Bayern 2


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Alles magisch

Wenn manche Dinge im Leben einem vorkommen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera - oder besonders gescheiten Leuten wie die Wahl zwischen Skylla und Charybdis - dann hilft doch nur eins: Gar nicht entscheiden, sondern mit magischen Wesen mittendurchsegeln. Eine Glosse von Martin Zöller.

Author: Martin Zöller

Published at: 26-1-2023

Es gibt so ein paar Redewendungen, die ich gerne in meinen Angeber-Wortschatz übernehmen würde. Einigermaßen geklappt hat es schon mit „Chuzpe“, wobei ich danach wegen diesem kehligen „Ch“ immer mehrere Tage Halsweh habe, aber allzu viel „Chuzpe“ hat meine Umgebung zum Glück nicht. Ein anderes Angeber-Ziel ist, künftig statt „Da hast du die Wahl zwischen Pest und Cholera“ zu sagen: „Da hast du die Wahl zwischen Skylla und Charybdis“. Altphilologen können jetzt mal kurz gelangweilt am Kaffee nippen, für alle anderen: Skylla und Charybdis, die nach Expertenmeinung so und nicht anders ausgesprochen werden, waren bei den Griechen Meeresungeheuer, die in der Straße von Messina lebten und egal welcher Seite man zu nah kam: Von einem der beiden wurde man gemeuchelt.

Bei einem Kindergeburtstags-Kaffeetrinken hatte ich jüngst eine ähnliche Wahl und zwar zwischen „Elster“ und „Elsa“. Die eine Seite des Tischs diskutierte über die mit „Elster“ bis 31. Januar abzugebende Grundsteuererklärung. Die andere Seite beschäftigte sich mit „Elsa“, der kitschigen Disney-Eiskönigin, die in Gestalt des vierjährigen Geburtstagskindes durch den Raum schwebte.

Ich entschied mich für Eiskönigin „Elsa“ mit ihren Zauberkräften, denn seit ich kürzlichin einem Wirtshaus in der Münchner Innenstadt irrwitzige Kartentricks vorgeführt bekam, bin ich mir sicher: Das war nicht einfach Zauberei, das war Zauberei! Seither wirkt die Welt auf mich magischer, rätselhafter, das beginnt schon bei der maschinellen S-Bahn-Ansage „Zug wird in Neufahrn (…) geteilt“. Diese unnatürliche Lücke zwischen „in Neufahrn...“ und „geteilt...“, die man am Bahnsteig hört, weckt immer mehr meine Fantasie. Klingt das nicht so, als gäbe es auch andere Möglichkeiten? „Zug wird in Neufahrn (…) von Außerirdischen ins All gezogen“, oder „Zug wird in Neufahrn (…) direkt auf Gleis 9 ¾ nach Hogwarts umgeleitet?“

Please exit the train on the right

Wenn sie sich nun denken: „Mit was beschäftigt der sich eigentlich?“ dann sollten Sie mal das Internet durchsuchen. Zum Beispiel gibt es dort ein Video, in dem jemand eine Kamera in Züge stellt und einfach nur abfilmt, was auf der Anzeige zu lesen und durch die Lautsprecher zu hören ist, also „nächster Halt bla bla bla“ und so weiter. Als Mensch, der neuerdings an Zauberei glaubt, denke ich bei „Please exit the train on the right” natürlich weiter: „Klar, Ausstieg in Fahrtrichtung rechts, weil stiege man links aus, landete man direkt im Ballsaal von Elfen, die an dieser Stelle vor 20000 Jahren lebten und die nach Besiedlung durch die Menschen hier noch einen Zugang zum Ballsaal versteckt haben.“ Alles magisch, klar!

Die Entscheidung fürs Thema „Elsa“ statt „Elster“ war übrigens die absolut richtige für einen Sonntagvormittag. Hätten das die alten Griechen gewusst: Wer Eiskönigin Elsa auf seiner Seite hat, kann ganz entspannt zwischen, Achtung, Angeber-Wortschatz, Skylla und Charybdis, hindurchsegeln.


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