Bayern 2

     

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Bayerische Rathausgeschichten Der Stadt und des Landes Ehre

Fern, abgehoben scheint die Politik heute. Das war nicht immer so. Bis weit hinein in die Neuzeit ereignete sie sich mitten in den Städten: In den Rathäusern. Bayerns Rathäuser sind exemplarisch. Wir zeigen das an drei Beispielen.

Von: Wolf Gaudlitz

Stand: 08.10.2019 | Archiv

Egal ob freie Reichs- oder weniger freie Herzogs- oder Bischofsstadt. Immer waren Städte Mittelpunkt eines Landes. Einem Land, das nun aus urbanem Blickwinkel die Bezeichnung Umland erhielt, während im Zentrum desselben die Musik spielte - im wörtlichen genauso wie im übertragenen Sinn. Und Zentrum des Zentrums: Das Rathaus!

Erbaut von den Bürgern. Die hatten sich zunächst Bürgerrechte erstritten und pochten später immer wieder auf diese altererbten Rechte und Freiheiten, so dass es ihnen immer wieder gelang, manchen Landesfürsten in der Art seiner Machtausübung zu beeinflussen, wenn nicht sogar ihm Schranken aufzuerlegen.

Wir besuchen drei Schauplätze in der sogenannten Provinz, die seinerzeit alles andere als Provinz war. Eine Stadt mit 10.000 Bürgern galt im späten Mittelalter bereits als große Stadt. In solchen Städten schrieb man Geschichte; Geschichte, die nicht nur unser Bayern, sondern mitunter die gesamteuropäische Politik und ihren Wandel prägte. 

1. Station: Straubing

Straubing - Zentrum des reichsten Landstriches Bayerns, dem Gäuboden. Hier galt es nur, das Säen nicht zu vergessen.

"Schaugn'S her! Hier der Stadtturm in der Mitte. Lassen Sie sich von mir versetzen auf ein Schiff: Sie haben das Achterdeck, das Vorderdeck und das Hinterdeck. Und in der Mitte steht der Mast. Und so genau ist auch unser Stadtplatz aufgebaut. Sie haben heroben den Theresienplatz, unten den Ludwigsplatz. Und diese 600 Meter lange Fläche, die wird unterbrochen, unterteilt durch diesen Stadtturm in der Mitte. Und auf der Reling des Schiffes, rundherum werden die schönen Bürgerhäuser meistens draufseitig aufgereiht."

Alfons Huber, Oberstudiendirektor a.D. und Heimatpfleger

Das Rathaus der Römer und späteren Herzogsstadt Straubing ist 2016 abgebrannt. Stolz und Zentrum der Bürgerschaft - ein furchtbarer Verlust.

"Und wir haben wahnsinniges Glück gehabt - wie das Ganze hier in Flammen aufgegangen ist - dass wir diese vier Wände erhalten konnten. Sie müssen sich vorstellen, es fehlten ja die Verankerungen, mehr oder weniger. Des hat also alles zum Wackeln angefangen und die Turmspitze, die Bekrönung, hat ma scho runter mit'm Kran, weil ma befürchtet hat, dass diese Fassade einstürzt. Der Putz is innen von den Wänden heruntergebrochen durch die Hitze. Das ganze Ziegelgerippe der Mauer konnte man also deutlich sehen am 26. November 2016. Jetzt ha'ma 19. Aba mir Straubinger wolln unser Rathaus wieder haben."

Alfons Huber, Oberstudiendirektor a.D. und Heimatpfleger

 2. Station: Sulzbach-Rosenberg

Das alte Sulzbach in der Oberpfalz ist zwar viel kleiner als Straubing aber enorm geschichtsträchtig und - bürgerstolz.

"Sie hören ja schon, wie vor'm Rathaus der 'Geschichtsbrunnen' plätschert. Das sagt im Prinzip schon aus, dass die Quellen der Geschichte in Sulzbach reichlich sprudeln. Da ist auch ein Oktogon. Ganz kurz zusammengefasst, was in wesentlichen Schritten die Stadtgeschichte ausmacht: Da ist der Graf Berengar aus'm Hochmittelalter; da ist das Anna-Fest dargestellt; die Sulzbacher und die Rosenberger 'Kirwa' darf natürlich nicht fehlen! Die seidelsche Druckerei - die jüdische Druckerei! - mit ihren Schriften; Pfalzgraf Christian August mit seinem Hofkanzler Knorr von Rosenroth; der Bergbau in Sulzbach und in Rosenburg; die Rosenberger Burg mit dem Hammerwerk, dem Rosenberger Hammer."

Stadtheimatpfleger und Kirchenorganist Markus Lommer

An der südöstlichen Seite des langgezogenen mittelalterlichen Marktplatzes thront seit über 500 Jahren mächtig das Rathaus. Im weitläufigen Erdgeschoss standen dem Volk die Türen offen für Gespräch und Marktgeschehen, in den oberen Stockwerken wurden die Amtshandlungen vorgenommen. Jetzt - historische Stille.

"Ja hier im Rathaus befinden wir uns mitten in der Spätgotik des 15. Jahrhunderts. Baubeginn 1456. Man hat vielleicht an die zehn Jahre vielleicht an die 8.000 Gulden verbaut. Wir sind jetzt hier oben im ersten Obergeschoss … Die Landschaftsstube! Oder die Landrichter-Stube. Des war der ranghöchste Staatsbeamte in der Stadt, der Vertreter des Landesherren. Der hat bei uns im Hause gewohnt und hier ist er zu Gericht gesessen. Da is knapp unterhalb der Bohlen-Balkendecke - die dürfte so vielleicht knapp 1468 datieren - da steht der Richterspruch noch auf Latein: 'arbiter patienter audit, benigne respondet, rem justae judicat'. Also der 'arbiter' ist der Richter, der Schöffe, der Schiedsrichter, er soll 'patienter' also 'geduldig zuhören, gütig antworten und die Sache gerecht entscheiden' - 'arbiter patienter audit, benigne respondet, rem justae judicat' - Ja und das hat jeder gesehen, der anwesend war bei Gerichtssitzungen. Und das war die Maß, die Latte, der Maßstab für den Richter, der drunter g'sessen is."

Markus Lommer, Stadtheimatpfleger und Kirchenorganist

3. Station: Bamberg

In Bamberg, der Traumstadt der Deutschen, steht das wohl am meisten "unterwanderte" Rathaus Bayerns, Deutschlands - vielleicht sogar der Welt. Zwischen sechs und sieben Millionen Menschen gehen im Jahr unter dem bürgerlichen Zentrum der Welterbestadt durch.

"Da es ja die Stadtteile miteinander verbindet, ganz viele Bamberger, die hier drüberlaufen. Alle die im Berggebiet wohnen, müssen auf die Insel hierrüber. Alle die auf der Insel sind und ins Berggebiet wollen - also es ist ja für die Fußgänger mit der unteren Brücke zusammen Hauptverkehrsweg. Und um 1900, das muss man sich mal vorstellen, dass da eine Straßenbahn durchfuhr. Die passte gerade durch den Torbogen durch. Und die fuhr den Kaulberg hoch bis zur Karmeliten Kirche und da wendete sie und fuhr wieder zurück. Der Vorteil der Lage war im Wasser. Wenn es einen Stadtbrand gab, war es nicht wirklich feuergefährdet, weil ja immer Wasser dazwischen war. Wenn irgendwelche komischen feindlichen Truppen aufkreuzten, mussten sie auch erst mal durchs Wasser. Und ich glaube, In der Hauptsache war's die feuerfeste Lage, weil in dem Turm auf der Rathausbrücke früher auch das Archiv war. Und für ein Archiv war es ja immer ganz praktisch, wenn es auch einigermaßen brandsicher untergebracht war. Also man da immer ein massives Gebäude dafür genommen, und im Fluss ist natürlich noch ein zusätzlicher Schutz."

Heimatpflegerin Stephanie Eißing

Das Bamberger Rathaus, ein Repräsentationsbau für selbstbewusste, wohlhabende Bürger, um den zahlreichen Klerikern der Stadt zu zeigen: Schaut her, wir sind auch wer, Bamberg ist nicht bloß Bischof. Denn in barocker Zeit witzelte man in nächstgelegenen protestantischen Städten, wie in Erlangen und natürlich in Nürnberg schon einmal, dass die Bischofsstadt so viele Kirchtürme habe wie Einwohner. Da war das bürgerliche Rathaus ein Manifest.

"Jetzt sind wir im Ratssaal, das ist der repräsentativste Raum hier im Rathaus natürlich. Hier wird heute noch getagt, im kleineren Rahmen, wenn kleinere städtische Empfänge sind oder irgendwelche Veranstaltungen. Und in diesem Barock-, eigentlich Rokokoambiente - das ist der 'Rokokosaal' - können sie auch heute noch heiraten, wenn sie möchten. Es kostet auch ein bisschen mehr als im schlichten Standesamtsaal im Neuen Rathaus, aber es hat natürlich einen gewissen Charme. Man hat quasi von drei Seiten Licht und einen wunderbaren Blick auf Klein-Venedig oder das Dach der Dominikaner Kirche. Sie haben eine reichstuckierte Rokokodecke weiß in weiß - einen Riesenkronleuchter, Spiegel an der Wand, große Gemälde vom gleichen Maler, der auch das Haus von außen bemalt hat, dem Johannes Anwander; mit biblischen Szenen, die alle mit Rechtsprechung oder Gnadengesuchen zu tun haben. Auf der Rückseite dann der große Kachelofen und in der Mitte der Bamberger Stadtritter aus dem Wappen mit der Standarte und dem Deutsch-Ordenskreuz und dem Schild. Und auf der Rückseite haben sie dann lauter gemalte Medaillons mit Familien aus Bamberg, die Ratsherren gestellt haben. Deren Wappen. Das ist was Typisches für Ratshäuser: die Wappenschilder der Patrizierfamilien oder wichtigen ratsfähigen Familien, dargestellt über ihre Wappen."

Heimatpflegerin Stephanie Eißing

Bayern ist ein Land voller Städte, großer und kleiner, armer und reicher. Der Städter ist da hineingewachsen, eigene, freie Wege zu gehen und seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Grundhaltung, zu glauben, dass alles Heil von oben kommt und deshalb auch gleich die Hand aufgehalten werden darf, ist ihm fremd und auch zuwider. Diese Einstellung hat Bayern geprägt.

Subsidiarität ist das Denken von unten nach oben. Demokratisch strukturiert und gegen jeden Untertanengeist gerichtet, der es grundsätzlich zulässt, dass von oben nach unten durchregiert wird. Der Städter kann sich seinen individuellen Freiheiten nicht entziehen, genießt Selbstverantwortung. Stadtluft macht frei.


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