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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Präkrastinieren

Der Trend ist jetzt alles schon mal auf Vorrat zu erledigen, dann spart man sich nämlich den Stress alles immer gleich erledigen zu müssen. Man räumt zum Beispiel an einem Wochenende den Keller dreimal auf, dann braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man ihn dann fünf Jahre zumüllt, denn man hat ja schon drei Mal voraufgeräumt. Das macht der Söder jetzt übrigens auch. Er lässt sich jetzt dreimal auf Vorrat zum Ministerpräsidenten wählen, dann ist’s für ihn stressfreier, wenn er in Zukunft mal nicht gewählt wird. Eine Glosse von Helmut Schleich.

Author: Helmut Schleich

Published at: 17-2-2023

Wie sagt eine alte Handwerker-Weisheit: „Was am Vormittag nicht passiert, passiert nicht.“ Haben hier Maurer, Zimmerer, Fliesenleger und Kollegen vor Urzeiten bereits ein Phänomen beschrieben, das heute unter dem Begriff „Präkrastination“ zum Forschungsgegenstand geworden ist? Das Phänomen nämlich, Dinge möglichst eilig zu erledigen, nur damit sie erledigt sind.

Bedingt, würde ich sagen. Denn mit dem Abhaken von to-do Listen als Sucht hat der morgendliche Eifer am Bau nur am Rande zu tun. Hier geht es eher, dem gesunden Gefühl folgend, um die Aussicht auf eine ruhigere Kugel nach der Mittagspause. Natürlich hat auch das mit dem Belohnungszentrum im Gehirn zu tun, nach dem Motto „guad hammas g’macht, jetzt kauf’ ma uns a Brotzeit.“ Aber zur Diagnose würde das ganze erst, wenn auch der Kauf der Brotzeit als Belastung empfunden und daher losgelöst von der Tätigkeit erfolgen würde, womöglich schon, bevor überhaupt ein Bauauftrag vorliegt.

In der Politik gibt es dieses Phänomen durchaus. Da werden mitunter sogar Probleme extra erfunden, um sie dann als allererster zu lösen. Denken Sie zum Beispiel an das Problem der „letzten Meile“ zwischen U-Bahn und Arbeitsplatz, dass dann wunderbar durch die E-Roller gelöst wurde. Hand auf’s Herz: wer von uns hätte je erkannt, dass das überhaupt ein Problem sein könnte!?

Oder das Problem der sogenannten kulturellen Aneignung? Dass Menschen falsche Frisuren tragen, falsche Musik machen, falsche Gewürze verwenden? Gewürze, die ihnen kulturell gar nicht zustehen. Da muss man erst einmal drauf kommen, dass das ein Problem ist, dass es zu lösen gilt. Das geht nur, wenn man tagaus tagein sorgfältig und gewissenhaft darüber nachdenkt, was man noch erledigen könnte. Das politische Gegenüber zum Beispiel.

Geradezu meisterhaft beherrscht das Markus Söder

Geradezu meisterhaft beherrscht das Markus Söder. Manchmal drängt sich einem der Eindruck geradezu auf, er macht Dinge nur, damit sie einfach mal gemacht sind. Sein Essen fotografieren und ins Internet stellen zum Beispiel. Aber auch sonst entwickelt er eine derart mediale Präsenz, dass man mitunter der Eindruck gewinnt, es gibt mindestens 5 Exemplare von ihm.

Entwicklungsgeschichtlich kommt das Phänomen der Präkrastination von der Gefahrenabwehr. Also stets die Höhle sauber halten, die Faustkeile gespitzt, die Felle im Trockenen, damit man kampfesbereit ist, wenn er kommt, der Säbelzahntiger.

Den gibt es heute nicht mehr, aber das Gefühl, nicht zu wissen, was einen als nächstes erwartet, das ist geblieben und befeuert den hysterischen Eifer. Die bairische Seele neigt in solch aufgeregten Zeiten hingegen eher zu einem entspannten „jetzt schau mer mal, dann seng ma’s scho.“

Eben alles eine Frage der Perspektive.


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