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Alpenglühen Lichtzauber in den Bergen

Morgen- oder Abendrot, Eisnebelhalos, Glorie oder Airglow – das sind alles natürliche Lichtspiele, die magisch und nicht wirklich greifbar sind. Dazu noch das durch Menschen gemachte Licht wie ein beleuchtetes Bergkreuz oder die Berg- und Gedenkfeuer.

Von: Chris Baumann

Stand: 16.06.2021 | Archiv

Das König-Ludwig-Feuer am Abend vor seinem Geburtstag. Am 24.August leuchten in Oberammergau, im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, die Berghänge. Der felsige Hausberg Kofel hat von Haus aus mit etwas Fantasie die Form einer Krone, die dort dann auch leuchtet. Die römische Zwei gegenüber am Hebammsberg am Hang des Aufackers, auch ein L für seinen Anfangsbuchstaben ist daneben am Kircheck zu sehen.

Das dazu abgeschossene Feuerwerk lässt den Kofel in Grün und Rot erstrahlen. Für Einheimische eine Nacht, in der gefeiert wird. Für Besucher ein unvergessliches mystisches und zugleich märchenhaftes Schauspiel.

So ein besonderes Schauspiel bietet aber auch die Natur selbst. Wenn die Sonne hinter den Berggipfeln verschwindet, scheinen sie beim Abendrot in Flammen zu stehen. Die Farben reichen von grellem Orange bis ins tiefe Blutrot.

"Das entsteht durch das langwellige Rot, Blau und Grün. Das wird bei sehr tief stehender Sonne durch den langen Lichtweg durch die Atmosphäre herausgefiltert, und je tiefer die Sonne steht desto intensiver wird das Rot.
Wenn wir dann noch zusätzliche Aerosole in der Luft haben, also  Wassertröpfchen oder auch Saharastaub, dann wird das Licht zusätzlich gestreut und der Rotanteil wird sehr intensiv und spiegelt sich sozusagen in den Bergen wider. Insofern ist Alpenglühen natürlich am besten dann zu sehen, wenn es tagsüber geregnet hat beziehungsweise im Herbst, wenn es sehr dunstig ist und sehr viele Wassertröpfchen in der Luft schweben."

Claudia Hinz, Technische Assistentin für Meteorologie

Ein kurzes Spektakel. So schnell, wie der Himmel zu brennen scheint, so schlagartig erlischt das Feuer auch wieder.

Altes Brauchtum

Im Allgäu wird der Winter in manchen Gegenden durch Funkahexafeuer ausgetrieben. Das Licht soll den Winter zum Rückzug bewegen. In Bad Hindelang im Oberallgäu wurde der Brauch erstmals von den Römern 15 vor Christus erwähnt. Hier wird 150 Meter oberhalb des Dorfes am Funkensonntag, das ist der erste Sonntag nach der Fasnacht, dieses große Feuer am höchsten Punkt einer Viehweide angezündet. Der aufgebaute Holzstoß ist mindestens 10 Meter hoch und die Flammen schlagen 30 bis 40 Meter in den Himmel. Dafür benötigen die Ostrachtaler viel Holz.

"Das Holz machen Buben im Alter von neun bis siebzehn Jahren. Das sind die Buben, die auch das Fastnachtsspiel machen. Das ist ein alter Brauch, wo die Buben in bestimmten festgelegten Verkleidungen durchs Dorf ziehen und einen Spruch aufsagen, wo die Geschehnisse des vergangenen Jahres humorvoll und spöttisch dokumentiert werden."

Ulrich Keck, Gemeindearchivar Bad Hindelang

Die Buben beginnen jedes Jahr nach dem Viehscheid am 11.September mit dem Holz machen, das von der Wald- und Weidegenossenschaft zugewiesen wird, allerdings an Stellen, die schwerer zugänglich sind, wo sonst kein Traktor mit Seilwinde hinkommt oder in einem Tobel. Das Holz machen sie …

"mit kleinen Äxten. Hackeln die Bäume um. Das sieht dann aus wie wenn ein Biber am Werk war und ziehen mit vereinten Kräften an Ketten und Stricken des Holz zuerst nach oben und dann nach unten zum Funkenplatz. Ist halt eine sehr mühsame Arbeit. Gibt einen sehr großen Zusammenhalt für die Zukunft."

Ulrich Keck, Gemeindearchivar Bad Hindelang

Beim Aufbau des Turmes am Kreuzbichl helfen dann die Achtzehn- bis Achtundzwanzigjährigen mit. Die Holzstämme bekommen Einkerbungen, damit sie stabil aufeinander liegen. Als Zwischenlage dient Reisig und Feinholz, damit der "Funka" gleichmäßig brennt. An der Spitze steht die Funkenhexe aus Heu mit einem alten Dirndl oder Bluse, Rock und Kopftuch, die den Winter verkörpert.

In Bad Hindelang ist es gelebte Tradition ohne großes Drumherum.
Anders ist es in Unterjoch, das nur sieben Kilometer Luftlinie entfernt liegt.

"Wir machen den Funken ja nicht bloß für uns sondern machen den ja für den Ort. Und dass dann auch Leute kommen richten wir halt dann immer Funkakiachle und Glühwein her, dass das halt ein schönes Miteinander wird."

Alexander Gehring ist seit 14 Jahren beim Funkenholzmachen und aufbauen dabei.

Inzwischen wird der Funka an verschiedenen, abwechselnden Plätzen im 350-Seelendorf aufgebaut. Treibt er den Winter wirklich aus? Da lacht Alexander Gehring und meint es hat auch danach immer wieder mal geschneit.

Schauspiele der Natur

Der Himmel ist durch das Funkafeuer hell erleuchtet. Auch die Natur hält  noch einige Überraschungen mit verschiedenen Lichteffekten für uns bereit. Neben dem Regenbogen, Morgen- und Abendrot gibt es auch den Grünen Strahl, entdeckt vor 135 Jahren.

"In dem Moment, wo der rote Lichtanteil untergegangen ist, sieht man für einen kurzen Bruchteil den grünen, und wenn die Luft sehr sauber ist und man hat Glück sieht man auch noch diesen blauen Lichtanteil oberhalb der Sonne als sogenannten Grünen Strahl. Für einen Grünen Strahl brauchen wir eine Luftmassengrenze mit unterschiedlicher Dichte und die hat man dann, wenn im Herbst die Inversionswetterlagen kommen, also sprich wenn die Münchner im Dauernebel sitzen und auf den Bergen das schönste Wetter ist. Wenn man sich genau über der Inversionsobergrenze befindet, dort wo man aus dem Nebel herauskommt und dann den Sonnenuntergang anschaut, dann wird die Sonne total verzerrt. Das sind Luftspiegelungseffekte an der Sonne."

Claudia Hinz, Technische Assistentin für Meteorologie

Solche Beobachtungen sollte aber niemand mit bloßen Augen machen. Schon eine dunkle Sonnenbrille reicht, um die Augen zu schützen.

Glühen am Nachthimmel

Grün kann auch ein anders Phänomen am Himmel leuchten: Der Airglow. So bezeichnen Astronomen ein schwaches grünes, gelbes, bräunliches oder manchmal violettes oder rotes Leuchten in der nächtlichen Erdatmosphäre. Vor über 10 Jahren haben der Fotograf Bernd Willinger aus Innsbruck und Norbert Span erstmals diese Himmelserscheinung durch Zufall gesehen.

"Da haben wir zuerst gedacht wir haben einen Kamerafehler, weil wir so ein grünes Licht großflächig auf der Kamera gehabt haben, aber dadurch, dass Norbert es auch bei seiner Kamera gehabt hat haben wir geforscht, was das sein könnte."

Fotograf und Airglowjäger Bernd Willinger aus Innsbruck

Das Phänomen war damals noch gar nicht so bekannt. Der Airglow entsteht, wenn UV-Strahlen der Sonne auf die Erdatmosphäre treffen und ionisieren, also Atome von Sauerstoff, Stickstoff und Natrium zersprengen. Diese Teile verbinden sich nach einer gewissen Zeit wieder und dann wird das Nachtleuchten, auch "Airglow" genannt, an dunklen Orten auf der Erde sichtbar.

"Wenns stark ist dann entstehen wirklich so sehr surreale Bilder und das schaut dann aus wie so Farbe im Nachthimmel mit dem Pinsel reingemalt."

Fotograf und Airglowjäger Bernd Willinger aus Innsbruck

Bernd Willinger und Norbert Span haben schon 500 Nächte in den Bergen verbracht, um dem Airglow - den Lichterscheinungen am Nachthimmel - nah zu sein. Einige davon haben sie auch fotografieren können. Dabei ist ihnen im Gschnitztal, kurz vor dem Brenner auf Nord Tiroler Seite, ein besonderes Bild gelungen. Eigentlich wollten sie nur ein Objektiv testen.

"Dann ist von hinterm Berg das Airglow in so Bendings, das sind so 'Schwerewellen'. Da sammelt sich das Licht und das hat ausgeschaut, als ob so eine riesen grüne Hand über den Berg rauf kommt also riesig und extrem stark."

Fotograf und Airglowjäger Bernd Willinger aus Innsbruck

Der Airglow ist auch tagsüber vorhanden, aber auf der Erde nicht sichtbar. Um diese Himmelserscheinung zu sehen, ist Dunkelheit nötig. Besonders leicht geht das in den Bergen und in dunklen Tälern. In Bayern wäre so ein Platz das Lichtschutzgebiet Winkelmoosalm in den Chiemgauer Alpen. Im Gegensatz zum Airglow ist das Polarlicht viel dynamischer mit den bekannten sich bewegenden Farbvorhängen, und es ist mit dem bloßen Auge zu sehen.

Totengedenken und Sonnwendfeuer

Im Ammertal, 350 Meter oberhalb von Unterammergau, am Steckenberg leuchtet zu bestimmten Anlässen ein Kreuz. Das ist eine Tradition des örtlichen Volkstrachtenvereins. Das Kreuz steht dort seit 1946 und wird seit 1949 beleuchtet. Ursprünglich für die verstorbenen, vermissten und gefallenen Kameraden aufgestellt. Die 25 Lampen strahlen übers Tal am Abend vor der Beerdigung eines Mitgliedes des Volkstrachtenvereins, wenn der Rosenkranz gebetet wird, am Kirchweihsamstag und am Abend vor christlichen Feiertagen. Heute wird am Hochbehälter im Tal einfach ein Schalter umgelegt. 2001 wurden 1,5 Kilometer Kabel verlegt. 450 Meter davon mussten mit der Hand eingegraben werden. Am Weg zum Steckenbergkreuz steht linker Hand eine Hütte.

"Das 'Lichthäusl', weil das Aggregat da drin war zur Beleuchtung vom Steckenberg Kreuz. Da hat man schon raufstapfen müssen und hat praktisch das Benzin rauftragen müssen und praktisch das Aggregat aufgetankt."

Jakob Wiedemann, Vorsitzender des Volkstrachtenvereins Unterammergau

Der Wanderweg zum Kreuz wird vom Volkstrachtenverein seit 1967 in Stand gehalten. Auch um das Kreuz kümmern sich die Mitglieder. Ein größerer Aufwand ist es, wenn eine der oberen Lampen am Kreuz kaputt ist, da …

"muss man das Kreuz wieder absenken, damit man dann die Lampe auswechseln kann. Wir waren damals ungefähr so sieben, acht Leute. Man muss es mit Leitern abstützen damit man dann des Kreuz praktisch runter bringt da muss man stückweis die Leitern versetzen, damit es nicht gleich runterkommt, man muss dann die Seitenseile auch heben wo das Kreuz praktisch abgestützt ist."

Jakob Wiedemann, Vorsitzender des Volkstrachtenvereins Unterammergau

Am Kreuz, das wie auf einer Kanzel steht, reicht der Fernblick bis zum Ammersee mit der Erdfunkstelle Raisting, dem Hohenpeißenberg, dem Hörnle und direkt unten im Tal liegt Unterammergau. Von unten ist es sogar noch an einer kleinen Anhöhe nördlich von Schongau bei Hohenfurch in 30 Kilometer Entfernung zu erkennen.

In den alpinen Regionen ist auch der Brauch der Sonnwendfeuer daheim.
In Tirol gehören sie sogar zum immateriellen Kulturerbe. In Grainau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen brennen um den Johannistag  fast zeitgleich die Johannifeuer. Auf dem Berggrat reiht sich, wie eine Perlenkette, Feuer an Feuer vom Waxenstein bis zum Riffelriß und dazu ein großes Kreuz.

"Die Grainauer Pfarrkirche ist geweiht dem Heiligen Johannes dem Täufer und darum macht man eben die Johannifeuer am Vorabend von Johanni bei uns am 23. Juni."

Josef Bader vom Verein zur Erforschung und Erhaltung der Grainauer Ortsgeschichte, dem 'Bär und Lilie e.V.'

Das erste bekannte Johannifeuer war nachweislich 1890 am Eibsee, somit nicht am Berg. Das blieb auch so bis 1927. Das erste Bergfeuer war dann am Mandl, das ist unterhalb vom Kleinen Waxenstein anlässlich der Einweihung der Grainauer Pfarrkirche. Oberhalb von Grainau gibt es für das Joahnnifeuer einen idealen Platz, das ist die so genannte große Sandreiße zwischen den Waxensteinen.

"Da sind dann im Dritten Reich 34 - 37 große Hakenkreuze zum Beispiel gemacht worden, dann sind auch zu allen möglichen Anlässen, zu Jubiläen von den Vereinen, die Jahreszahl groß illuminiert worden. Bei der Jubiläumsfeier von der Feuerwehr zum 100sten Jubiläum 1991, da haben sie einen 45 Meter hohen und 53 Meter breiten Hunderter vorbereitet mit Feuer, aber dann hat’s so geregnet, dass man überhaupt nix gesehen hat."

Josef Bader vom Verein zur Erforschung und Erhaltung der Grainauer Ortsgeschichte, dem 'Bär und Lilie e.V.'

Früher wurden für das Johannifeuer die Böden von Blechdosen mit einem 15 Zentimeter hohen Rand mit Altöl und Putzwolle aufgefüllt, mit Benzin übergossen und angezündet. Die blieben dann dort oben, und im Lauf der Zeit wurden es immer mehr. 1976 fand eine große Aufräumaktion statt. Seither wird ein Sägemehl-Ölgemisch in Plastiktüten eingebunden und angezündet, das mehr oder weniger ganz verbrennt.

Eine natürliche Erscheinung, die besonders gut in den Bergen zu sehen ist, ist der Eisnebelhalo. Der kann auf zwei Arten entstehen.

"Einmal oben im Cirrus. Das sind ganz dünne Schleierwolken. Die ziehen auf, bevor eine Schlechtwetterfront kommt. Sie bestehen aus Eiskristallen und da entsteht häufig ein Ring um die Sonne. Und dann haben wir im Winter die Eiskristalle. Wenn die Temperaturen unter minus 10 Grad sinken, dann kristallisiert die Feuchtigkeit in der Luft aus. Und wir haben dann die Eiskristalle um uns herum schweben. Und dann gibt es rings um sich selbst bunte Bögen und Flecken, und wenn man Glück hat über sich noch einen Heiligenschein. Da gibt es nämlich auch ein Halo, was genau überm Kopf liegt."

Claudia Hinz, Technische Assistentin für Meteorologie

Ähnlich funktioniert das Prinzip einer Glorie. Nur dabei sind es nicht Eiskristalle sondern Wassertröpfchen, die das Farbenspiel erzeugen. Licht in den Alpen ist, egal ob natürlich entstanden oder künstlich erzeugt, ein wahrhaftiges Alpenglühen.


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