Bayern 2

Ausbildung an den Kunstakademien Ist das Netzwerk wichtiger als die Kunst?

An den Kunstakademien wird den Studierenden große Freiheit gewährt. Aber ist das die richtige Vorbereitung auf ein Berufsleben? Müssten Steuerrecht und Marketing nicht verpflichtende Inhalte sein?

Von: Marlene Thiele

Stand: 15.07.2021 | Archiv

Eine Studentin der Kunsthochschule in Halle: Bereiten die Kunstakademien auch gut auf das Berufsleben vor? | Bild: Hendrik Schmidt/ZB/picture alliance

Kalas Liebfried hat die Münchner Akademie der Bildenden Künste vor zwei Jahren verlassen. Der Berufsstart lief "ganz gut" für ihn, wie er sagt. In der Kunstwelt heißt das: Stipendien und bezahlte Residencys zahlen erst einmal den Lebensunterhalt. Planungssicherheit gibt es nicht: "Wie lange kann man noch von Stipendien und Bewerbungen leben, naja bis 35 ungefähr geht das meiste. Und dann weiß man, ok, das Stipendium bekomme ich jetzt ein halbes Jahr. Das ist ein ziemlicher Luxus und dann bekomme ich gar nichts mehr. Krieg ich hier noch die Gage, wird die Ausstellung verschoben. Das ist so psychischer Stress der permanent läuft, zumindest bei mir."  

Das Engagement der Lehrkräfte ist entscheidend 

Ein Kunststudium führt nicht in die Festanstellung – das ist klar. Schon das Studium unterscheidet sich massiv von dem anderer Fächer. In den beiden bayerischen Kunstakademien in München und Nürnberg studiert man im Klassenverband. Jede Klasse wird von einem anderen Professor bzw. Professorin geleitet. Die Klassen sind im stetigen Fluss: Jedes Jahr kommen neue Studenten dazu, jedes Jahr machen einige Diplom. "Man lernt voneinander. Manche Professorinnen und Professoren sind da auch sehr kuratorisch tätig, indem wie die Klassen zusammengesetzt wird", sagt Kalas Liebfried. "Also ein Stefan Huber (Künstler und Professor in München, Anm. d. Red.) war immer so drauf, dass er gesagt hat: Ich brauch einen, der der handwerklich geschult ist, dann jemand, der gar nichts kann und dann jemand, der total in neue Medien unterwegs ist und gar nichts von Bildhauerei weiß."  

Die Klasse trifft sich in der Regel einmal pro Woche und bespricht einzelne Arbeiten. Ein paar Pflichtveranstaltungen gibt es – der Rest ist Selbstorganisation. Wer zum Arbeiten in die Werkstätten kommen möchte, kommt, wer lieber daheim bleibt, bleibt daheim. Kalas Liebfried: "Man organisiert sein Studium komplett selbst. Das heißt, es wird einem kein Lehrplan. Man kann Seminare besuchen, die theoretisch sind, man kann sehr viele praktische Projekte mitmachen. Das entspricht etwa dem Leben danach, weil man sich auch selbst organisieren muss. Man muss aber auch sagen, dass die Akademie, wenn man das nicht kann, auch nicht als beruflich Ausgebildeter entlässt."  

Ohne zweites Standbein geht es nicht 

Steuerrecht, Netzwerk, Ausstellungspraxis – all das sollten die Klassenprofessoren einem beibringen, sagt Gabi Blum. Sie hat 2014 ihr Diplom gemacht und arbeitet ebenfalls als freie Künstlerin: "Ich glaub da gibt’s große Unterschiede. Natürlich, die meisten Professoren nehmen ihre Studenten mit, forcieren, dass man sich mehr unterstützt. Also unser Professor hat das sehr viel gemacht. Der hat auch wahnsinnig geschimpft, wenn jemand von uns eine Ausstellung hatte und keiner kam. Aber das macht nicht jeder Professor, aber ich finde, das wäre wichtig, dass das mehr gemacht wird. Und, dass man als Professor, wenn man selbst eine Ausstellung hat, dann die Künstler auch mitnimmt und vielleicht einer Galerie vorstellt."  

Vor dem Kunststudium hat Gabi Blum eine Ausbildung zur Grafikerin gemacht. In dem Beruf arbeitet sie immer noch freiberuflich – und empfiehlt ein solches Standbein auch jedem anderen angehenden Kunststudenten: "Weil es sinnvoll ist, bevor man sich für eine freie künstlerische Tätigkeit entscheidet, eine Ausbildung zu machen. Dass man irgendwie schon eine Lebenserfahrung hat und ein bisschen Knowhow, auf das man zurückgreifen kann. Weil man einfach nicht davon ausgehen kann, dass man von einer freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit leben kann."   

Ein Drittel verdient 1100 Euro monatlich

Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2019 deutschlandweit rund 123.000 Personen als bildende Künstler tätig. Ein Drittel davon verdiente pro Monat weniger als 1100 Euro. Ein weiteres Drittel kam auf maximal 2000 Euro. Ein Einkommen also, mit dem man gerade in einer teuren Stadt wie München keine großen Sprünge machen kann. Für den Kunstmarktexperten Magnus Resch liegt das Problem vor allem bei den Akademien: 

"Das schlimme ist ja, dass Kunstakademie überall auf der Welt es verpasst haben, ihre Studenten auf das wirkliche Leben vorzubereiten. Hier existiert immer noch eine romantische Idee, dass man den Studenten ja Freiraum geben muss und Werkzeuge zur Verfügung stellt, damit sie ihre Ideen entfalten. Das ist alles okay, aber was fehlt, ist jegliche Vermittlung von Marketing, Branding, Verkaufstools, Online-Präsenz und so weiter."  

Das Netzwerk ist wichtiger als die Kunst 

Resch hält Vorlesungen an den Universitäten Yale und St. Gallen. Vor kurzem erschien sein Buch "How to become a succesful artist" – wie man ein erfolgreicher Künstler wird. Das Buch basiert auf einer Studie, die Resch vor anderthalb Jahren im Science Magazine veröffentlicht hat. "In diesem Paper konnte ich – zusammen mit meinen Co-Autoren der Harvard-University zeigen, dass der Erfolg eines Künstlers nicht davon abhängt, was er macht, also was er malt oder welche Skulpturen er erstellt, sondern wen er kennt. Das Netzwerk eines Künstlers ist also viel wichtiger als die eigentliche Kunst." Dafür haben die Buchautoren die Karrieren von 500.000 Künstlern analysiert.  

 "Das interessante ist, dass es ganz viele Netzwerke im Kunstmarkt gibt. Das kennt jeder Künstler, jeder Künstler hat ein lokales Netzwerk, ein nationales Netzwerk und im Zweifel sogar ein internationales Netzwerk. Um wirklich erfolgreich zu werden, gibt es aber nur ein Netzwerk, das zum Erfolg katapultiert und dieses Netzwerk ist in New York."

Gute Kunst oder gutes Marketing?

Doch wie definiert sich eigentlich Erfolg? Dafür gibt es mehr als einen Parameter. "Gute Kunst und schlechte Kunst existiert nicht. Was existiert, ist gutes Marketing und schlechtes Marketing. In meinem Buch erkläre ich also, wie man das richtige Marketing macht. Wie positioniert man sich auf Instagram. Wie positioniert man seinen Online-Auftritt. Wie schreibt man ein gutes Artist-Statement. Wie lernt man Galeristen kennen, wie lernt man Sammler kennen. Wie schreibe ich eigentlich ein Press-Release. Wie konstruiere ich einen Vertrag mit einem Galeristen oder einem Kunden, der möchte, dass ich bei ihm zuhause ein Kunstwerk aufhänge."  

Und auch ein Künstler, der in New York nicht bekannt ist, kann sein Auskommen finden. "Man muss entscheiden was für einen selbst wichtig ist. Möchte man auf dem Markt erfolgreich sein, da spielen sehr viele Zufälle eine Rolle. Möchte man lokal erfolgreich sein, das heißt neue Strukturen schaffen zum Beispiel. Erfolg ist nicht Bekanntheit."  

Ein Beitrag aus dem Kulturjournal – den Podcast können Sie hier abonnieren.