Die '68er Revolte an der Münchner Kunstakademie
Friedemann Beyer unternimmt eine Zeitreise in die späten, turbulenten 60er Jahre der Münchner Kunstakademie und lässt Protagonisten des damaligen Aufbruchs zu Wort kommen, ebenso ehemalige Professoren und andere Zeitzeugen.
"So als Grundgefühl damals fanden wir die Gegenwart bescheuert, also in dem Sinne: Da muss was geändert werden! Aber wir fanden die Zukunft schön, und wir wollten dafür was tun."
(Günter Frenzel)
"Wir hatten ja diese These aufgestellt: Kunst ist der Zuckerguss auf dem Scheißhaufen des Kapitalismus!"
(Frank von Sicard, 1967-1972 Student an der Münchner Kunstakademie)
"Ich hab das wirklich schön in Erinnerung, orgiastisch! Das war irgendwie einfach ein Riesenhappening."
(Rita Mühlbauer, Malerin und Illustratorin, 1963-1969 Studentin an der Münchner Kunstakademie)
"Die Parole 'Phantasie an die Macht!' war irgendwann groß an den Wänden hier gestanden."
(Wolfgang Schikora, Künstler, 1965-1971 Student an der Münchner Kunstakademie)
"Ich habe gesagt, kann doch jeder malen wie er will, wenn wir aber eine Demonstration haben, gegen den Vietnamkrieg, verlang ich, dass er die zwei Stunden mitlatscht."
(Wieland Sternagel, Künstler, 1965-1971 Student an der Münchner Kunstakademie
"Die brisanteste Mischung ist die aus politischer Aggression und Pornographie. Das lockt jeden bayerischen Politiker sofort hinterm Ofen hervor. Insofern war das hohe Kunst, wenn man das unter diesem Gesichtspunkt sieht. Das heißt, man lässt die stärkste Sau raus."
(Thomas Zacharias, 1966-1995 Professor für Kunsterziehung an der Münchner Kunstakademie)
Ein Ort pulsierender Begegnungen, Diskussionen, Happenings und Feste
Zu einem Brennpunkt des politisch-gesellschaftlich Aufbruchs wurde die Münchner Kunstakademie um das Jahr 1968. Sichtbares Zeichen dafür war die Verwandlung des altehrwürdigen Gebäudes in einen Ort pulsierender Begegnungen und Diskussionen, der Happenings und Feste. Was mit einem Teach-In von Studierenden gegen professorale Privilegien begonnen hatte, weitete sich nach dem Attentat auf Rudi Dutschke und der geplanten Notstandsgesetzgebung der Großen Koalition zu umfassenden Protesten aus. Der Lehrbetrieb kam nahezu zum Erliegen, die Akademie wurde zu einem Aktionszentrum der Außerparlamentarischen Opposition.
"The art of protest" an den Wänden der Akademie
"The art of protest" kippte in Gewalt und Vandalismus um
Der Protest an der Akademie war freilich auch von einer Art Dauerpartystimmung geprägt. Fast täglich fanden Konzerte, Theater- und Filmvorführungen statt, wurden neue künstlerische Formen ausprobiert. Neue Pop-Gruppen wie "Amon Düül" oder "Embryo" spielten auf in dieser Phase des Experiments, der gelebten Utopie.
Eine flüchtige, bald vergangene Episode: aufgrund chaotischer Zustände infolge studentischer Stör- und Zerstöraktionen verfügte das Bayerische Kultusministerium Anfang 1969 die vorübergehende Schließung der Akademie: The art of protest war in Gewalt und Vandalismus umgekippt; die Party war vorbei. Und wirkte dennoch lange nach …
Friedemann Beyer sprach mit Protagonisten des damaligen Aufbruchs sowie ehemaligen Professoren und anderen Zeitzeugen. Musik und Tondokumente von damals ergänzen die Sendung über die turbulenteste Zeit der Münchner Kunstakademie seit ihrer Gründung im Jahr 1808.
Buchtipps:
Branko Senjor. 60er Jahre - Umbruchsjahre: Fotografien aus der Münchner Kunstakademie
- Herausgeber: Walter Grasskamp, Birgit Joss, Akademie d. Bildenden Künste
- Broschiert: 80 Seiten
- Verlag: Deutscher Kunstverlag; Auflage: 1., Aufl. (1. August 2006)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3422066624
- ISBN-13: 978-3422066625
200 Jahre Akademie der Bildenden Künste München
- Autoren: Nikolaus Gerhart, Walter Grasskamp, Florian Matzner
- Gebundene Ausgabe: 592 Seiten
- Verlag: Hirmer; Auflage: 1 (1. Mai 2008)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3777442054
- ISBN-13: 978-3777442051
- Größe und/oder Gewicht: 25,3 x 5,8 x 31,1 cm