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90 Jahre Umberto Eco Im Namen der Rose gegen den Faschismus

Umberto Eco wollte einen Mönch vergiften. Am Ende schuf er mit „Der Name der Rose“ einen globalen Bestseller, der kräftig austeilte – gegen die Kirche, faschistisches Denken und Esoterik. Nebenbei löste das Setting des Romans einen Mittelalter-Boom aus, der bis heute nachhallt. Eco wäre am 5. Januar 90 Jahre alt geworden.

Von: Laura Selz

Stand: 04.01.2022 | Archiv

Umberto Eco mit Hut im September 2015  | Bild: imago

Als Umberto Eco am 5. Januar 1932 geboren wird, befindet sich Europa in der Krise. Mal wieder. Es herrschen Massenarbeitslosigkeit, Imperialismus, Rassenlehre. Zum raren Schönen, das 1932 zu bieten hat, gehören die ersten Filmfestspiele. Währenddessen aber wird in Deutschland die NSDAP erstmals stärkste Fraktion im Reichstag. Und in Italien steht der Faschismus unter Mussolini auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Umberto Eco, als er 1980 "Der Name der Rose" verkauft.

Eco wächst mit den Reden Mussolinis auf und wird Antifaschist. Er durchschaut das menschliche Bedürfnis nach Feindbildern, den intellektuell verkleideten Antisemitismus, die Sehnsucht nach Dogma. Er glaubt, dass der Faschismus kein historisches Phänomen sei, sondern eher ein psycho-soziales. Eco wird ein international anerkannter Wissenschaftler. Seine "Einführung in die Semiotik" von 1968 ist bis heute das Standardwerk aller Linguisten. Als Professor für Semiotik an der Universität Bologna schreibt er über 50 Bücher. Dann denkt er sich: Warum nicht mal ein Krimi?

Der Professor im Kloster

"Ich wollte einen Mönch vergiften", schreibt Eco später in seiner Nachschrift. "Ich glaube, Romane entstehen aus solchen Ideenkeimen, der Rest ist Fruchtfleisch, das man nach und nach ansetzt."

Eine Kriminalgeschichte in einem Kloster also. Ursprünglich denkt Eco an einen zeitgenössischen Mönchs-Detektiv, der die linksradikale Zeitschrift "Il Manifesto" liest. Um aber biografische Ähnlichkeiten und damit Unannehmlichkeiten zu vermeiden, verlagert er die Geschichte ins Mittelalter. Immerhin ist Eco auch Experte der Mediävistik.

Was passiert also, wenn ein Experte für Zeichenlehre und Mittelalter einen Roman schreibt? Dem Feuilleton ist das Buch zu überladen. Zu kryptisch. Ein Professorenroman. Aber das Publikum liebt den Stoff und das Buch wird ein globaler Bestseller.

Wie viele Metaebenen gibt es?

Der Roman ist voller Easter Eggs. Wer will, der findet. Jeder wird mitgenommen und zieht seine eigenen Antworten aus diesem Kosmos an Anspielungen auf Literatur und Philosophie. Was die berühmte, postmoderne "Intertextualität" anbelangt, hat sich Umberto Eco in "Der Name der Rose" komplett ausgetobt.

In der Romanverfilmung spielt Sean Connery die Vernunft.

Die Storyline der unheilvollen Verkettung von Ereignissen, eine Anspielung auf Agatha Christie. Der Name des Detektivs, William von Baskerville, eine Anspielung auf Sherlock Holmes in "Der Hund von Baskerville". Der Name des Bibliothekars, eine Anspielung auf Jorge Luis Borges. Schöpfer der "Bibliothek von Babel" und einer der Stars der Postmoderne.

Der Titel, eine Anspielung auf Shakespeare. Romeo fragt "Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften." Und Eco, König der Metaebenen, lässt seinen Protagonisten antworten: "Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen."

Der Mittelalter-Boom der 80er

Ecos Entscheidung, das Setting ins dunkle Mittelalter zu verlagern, löst 1980 einen Mediävistik-Boom aus. Es kommt die Zeit für Romane wie "Die Nebel von Avalon" und Musik-Hits wie "Gregorianische Gesänge Volume I bis IV".

Der Kriminalroman aber ist eine Satire auf das esoterische Denken. Die Helden sind zwei Aufklärer in einer Welt der Dogmen. Naturwissenschaftlich lösen sie die Mordfälle. Die Morde wiederum geschehen, damit ein ketzerisches Buch geheim bleibt. Und zwar der zweite Teil der Poetik von Aristoteles, in der es um die Komödie geht. Die Kirche hat Angst, dass dieses aufs Lachen hin angelegte Drama den Menschen die Gottesfurcht nimmt. Also wird gemordet. Das ist ja ganz klar.

Lachen gegen Faschismus

Das düstere Mittelalter wird vorgeführt. Gelehrte fragten sich damals in heiligem Ernst, ob Jesus Witze kannte. "Stehen zwei Fischer am See..." Vielleicht? Oder ob die heilige Jungfrau Maria lächelt oder lacht. Das waren schwierige Fragen, herzhaftes Lachen galt als Gotteslästerung. Erst in der Neuzeit, nach der Wiederentdeckung altgriechischer Schriften, wurde das Lachen als menschlich akzeptiert. Das Dogma der Kirche verlor an Kraft.

Das ist also das Ergebnis, wenn ein antifaschistischer Semiotik-Professor einen Krimi schreibt. Wer möchte, liest den Roman politisch. Umberto Eco war bis zu seinem Tod im Jahr 2016 überzeugt, dass das faschistische Denken keine historische Phase sei. 1995 sagt er in seinem Vortrag "Der ewige Faschismus": "Der Ur-Faschismus kann in den unschuldigsten Gewändern daherkommen. Es ist unsere Pflicht, ihn zu entlarven und mit dem Finger auf jede seiner neuen Formen zu zeigen – jeden Tag, überall in der Welt."

"Der Name der Rose" gibt es ab sofort als Hörspiel im BR Podcast.