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Moderne Medizin für moderne Alte Geriatrie im Wandel

Die moderne Geriatrie fragt: "Was ist möglich?" Und nicht mehr: "Was ist kaputt?"

Von: Uli Hesse

Stand: 14.07.2020

Ein älterer Herr trainiert an einem Gerät in einem Geriatriezentrum. | Bild: picture-alliance/dpa

Nicht nur Senioren haben inzwischen ein ganz anderes Selbstverständnis als noch vor 20 Jahren. Auch die jüngeren Altersmediziner behandeln ihre Patienten und Patientinnen inzwischen viel mehr auf Augenhöhe.

Neues Patientenbild in der Geriatrie

"Früher war der Ansatz: Ich werde alt, was kann ich nicht mehr? Heute betont man die positiven Seiten: Ich werde alt. Trotzdem habe ich keine motorischen Einschränkungen. Oder: Ich sehe und höre noch gut, meine Sinneseinschränkungen sind geringer als erwartet. - Und das sind die Ressourcen anhand derer wir entscheiden: Wo müssen wir ausgleichen und Hilfe leisten?"

Dr. Peter Euler

Zu Beginn jeder Behandlung macht der Geriater eine Bestandsaufnahme und ermittelt: Welche Fähigkeiten sind noch erhalten? Wo liegen die Defizite? Dadurch entsteht ein viel umfassenderes und vor allem positiveres Bild, das sich an den noch vorhandenen Funktionen orientiert. Dabei fließen nicht nur Diagnosen ein, sondern auch Krankheitsfolgen.

"Betroffene können sich beispielsweise fragen: Hat der Schlaganfall mir das Gehen komplett genommen oder kann ich noch gehen, wenn auch mit Einschränkungen und kürzere Wegstrecken?"

Dr. Peter Euler

Neues Selbstverständnis der Senioren

Wer altert, zahlt für ein höheres Lebensalter immer auch einen gewissen Preis. Je älter jemand wird, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit für Einschnitte, mit denen der- oder diejenige leben muss. Denn der mit dem Altern verbundene Abbauprozess hat natürlich Folgen. Wer das akzeptiert und damit positiv umgeht, wird das Altern weniger negativ wahrnehmen.

Realistisch bleiben

"Wenn ich aber sage, 'ich will hundert Jahre alt werden, aber ich will kerngesund dabei bleiben', wird das natürlich nicht funktionieren, weil ich dann immer wieder einfach feststelle: Beides geht nicht. Und das wird oft negativ wahrgenommen. Bei Menschen, die schon ein ganz hohes Anspruchsdenken an die körperliche Leistungsfähigkeit mitbringen, macht es sich bemerkbar, dass sie wesentlich mehr Probleme haben mit den damit verbundenen Einschränkungen zu altern, als die anderen, die einfach sagen 'Ja, ich bin jeden Tag dankbar, den ich noch lebe.' Das ist eine grundsätzliche Einstellung." Dr. Peter Euler

Unterschied zwischen Stadt und Land

Auch in ländlichen Regionen verschieben sich natürlich die Rollen. Dennoch leben dort immer noch vergleichsweise mehr Menschen im Familienverbund und unterwerfen sich stärker den klassischen Rollen als in der Stadt. Die Großeltern leben beispielsweise im "Austragshäusl", werden von der Familie versorgt und kümmern sich um die Enkel.

"Die Lebenssituation von älteren Menschen in der Stadt sieht ganz anders aus: Eine 85-jährige Künstlerin aus München zum Beispiel war bis zu einem Sturz noch selbstständig und hat nach einem Beinbruch ganz hohe Ansprüche an sich selbst, dass sie die frühere Lebenssituation wiedererlangt."

Dr. Peter Euler

Auch das Bild vom Altern unterscheidet sich in der Stadt und auf dem Land. Auf dem Land ist es eher traditionell geprägt: Menschen denken, sie werden alt, zunehmend gebrechlich und fallen ihren Angehörigen manchmal zur Last.

In der Stadt ist das Rollenbild vielfältiger, Senioren denken eher: 'Ich bin alt, aber aktiv und selbständig.' Daher wollen sie autonom und ohne Einbußen leben und fühlen sich gleichgestellt zu jüngeren Menschen. Alte Menschen in der Stadt haben ein ganz anderes Selbstbewusstsein und daher auch ein anderes Anspruchsdenken ans Altwerden.

Neues Rollenbild des Geriaters

Auch das Bild des Altersmediziners hat sich gewandelt: Er bestimmt nicht mehr und legt fest, wie es zu laufen hat. Sondern heute hat er zwar das medizinische Fachwissen, aber er – oder sie - agiert als Berater für denjenigen, der die Entscheidungen trifft, nämlich der Patient oder seine Familie.


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