Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Selbstversuch in Japan Verloren im Fremdsein

Ruth Geiersberger allein in Tokyo! Wenn eine bayerische Künstlerin in die weite Welt zieht, um sich auf der Suche nach dem Wunderbaren - und nach der seelenverwandten Schriftstellerin Yoko Ogawa - in einem fremden Land gezielt dem Unbekannten auszusetzen, dann ist das vor allem eines: mutig!

Von: Ruth Geiersberger

Stand: 18.07.2015 | Archiv

Vor Jahren las ich als Sprecherin beim Bayerischen Rundfunk ein paar Zeilen aus einem Buch der japanischen Schriftstellerin Yoko Ogawa:

"'Haben Sie Kummer?'
'Das ist eine schwierige Frage', murmelte ich.
'Ja, ganz bestimmt', sagte der Mann.
'Eine Definition von Kummer fällt mir schwer, Regen im Winter, nasse Stiefel, ein Hund, der im Flur liegt, das alles kann Kummer bedeuten...'"

(Aus 'Schwimmbad im Regen')

Ich wollte mehr lesen, kaufte mir alle Bücher von Frau Ogawa, die ins Deutsche übersetzt waren, las sie alle. Und immer wieder kam es mir so vor, als schreibe sie über das, was auch ich in meiner künstlerischen Arbeit darzustellen versuche. Da sind diese einsamen Frauen in leeren Häusern, die sich mit Dingen als Erinnerungsträgern beschäftigen. Da ist Ding, Stille und Geräusch in einer Intensität beschrieben, wie auch ich sie suche.

Haiku - drei Zeilen, die alles sagen

Wie eine Verbündete

In meinen performativen Arbeiten, die ich auch "Verrichtungen" nenne - wie etwa "hab!Seligkeiten", "Die letzten Dinge" oder "UND JETZT" - lass ich Ogawas Texte dabei sein. Ich fühle mich wie eine Verbündete.

Frau Ogawa schien unerreichbar zu sein

Aber alle meine Versuche, Frau Ogawa zu kontaktieren, scheiterten. Sie lebe sehr zurückgezogen, ganz in ihrer Welt, spreche kein Englisch, lasse niemanden so leicht an sich ran. Und dennoch setzte ich mir in den Kopf, nach Japan zu reisen, um sie zu treffen.

Treffen am letzten Tag

Und dann erlaubt mir ein Arbeitsstipendium des Kulturreferates der Stadt München, tatsächlich nach Japan aufzubrechen. Wochenlang habe ich vergebens versucht, einen Gesprächstermin zu bekommen. Einen Tag vor meiner Abreise erreicht mich die ersehnte Nachricht: Frau Ogawa freut sich auf ein Treffen mit mir ...

Begegnung in der Stille des Lärms dieser Welt

Die ganze Reise wird eine Begegnung der besonderen Art – geprägt von Verlorenheit und Geborgenheit zugleich.

Wer ist man, wenn man nichts mehr versteht – und doch versteht?

Was passiert, wenn sich Zwei treffen, die in entgegengesetzten Weltgegenden und verschiedenen Disziplinen Ähnliches erforschen und entdecken – in der Stille des Lärms dieser Welt?

Ruth Geiersbergers japanische Impressionen

Werke von Yoko Ogawa in deutscher Übersetzung (Auswahl):

"Das Geheimnis der Eulerschen Formel" - Roman
"Das Ende des Bengalischen Tigers" - Roman
"Das Museum der Stille" - Roman
"Schwimmbad im Regen" - Erzählungen

Alle genannten Titel sind erschienen im Programm der Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München.


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