für gesunde Zellmembranen und die Gehirnleistung, vor allem aber dient er als Energiespeicher. Fett ist eine Art Lebensversicherung für schlechte Zeiten. In Krankheitsphasen, nach Unfällen oder Operationen zehrt der Organismus von diesen Reserven. Dafür reichen allerdings einige wenige Kilos.

Von: Susanne Dietrich

Stand: 29.08.2022

Schwarze Olive in Öl mit Tropfen. Foto: Creativstudio (c)MEV Verlag GmbH/ CD: MEV_Spezial Food-Fotos3_Volume_19 / 03.02.2012 | Bild: MEV/Creativstudio

Ein gesunder Fettkonsum hängt nicht nur davon ab, welche fetthaltigen Nahrungsmittel, sondern auch wie viel Fett man zu sich nimmt. Fett macht satt und ist Geschmacksträger, aber grundsätzlich braucht der menschliche Körper es nur in überschaubaren Dosen. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist es daher sinnvoll, eher wenig, dafür aber hochwertiges Fett zu konsumieren.

Experte:

Prof. Dr. Andreas Michalsen, Internist, Ernährungsmediziner und Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin

Der Text basiert auf einem Interview mit Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Der gesunde Körperfett-Anteil eines Menschen ist individuell verschieden. Ein einfacher und aussagekräftiger Maßstab für eine gesunde Fettverteilung im Körper ist der sogenannte Bauchumfang. Man benötigt dafür lediglich ein Maßband.

"Ich kann jedem nur empfehlen, den eigenen Bauchumfang zu messen. Bei Frauen ist ein Wert über 80 Zentimeter ungünstig, bei Männern ist es ein Umfang von mehr als 94 Zentimetern. Wenn es über 102 geht, hat man deutlich zu viel Bauchfett und sollte gegensteuern."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Fett dient dem Körper nicht nur als Energiespeicher, sondern ist ein stoffwechselaktives Organ, in dem Hormone, Boten- und Entzündungsstoffe produziert werden. Viele dieser Stoffe sind für die Gesundheit von Nachteil und begünstigen beispielweise Diabetes oder Herzkreislauf-Erkrankungen, erhöhen aber auch das Risiko für viele Krebsformen.

"Wir wissen, dass der Bauchspeck stoffwechselmäßig am ungünstigsten ist. Und wenn die Fettmenge, die wir dem Körper zuführen, zu viel wird, leiden auch die Organe. Ein Beispiel dafür ist die Fettleber. Sie ist inzwischen eine Art Volkskrankheit geworden. Die gute Nachricht ist aber: Wenn man sich gesünder ernährt oder fastet, geht die Fettleber auch relativ schnell wieder zurück."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Von Schweinespeck bis Avocado – fettreiche Nahrungsmittel haben viele Gesichter. Und doch sollte man sie nicht in einen Topf werfen. Man unterscheidet Fett unter anderem nach dem Grad der Sättigung in gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Auf der einen Seite stehen Fettsäuren, die vorwiegend in tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch- und Wurstwaren oder Milchprodukten vorkommen: die gesättigten Fettsäuren.

Auf der anderen Seite stehen die ungesättigten Fettsäuren, die vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten sind und sich in einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren unterteilen. Einfach ungesättigte Fettsäuren sind vor allem in pflanzlichen Ölen wie Oliven-, Raps- oder Sonnenblumenöl, aber auch in Avocados oder Haselnüssen zu finden.

Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren zählen die Omega-3-Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann und die deswegen als “essenziell“ bezeichnet werden. Sie sind in Seefisch wie Lachs oder Makrele, aber auch in Leinsamen, Walnüssen und Maiskeimöl enthalten.

Gesättigte Fettsäuren, die oft als “schlechtes“ Fett bezeichnet werden, kann der Körper selbst herstellen. Sie verlangsamen den Stoffwechsel, verschlechtern die Konzentration und fördern Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Entzündungen. Deswegen sollte man nicht zu viel davon konsumieren.

"In Tierversuchen hat man gesehen: Wenn man bei einer Maus einen schnellen Herzinfarkt erzeugen will, dann ernährt man sie mit reichlich gesättigten Fetten. Es ist wie ein Gesetz: Dann wird das Tier krank. Niemand muss Angst haben, dass man ihm das letzte Stück Butter vom Brot nimmt, aber in größeren Mengen ist gesättigtes Fett einfach ungesund."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Gesättigte Fettsäuren sind auch in Palmöl enthalten, das häufig in der Kosmetikindustrie eingesetzt wird, etwa für Waschmittel oder Lippenstift. Es befindet sich aber auch vielen Lebensmitteln wie Schokolade, Müslis oder Brotaufstrichen.

"Für mich ist es vollkommen unverständlich, dass man an sich gesunde pflanzliche Aufstriche mit Palmöl versetzt. Ich empfehle immer zu prüfen, ob ein Produkt Palmöl enthält – und wenn ja, es bitte nicht zu kaufen. Denn es enthält extrem viel gesättigtes Fett. Das erhöht den Blutdruck und das Schlaganfallrisiko und ist obendrein schlecht für die Umwelt, weil Palmöl in Monokulturen in den Regenwäldern angebaut wird. Das darf man nicht unterstützen."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

In Studien zur sogenannten Mittelmeerkost konnte auf der anderen Seite gezeigt werden, dass eine mediterrane Ernährung mit viel frischem Gemüse und hochwertigen Fetten sich positiv auf den Gesundheitszustand auswirkt.

"Wenn man den Menschen jede Woche ein gutes Olivenöl ins Haus liefert oder sie bittet, täglich eine Handvoll Nüsse zu essen, dann sinkt ihr Herzinfarktrisiko und das Diabetesrisiko, Frauen bekommen weniger Brustkrebs. Man kann davon ausgehen, dass diese Menschen weniger vom schlechten gesättigten und mehr vom guten ungesättigten Fett gegessen haben – und das ist für die Gesundheit vorteilhaft."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Den ungesättigten Fettsäuren, die vor allem in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommen, werden zahlreiche positive Wirkungen zugeordnet. Sie werden daher häufig als “gute“ Fette bezeichnet. Einfach ungesättigte Fettsäuren helfen dem Körper etwa dabei, fettlösliche Vitamine wie die Vitamine A, D und E aufzunehmen und können leicht den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken. Omega-3-Fettsäuren haben positive Effekte auf das Gehirn, die Zellwände und den Blutdruck. Vor allem aber wirken sie entzündungshemmend und können vor Herz-Kreislauferkrankungen wie Schlaganfällen, aber auch vor Demenz schützen.

"Schutzwirkung bedeutet allerdings nicht, dass man keinen Schlaganfall oder keine Demenz mehr bekommen kann, wenn man viele Omega-3-Fettsäuren konsumiert. Das sind leichte Risikoabsenkungen. Grundsätzlich kann man einzelne Fettsäuren mit gesundheitsfördernden Wirkungen in Zusammenhang bringen, aber bei den Fetten sind diese positiven Effekte nicht so stark wie bei anderen Makro- und Mikronährstoffen. Insgesamt würde ich nicht sagen, dass man Fette wie Medikamente empfehlen kann."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Besonders gute Lieferanten für Omega-3-Fettsäuren sind Walnüsse und Leinsamen. Dabei sind Nüsse und Samen in ihrer Naturform etwas vorteilhafter als die gepresste Variante. Aber auch ihr Öl ist förderlich für die Gesundheit.

"Leinsamen sind für mich die erste Empfehlung, was Omega-3-Fettsäuren anbelangt. Im Natur-Leinsamen sind noch mehr Ballaststoffe und Vitamine enthalten als im verarbeiteten Leinöl. Aber Leinöl schmeckt auch wunderbar, zum Beispiel zu Kartoffeln. Man sollte es allerdings im Kühlschrank aufbewahren, sonst wird es schnell ranzig und verliert seine positive Wirkung."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Auch Chiasamen, die wegen ihrer hochwertigen Inhaltsstoffe häufig als Superfood bezeichnet werden, enthalten Omega-3-Fettsäuren. Sie werden allerdings zumeist in Lateinamerika angebaut und haben dementsprechend lange Transportwege hinter sich.

"Ich lehne Superfoods nicht grundsätzlich ab. Aber was ist das Gesunde an Chiasamen? Genau das, was in Leinsamen drin ist: Ballaststoffe und Omega-3-Fettsäuren. Insofern gibt es eigentlich keinen Grund, dass wir Chiasamen aus Lateinamerika hierher schippern. Wir sollten besser zu regional angebauten Leinsamen greifen."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Fisch enthält ebenfalls Omega-3-Fettsäuren. Allerdings ist häufiger Fischkonsum angesichts der Überfischung der Weltmeere keine nachhaltige Lösung.

"Ich empfehle Fisch inzwischen nicht mehr als Omega-3-Quelle. Wenn knapp acht Milliarden Menschen zwei bis drei Mal wöchentlich Fisch essen sollen, dann ist das einfach nicht umsetzbar. Deswegen gehe ich weg von dieser Empfehlung und sage: Mit Leinsamen, Nüssen und Grünblättrigem können wir auch eine große Menge Menschen mit gesunden Omega-3-Fettsäuren versorgen."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Omega-3-Fettsäuren sind besonders zahlreich in grünblättrigen Nahrungsmitteln enthalten – von Spinat über Rucola und Mangold bis zum Blattsalat, aber auch in Seegras, also Algen.

"Der Fisch holt sich das Omega-3 aus den Algen. Deswegen empfehle ich, statt Fisch Produkte mit Algen und Seegras zu essen. Es gibt jetzt glücklicherweise mehr und mehr Algen-Angebote. Und wenn man Fleisch isst, sollte man mehr Wild verzehren. Denn Wildtiere fressen ja auch Frisches und Grünes, deswegen enthält ihr Fleisch auch mehr Omega-3-Fettsäuren."

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Einfach ungesättigte Fettsäuren kommen in zahlreichen Pflanzenölen wie Oliven-, Sonnenblumen- oder Rapsöl vor. Aber auch Nüsse (außer Walnüsse) und Saaten oder Avocados sind reich an einfach ungesättigten Fettsäuren.

"Man sollte allerdings beachten: Wenn der Konsum in den reichen, westlichen Ländern für ein in Mode kommendes Lebensmittel wie die Avocado ansteigt, dann kann das für die Anbauländer ökologisch und sozial nachteilig sein. Da ist bei der Avocado einiges schiefgelaufen. Dennoch würde ich sagen: Ein bisschen Avocado, das ist gesund und durchaus vertretbar."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, auf regionale Produkte zurückzugreifen, etwa auf Haselnüsse, im südlichen Raum auf Mandeln und Pistazien oder auf Kerne und Saaten aller Art.

"Ich finde es in den mediterranen Ländern immer toll, wenn ich in einem spanischen oder italienischen Supermarkt bin: Dort findet man große Regale mit lauter Nüssen und Samen zum Knabbern. Dort isst man das ganz natürlich nebenbei – und das ist eine tolle und gesunde Fettquelle."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Häufig werden fettreiche Nahrungsmittel mit einer konzentrationsfördernden Wirkung in Verbindung gebracht: Studentenfutter, das vor allem aus verschiedenen Nüssen und Kernen besteht, soll beispielsweise beim Lernen helfen. Walnüsse haben eine ähnliche Form wie das menschliche Gehirn. Deswegen könnte man annehmen, dass sie die Denkleistung fördern.

"Aber so explizit kann man das nicht sagen. Es ist auf der anderen Seite jedoch relativ gut erforscht, dass gesättigte Fettsäuren zu einer starken Beeinträchtigung der Wachheit und der Konzentration führen. Denn sie schädigen die Darmwand. Man spricht dann von einer Darmbarriere-Störung. Wenn man eine fettreiche Mahlzeit wie einen Braten zu sich nimmt, gehen Giftstoffe, die der Darm eigentlich fernhalten möchte, über ins Blut. Und diese Toxine verursachen dann das berüchtigte Suppenkoma. Man wird davon müde und träge."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Eine Zeit lang war eine fettreiche Ernährung regelrecht verpönt. Inzwischen wird auch immer wieder eine sogenannte ketogene Ernährung propagiert, bei der man wenig Kohlenhydrate, dafür aber viel Fett und Eiweiß zu sich nimmt.

"Mit einer solchen Fett-Kur kann man kurzfristig gut abnehmen, weil der Stoffwechsel angekurbelt wird. Aber langfristig ist das nicht gesund. Denn wer viel Fett und Eiweiß isst, nimmt weniger andere Nährstoffe auf. Und wir wissen, dass das Wichtigste für die Gesundheit eine ballaststoffreiche, pflanzliche Kost ist. Wer Gewicht reduzieren möchte, kann für einen begrenzten Zeitraum ketogen essen, aber das ist keine gute Idee für eine Dauerernährung."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Grundsätzlich ist es zwar sinnvoll, regelmäßig hochwertige Fette wie Omega-3-oder einfach ungesättigte Fettsäuren in den Speiseplan einzubauen. Aber aus evolutionärer Sicht braucht der menschliche Körper Fett nicht in größeren Mengen. Die Ururahnen des heuteigen Menschen vor hunderttausenden Jahren haben sich sehr fettarm ernährt.

"Damals aß man hin und wieder fettarmes Wildfleisch. Nüsse musste man sammeln und erst einmal aus der Schale bekommen. Und auch die heutigen Naturvölker – von Okinawa bis zum Amazonas – ernähren sich fettarm. Sie sind extrem herzgesund und haben fast keinen Krebs. Die Fettanteile in ihrer Nahrung liegen bei fünf oder sechs Prozent, manchmal bei zehn Prozent. In der westlichen Welt sind es in der Regel 30 Prozent und mehr. Hier sieht man: Wenig Fett in der Ernährung ist durchaus vorteilhaft für die Gesundheit."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Die Naturheilkunde legt beim Blick auf Fett in der Ernährung vor allem Wert darauf, die Natur als Ganzes mit einzubeziehen. Öle und Nussmuse schmecken gut und sind überall erhältlich, sind aber dennoch stark verarbeitete Produkte.

"Die Naturheilkunde ist eine Evolutionsmedizin, wo man einfach sagt: Wir sollten uns klarmachen, dass man schon ziemlich viele Oliven auspressen muss, bis man einen Liter Olivenöl oder Walnussöl bekommt. In der Natur müsste man sehr, sehr viele Nüsse essen, um einen vergleichbaren Inhalt aufzunehmen. Bei dieser Betrachtung wird deutlich: Öle und Nussmuse sind köstlich, aber sie sollten bewusst und nicht in großen Mengen konsumiert werden."

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Aus naturheilkundlicher Perspektive sollte man auch beim Konsum von Fleisch oder Milchprodukten differenzieren. Gesünder – gerade auch was den Fettanteil betrifft – sind die Tiere, die sich auf natürliche Weise, also nicht von Industriefutter, sondern von Gräsern ernähren.

"Es gibt eine sehr spannende Studie der Universität Zürich, in der man industriell hergestellten Käse mit dem Käse von Schweizer Almkühen verglichen hat. Das war ein Riesenunterschied. Das Fett-Profil war ein komplett anderes. Denn die Almkuh frisst natürlich den ganzen Tag frisches Gras und Blumen, dann befindet sich auch mehr Omega-3-Fett in ihrer Milch. Man muss sich also bei der Diskussion über Fett in der Ernährung klarmachen, dass es zum Schluss oft ökologisch wird."

Prof. Dr. Andreas Michalsen