Bayern 2

Coole Coups Hommage an den Filmemacher Klaus Lemke

Das Bayerische Feuilleton erinnert an einen ewigen Rebellen, eine Schwabinger Legende, einen Straßen-Cowboy - Klaus Lemke. Am Donnerstag, den 7. Juli 2022, ist der Kult-Regisseur im Alter von 81 Jahren in München gestorben. In dieser Sendung aus dem Jahr 2015 kommen u.a. Cleo Kretschmer, Wolfgang Viereck, und Christine Zierl alias Dolly Dollar zu Wort.

Von: Friedemann Beyer

Stand: 09.07.2022 | Archiv

Klaus Lemke beim Opening vom 34. Filmfest München 2016 im Mathäser Filmpalast | Bild: picture-alliance/dpa/Petra Schönberger/Geisler-Fotopress

Seit über fünfzig Jahren gehörte Klaus Lemkes Leben dem Film: als Autor, Darsteller, Regisseur, Produzent und Cutter. Mehr als fünfzig Filme hat Lemke veröffentlicht. Ebenso viele hat er abgebrochen und verworfen. Lemkes Karriere kannte alle Höhen und Tiefen einer erfolgsgetriebenen Branche.

"Naja, der Klaus is für mich wirklich so ein Asphalt Cowboy, so ein Revoluzzer auch. Der lasst sich nix g'fallen, hat halt seine eigenen Ideen."

(Dolly Dollar)

"Man könnte ihn eigentlich mit dem Rattenfänger von Hameln vergleichen. Er hat was von einem Rattenfänger. Man folgte ihm ganz gern. Er brauchte noch nicht mal auf seiner Flöte zu blasen."

(Wolfgang Fierek)

"Der Klaus ist eine gespaltene Persönlichkeit, denn er ist auf der einen Seite ein einsamer Wolf, auf der anderen Seite aber auch der Leitwolf, der immer auch das Rudel um sich herum braucht, obwohl er in der Mitte von seinem Rudel immer allein ist."

(Cleo Kretschmer)

Bildergalerie zu Lemkes Leben

Seit fünf Jahrzehnten in Schwabing verwurzelt

Im Mai 2015 - kurz vor den Aufnahmen zum Bayerischen Feuilleton - begannen die Dreharbeiten zu Klaus Lemkes 46. Film. Arbeitstitel: "Unterwäsche-Lügen". Schauplatz: Die Münchner Maxvorstadt und Schwabing. Wo sonst? Hier wohnte Lemke seit mehr als fünf Jahrzehnten, hier lagen seine filmischen Universitäten, hier entdeckte er Iris Berben, Dolly Dollar, Wolfang Fierek und Cleo Kretschmer, hier kannte er sich aus.

Schwabinger Kult-Lokalitäten: Café "Capri" und die "Klappe"

"Café Capri war zunächst mal ein kleines spießiges Café direkt neben der Buchhandlung Lehmkuhl, wo absolut niemand hinging. Chef war Mister Del Faro, ehemals Chef-Barman auf einem italienischen Ocean Liner. Der hatte das nicht gern, wenn man an der Bar stand, aber hinsetzen wollte sich in dem Café auch niemand - in diese merkwürdige kleinbürgerliche italienische Atmosphäre."

(Klaus Lemke)

"Du hast dich ja nur ins Capri reinstellen brauchen, da sind ja die zukünftigen Stars ein und aus gelaufen, waren tolle Leute dabei. (…) Aber so in den 70er Jahren hat München wirklich geleuchtet, da war echt was los. Der Klaus war damals immer nur mit seiner Männergruppe unterwegs, das waren alles bärenstarke Typen, immer nur in Lederjacken, in Jeans und standen dann zu fünft am Tresen im Capri, und da musst‘ ich mich durchsetzen. Ich hab‘ mich dann einfach dazwischen gestellt und war halt auch da."

(Cleo Kretschmer)

"Im Capri benahm man sich ja anständig. Dann ging man später über die Leopoldstraße - und da war man schon in der Klappe, auf dem Minenfeld. Die Klappe war das Gegenteil vom Capri."

(Klaus Lemke)

Klaus Lemke über den Kult-Punk-Club "Klappe"

Lemkes Werk polarisierte

Doch so häufig die Milieus, die Darsteller, oder die Formen seiner Filme gewechselt haben mögen: Lemke ist sich über die Jahre erstaunlich treu geblieben. Ein Künstler mit Prinzipien. Ein Künstler, dessen Werk aber auch immer polarisierte. Denn Lemke galt manch einem als Dilettant, als ewiger Jungfilmer, dessen krude Erzeugnisse keinen Gestaltungswillen verraten. 

Dass Lemke das etablierte Filmgeschäft ablehnte, staatliche Förderung bekämpfte und für sich einen Kurs radikaler Unabhängigkeit verfocht, machte ihn zum Außenseiter, zum ewigen Rebellen des deutschen Films.

Der Regisseur gehörte in den 1960er Jahren zur ersten Riege des Deutschen Autorenfilms und erlangte später mit Kult-Komödien wie "Amore", "Ein komischer Heiliger" oder "Rocker" weit mehr als lokale Berühmtheit.

Bis zuletzt arbeitete der Älteste unter den Jungfilmern am liebsten mit Laien und verfocht ein Prinzip radikaler Unabhängigkeit. Das Ergebnis: Filme so spontan, locker und unverbraucht wie das Leben selbst.

Wiederholung der Sendung "Coole Coups - Der Filmemacher Klaus Lemke" aus dem Jahr 2015 anlässlich des Todes von Klaus Lemke am 7. Juli 2022.

DVD-Tipp:

"Rocker" - Zweitausendeins Edition Deutscher Film 3/1971

  • Darsteller: Gerd Kruskopf, Hans-Jürgen Modschiedler, Paul Lyss, Dennis O. Heinrich
  • Regisseur(e): Klaus Lemke
  • Produzenten: Hans Kaden, Willi Segler
  • Studio: ZWEITAUSENDEINS
  • Produktionsjahr: 1971
  • Spieldauer: 85 Minuten

Filmographie:

  • 1965: Kleine Front
  • 1966: Henker Tom
  • 1966: Ein Haus am Meer (Kurzfilm)
  • 1967: 48 Stunden bis Acapulco
  • 1967: Negresco****
  • 1969: Der Kerl liebt mich – und das soll ich glauben? (Drehbuch)
  • 1969: Brandstifter
  • 1970: Mein schönes kurzes Leben
  • 1970: Ein großer graublauer Vogel (Darsteller)
  • 1971: Liebe, so schön wie Liebe
  • 1971: Supergirl – Das Mädchen von den Sternen (Darsteller)
  • 1972: Rocker
  • 1973: Sylvie
  • 1973: Okay S.I.R. – Der letzte Schrei (Darsteller)
  • 1974: Paul
  • 1975: Teenager-Liebe
  • 1976: Idole
  • 1977: Moto-Cross
  • 1977: Sweethearts
  • 1978: Amore
  • 1978: Ein komischer Heiliger
  • 1979: Der Allerletzte
  • 1979: Arabische Nächte
  • 1980: Flitterwochen
  • 1981: Wie die Weltmeister
  • 1982: Der Kleine
  • 1982: Stadtwölfe
  • 1986: Bibo’s Männer
  • 1989: Ein verhexter Sommer
  • 1993: Die Ratte
  • 1995: Das Flittchen und der Totengräber
  • 2000: Die Leopoldstraße kills me (Doku)
  • 2000: Running out of Cool
  • 2001: Never go to Goa
  • 2003: Last Minute Jamaika
  • 2005: 3 Minuten Heroes
  • 2005: Träum weiter, Julia!
  • 2005: Undercover Ibiza
  • 2006: Die Quereinsteigerinnen (Darsteller)
  • 2006: Finale
  • 2006: Polizeiruf 110 – Er sollte tot (Darsteller)
  • 2008: Dancing with Devils
  • 2010: Schmutziger Süden
  • 2011: 3 Kreuze für einen Bestseller
  • 2012: Berlin für Helden
  • 2014: Kein großes Ding
  • 2016: Unterwäschelügen
  • 2017: Making Judith!
  • 2018: Bad Girl Avenue
  • 2018: Neue Götter in der Maxvorstadt
  • 2020: Ein Callgirl für Geister
  • 2021: Berlin Izza Bitch!
  • 2022: Champagner für die Augen – Gift für den Rest