Chemie des Backens Wie ein Glutennetzwerk von alleine entsteht
Gluten hat mittlerweile bei vielen einen schlechten Ruf. Doch das Eiweißnetzwerk aus Gluten ist ein natürlicher Bestandteil von Weizenmehl und entsteht ganz ohne Zusätze, einfach indem man einen Teig knetet und ihn ruhen lässt. Ach ja - dahinter steckt natürlich: Chemie!
Gluten - ohne das Eiweißnetzwerk gäbe es keinen elastischen Pizzateig oder luftige Windbeutel. Das Schöne daran: Damit es entsteht, muss man eigentlich wenig tun, sagt Nikola Schwarzer, Autorin und Chemikerin aus Freiburg. Dazu hat sie sich ein Experiment ausgedacht:
"Zunächst mischt man drei, vier Esslöffel Mehl mit Wasser und verknetet das zu einem einfachen, glatten Teig, den wir aber nur ganz kurz kneten."
Dr. Nikola Schwarzer, Autorin und Chemikerin
Gluten entsteht durch intensives Kneten
Eiweiße im Mehl verbinden sich unter Zugabe von Wasser und beim Kneten zu einem elastischen Glutennetzwerk.
Am eindrücklichsten geht dieses Experiment mit dem gängigen Weizenmehltyp 405. Den Teigklumpen zerteilt man dann in zwei Teile. Der nächste Schritt: Die eine Hälfte in Wasser auswaschen. Dazu braucht man eine Schüssel und ein Sieb. Beides hält man unter den laufenden, kalten Wasserhahn. In das Sieb kommt der Teig, den Nicola Schwarzer energisch auswäscht, bis das aufgefangene Wasser in der Schüssel durchsichtig bleibt. Der Teig zerbröselt dabei, wird viel weniger und es wird vor allem die Stärke aus ihm herausgewaschen.
"Was übrig bleibt, ist vor allem das Gluten."
Dr. Nikola Schwarzer, Autorin, Chemikerin
Gluten besteht aus verschiedenen Eiweißen, die sich unter Zugabe von Wasser durch Kneten und Ruhen von selbst zu einem Netzwerk verbinden. Die erste Teighälfte wurde nur kurz geknetet. Wenn man ihn vorsichtig auseinanderzieht, reißt er schnell, hat eine Struktur wie Rührei. Es hat sich nur wenig Gluten gebildet. Mürbeteig ist übrigens so ein kurz gekneteter Teig. Hinzu kommt: Fett. Das umhüllt die Eiweiße noch zusätzlich, so dass sich noch weniger Gluten bilden kann. Dann bleibt der Teig mürbe.
Lange Kneten und Ruhen lassen stärkt das Gluten-Netzwerk
Die zweite Teighälfte knetet Nikola Schwarzer mehrere Minuten. Der Teig wird schnell elastisch und seidig. Auch er wird über laufendem Wasser ausgewaschen und die Dehnungsprobe zeigt: Hier hat sich das Glutennetzwerk schon ausgebildet, man kann den Teig auseinanderziehen und es entsteht eine dünne, elastische Haut. Und das nach nur fünf Minuten intensiven Knetens! Einen Pizzateig kann man übrigens bis zu 20 Minuten kneten.
"Wenn man den Teig nun auch noch ruhen lässt, wird das Glutennetzwerk von ganz alleine noch stärker."
Dr. Nikola Schwarzer, Autorin und Chemikerin
Glutenfreie Mehle
Übrigens: Jedes Mehl hat einen unterschiedlichen Anteil an Eiweißen, das beeinflusst auch die Fähigkeit, Glutennetzwerke auszubilden. Und Vollkornmehl hat zwar diese Eiweiße, die vernetzen sich beim Kneten aber nicht, denn die vermahlenen Schalenteile verhindern das. Andere Mehlsorten haben überhaupt kein Gluten, zum Beispiel Maismehl, und Roggenmehl hat nur wenig Gluteneiweiße. Darum kann man aus ihnen keine elastischen Teige herstellen.