Ende der Welt - Die tägliche Glosse Von Geldsäcken und Goldbarren
Bargeld lacht nicht nur, es grinst auch manchmal dreckig. Z.B. in den Räumen einer Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Und wenn „Reichsbürger“ auf Goldbarren und Silbermünzen sitzen, hilft nur eins: Radikale Digitalisierung des Zahlungsverkehrs. Eine Glosse von Gregor Hoppe.
Im Hof eines Mailänder Prominentenkindergartens stehen zwei fünfjährige Mädchen in ihren adretten Nerzmäntelchen beieinander. Fragt die eine: „Sind deine Eltern eigentlich auch in dieser sozialistischen Partei?“ Antwortet die andere: „Nein, wir waren schon vorher reich.“
Dieser Witz beschreibt den Anfang der Neunziger Jahre, als in Italien ein bis dato beispielloser Schmiergeldskandal das Parteiengefüge aus Sozialisten, Christdemokraten und Kommunisten hinwegfegte. Damals ertappte die Staatsanwaltschaft manche Schmiergeldnehmer dabei, als sie gerade versuchten, große Mengen von Bargeld in ihrer Badewanne zu verbrennen, ins Sofa einzunähen oder aufzuessen.
Dieses typische Berufsrisiko des Hehlers – „wohin mit der Sore, wenn die Polente vor der Tür steht?“ – scheint nun auch an der Spitze des EU-Parlaments aufzutreten. Hunderttausende Euro in bar, in Plastiktüten höchst flatterhaft untergebracht, künden, in den Räumen einer stellvertretenden Parlamentspräsidentin, von hoher Beweglichkeit in Angelegenheiten politischer Repräsentation.
Auf der zutiefst unbeweglichen Seite dieses Spektrums freilich, nämlich bei den selbsternannten „Reichsbürgern“, findet sich auch haufenweise Geldwertes, allerdings in Form fester Goldbarren und klingender Silbermünze. Dies deutet, wenn wir unseren Richard Wagner richtig verstanden haben, zurück auf die staatsbürgerliche Verfasstheit eines Hagen von Tronje, der den Hort des Nibelungen im Rhein versenkt, dann eine Finanzkrise im Königreich Burgund beklagt und daher zur Eroberung weiter Gebiete im Osten rüstet.
„Gold und Silber lieb ich sehr“
Natürlich muss sich eine Gruppe, die sich jedweder Gegenwart grundsätzlich und ganz und gar verschließt, auch wappnen gegen Geldentwertungen und Währungsreformen, die sich in der Wartezeit ergeben können, bis Kaiser Rotbart lobesam aus dem Kyffhäuser heraufsteigt, um alle urdeutschen Stämme wieder zu vereinen. Ab diesem glücklichen Tag ist dann natürlich krisensicheres Edelmetall gefragt wie nie zuvor. Wahrscheinlich hatten die Original-Nazis in dieser verzweifelten Hoffnung gegen Kriegsende ihre Barren und Münzen mittels diverser Flugzeuge in verschiedene Seen versenkt. Mit Orden überhäufte Parteibonzen liefen im Flüsterwitz unterm NS-Regime nicht umsonst als „Goldfasane“.
Der entsetzliche Studenten-Gassenhauer „Gold und Silber lieb ich sehr“ brachte schon hundert Jahre vor der Machtübertragung an Hitler Gold und das Idealbild des Bundes Deutscher Mädel zueinander: „Doch viel schöner ist das Gold / das vom Lockenköpfchen / meines Liebchens niederrollt / in zwei blonden Zöpfchen.“