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Nahverkehr München Wie die Isarmetropole mobil wurde

40-jähriges Jubiläum feiert der MVG, doch die Anfänge des öffentlichen Nahverkehrs in München reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück - Geschichte und Geschichten rum um den ÖPNV.

Stand: 04.06.2012

  • 1. September 1839
    Münchner Bahnhof 1849 | Bild: DB Museum Fotosammlung

    1839

    München bekommt einen Bahnhof

    Am 7.12.1835 hatte die Dampflokomotive "Adler" ihre Jungfernfahrt von Nürnberg nach Fürth, doch im selben Jahr errichtete ein Kaufmannskonsortium in München den ersten provisorischen Bahnhof für die Strecke München-Lochhausen. Da die einfache Holzkonstruktion viel zu klein war, wurde am 1.9.1839 ein neuer Bahnhof auf Höhe der Hackerbrücke errichtet und am 4.10.1840 die Strecke bis Augsburg eingeweiht. Nach Umbauten und einem Großbrand 1847 wurde der Bahnhof 1848 auf seinem jetzigen Standort von Friedrich Bürklein neu errichtet. Der im Zweiten Weltkrieg beschädigte Bau stammt von 1883.

  • 31. März 1861
    Groschenwagen von 1861 | Bild: MVG-Archiv

    1861

    Die erste Pferde-Tram

    Erste Schienenbahnen auf hölzernen Balken gab es schon im 17. Jahrhundert und daher stammt auch der Name: "Trabes" heißen im Lateinischen die Balken, daraus wurde im Mittelhochdeutschen "träme" und im Englischen schließlich "tram". Die erste pferdebetriebene Trambahn verband 1852 New York mit Harlem. Auf dem Alten Kontinent folgte 1854 Paris und 1860 London. Die ersten deutschen Trams rollten durch Berlin (1865), Hamburg (1866) und Stuttgart (1868). Münchens erste Linienverbindung betrieb ab 1861 der Lohnkutscher Michael Zechmeister vom Bahnhof über den Marienplatz in die Au.

  • 1. Januar 1883
    Dampfbahn von 1899 | Bild: MVG-Archiv

    1883

    München unter Dampf

    Bis 1882 expandierten die Brüder Zechmeister und schufen ein Netz von Verbindungen im Zwölfminutentakt, auf dem Verbundfahrkarten galten. Am 17.2.1882 mussten die Brüder an die neue Trambahndirektion verkaufen. Die seit 22.10.1876 bestehende Konkurrenz der "Münchner Tramway" von Edouard Otlet wurde am 27.7.1882 in die "Münchner Trambahn AG" überführt. Zuvor spielten sich groteske Szenen ab: So sicherten Schaffner die Tageseinnahmen vor einer drohenden Pfändung durch waghalsige Fluchten. Ab 1883 waren die ersten Wagen auf der Route Stiglmaierplatz - Nymphenburg mit Dampfantrieb unterwegs.

  • 25. Oktober 1897
    Elektrische Tram von 1895 | Bild: MVG-Archiv

    1897

    Die Tram wird elektrisch

    Die erste elektrische Tram fuhr seit 1881 durch Berlin. Und auch München hatte bereits seit 1.6.1886 eine private elektrifizierte Tram, die zum "Schwabinger Würmbad" ("Ungererbad") fuhr. Die Linie rechnete sich nicht und wurde 1895 eingestellt. 1891 forderte der Magistrat von der "Münchner Trambahn AG" (MTAG) die Elektrifizierung, doch die lehnte wegen horrender Investitionskosten ab. So kam es 1897 zu einem neuen Vertrag, durch den die Stadt den Trambetrieb übernahm - und in ein finanzielles Disaster führte. Die Elektrifizierung verschlang acht Millionen Mark, 1907 wurde die MTAG liquidiert.

  • 1. Januar 1906
    Historische Aufnahme eines Münchner Stadtbusses, 1906 | Bild: MVG Archiv

    1906

    Busse und Nummern

    Die MTAG betrieb auch eine Omnisbuslinie. Erstmals tauchte der lateinische Begriff "Omnibus" in Paris auf. 1662 hatte Ludwig der XIV. die Einrichtung von "Carosses à cinq sous" befohlen, doch die "Groschenwagen" hielten sich nicht lange. 1823 kam es zur Wiederauflage dieser "Wagen für alle" ("Carosses omnibus"). 1906 bekam auch München ein Busnetz und die Liniennummerierung. Schon 1868 hatte die Polizei eine Kennzeichnung der Wagen mit farbigen Schildern durchgesetzt. Die Nazis kündigten 1933 eine große Reorganisation des Tram- und Busnetzes an, es blieb bei einer drastischen Tariferhöhung.

  • 1. Januar 1946

    1946

    Nach dem Krieg wird's eng in Linie 8

    Nur etwa ein Drittel der Wagen und zwei Drittel des Schienennetzes waren 1945 brauchbar, die Kriegsschäden summierten sich auf 26 Millionen Reichsmark. Da die Isarmetropole zudem beständig anwuchs, herrschte oft drangvolle Enge in den Trams. Unsterblich wurde das Nachkriegsfahrgefühl 1946 durch das Lied "Ein Wagen von der Linie 8" des Münchner Volkssängers Weiß Ferdl (bürgerlich: Ferdinand Weisheitinger), der zur Nazizeit als angepasster Nazi-Derblecker seine größten Erfolge gefeiert hatte: "Ach bitte schön Herr Schaffner, Max-Weber-Platz?" …

  • 28. Januar 1958
    M-Zug am Lenbachplatz 1950 | Bild: MVG-Archiv

    1958

    Eine Karte für alle

    Die neu gegründeten "Stadtwerke Verkehrsbetriebe" reorganisierten rasch das Netz. Als München 1957 die Millionengrenze überschritt, fuhren bereits 108 Busse. Am 11.11.1955 hatte der Stadtrat eine Verlegung des Schienenverkehrs unter die Erde beschlossen, was an der Fianzierung scheiterte. Um das Umland besser anzubinden, ersucht der Landtag am 28.1.1958 die Bayerische Staatsregierung, den Bund, die Bundesbahn und die Stadt, einen "Vororttarif" einzuführen. So sollen schon damals Pendler zum Umstieg bewogen werden. Denn Fahrgäste mussten mit jedem Wechsel auch einen neuen Fahrschein lösen.

  • 25. April 1966
    Olympisches Feuer in München 1972 | Bild: picture-alliance/dpa

    1966

    Endlich eine S-Bahn

    25.4.1966: Im Hotel Excelsior in Rom bekommt München den Zuschlag für die Olympischen Spiele und damit auch eine S-Bahn. Erste Pläne zu einer S-Bahn gab es seit 1837, bereits 1900 fuhren überfüllte Bahnen im 10-Minuten-Takt an den Starnberger See. Deswegen schlug der Direktor der "Localbahn-Actiengesellschaft" 1900 einen Tunnel zwischen Central- (Haupt-) und Haidhauser (Ost-) Bahnhof vor und eine Ring-Linie um München. Einen ersten Anlauf unternahmen die Nazis von 1938 bis 1941, ein Überbleibsel ist der heutige U-Bahnhof "Goetheplatz". Am 28.5.1972 startete die S-Bahn.

  • 1. Januar 1971
    Eröffnung der Münchner U-Bahn 1971 | Bild: MVG-Archiv

    1971

    Üben für die U-Bahn

    Die Spiele brachten den Münchnern auch die U-Bahn. Spatenstich war am 23.8.1964 an der Ungererstraße denn die Behörden hatten beschlossen, erstmal zu üben. Für die Untertunnelungen kam ein "Wolpertinger" genannter Bohrschild in Einsatz, der sich mit vier 500-PS starken E-Motoren durch die "Flinz" bohrte. Die U-Bahn ging am 19.10.1971 in Betrieb. Heute ist das Netz 103 Kilometer lang, sechs U-Bahn-Linien fahren auf drei Stammstrecken insgesamt 96 Bahnhöfe an und transportieren jährlich 360 Millionen Fahrgäste.

  • 1. Januar 1989
    Die ersten Münchner Fahrkarten 1972 | Bild: MVG-Archiv

    1989

    Mal wieder eine Fahrpreiserhöhung

    Zwei Groschen kostete eine Pferdetramfahrt 1861, zur Olympiade 1972 schlug die Einzelfahrt mit einer Mark zu Buche - heute sind es 2,50 Euro. Den einheitlichen Tarif gibt es seit 28.5.1972. Das Problem: Der Fahrpreis muss sofort erkennbar sein, und längere Strecken kosten mehr. Die Lösung sind "Tarifzonen" in konzentrischen Ringen. Die ärgsten Blüten wurden in großen Tarifreformen 1989 und 1999 beseitigt. So gab es früher 141 Zeitkartenzonen, heute sind es 16. Allerdings wurden dabei auch die Fahrpreise um bis zu 100 Prozent erhöht.

  • 20. September 1994
    Truderinger Busloch | Bild: picture-alliance/dpa

    1994

    Katastrophen

    Am 17.12.1960 streifte eine amerikanische Convair auf dem Weg vom Flughafen Riem nach Norfolk in England den Turm der Paulskirche und stürzte auf eine Tram an der Schwanthalerhöhe, 52 Menschen kamen ums Leben. "Fahren sie weg", schrie ein Bauarbeiter noch, doch die Warnung kam zu spät: Am 20.9.1994 öffnete sich um 18.46 Uhr in Trudering die Straße und ein Bus der Linie 192 stürzte mit dem Heck in einen Krater. Drei Menschen starben. Schuld waren Sandrisse in der wasserundurchdringlichen Mergelschicht, durch die Grundwasser in den im Bau befindlichen U-Bahn-Tunnel strömte.

  • 31. März 1998
    Bahnreform | Bild: picture-alliance/dpa

    1998

    Bahnreform

    Höchst umstritten war die Privatisierung der Bahn 1994. Der geplante Börsengang wurde bis heute immer wieder verschoben, auch aufgrund katastrophaler Erfahrungen in England. Ein zentraler Punkt war die Privatisierung im Regionalverkehr. Am 31.3.1998 wurde die Bayerische Oberlandbahn BOB gegründet, die seit 29.11.1998 die Münchner mit dem südlichen Voralpenland verbindet. Vom Hauptbahnhof geht es über den Harras und Holzkirchen in dieselgetriebenen Zügen auf drei Ästen nach Lenggries, zum Tegernsee und nach Bayrischzell. Auch die BOB-Fahrkarten gehören zum Münchner Verbundtarif.

  • 21. Januar 2002

    2002

    "Vom Hauptbahnhof in München in zehn Minuten …"

    Dass Dada und Politik eine fruchtbare Verbindung eingehen können, zeigt Stoibers legendäre Transrapidrede vom 21.1.2002 - stilbildend wie sonst nur Trapattonis "Was erlauben Struuunz"-Philippika. Einfach … äh … anhören!

  • 12. September 2009
    Dominik Brunner | Bild: picture-alliance/dpa

    2009

    U-Bahn-Schläger

    Tragisch ist der Fall von Dominik Brunner, der am 12.9.2009 vier Schüler vor gewalttätigen Jugendlichen schützen wollte und nach heftigen Tritten und Schlägen am Bahnhof Solln an Herzversagen starb. Der Haupttäter bekam eine knapp zehnjährige Haftstrafe wegen Mordes. Weitere Fälle: Am 20.12.2007 schlugen Serkan A. und Spyridon L. einen 76 Jahre alten Rentner am U-Bahnhof Arabellapark halb tot: zwölf beziehungsweise achteinhalb Jahre Haft wegen versuchten Mordes. Hohe Haftstrafen wegen Mordversuches auch für drei Schweizer Schüler nach einer Prügelorgie 2010 am Sendlinger Tor …

  • 11. Dezember 2010
    Regina Wallner | Bild: BR/Anna Hunger

    2010

    Neue Stimme, neue Bahnhöfe

    220 Bewerber folgten 2009 dem Bewerbungsaufruf der Deutschen Bahn für die neue S-Bahn-Stimme. Gewonnen hat BR-Sprecherin Regina Wallner, bekannt aus den Verkehrsmeldungen auf Bayern 1 und BAYERN 3. Sie gibt den Münchner S-Bahn-Stationen ihren oberbayerischen Klang zurück. Die letzten U-Bahnhöfe wurden am 11.12.2010 eingeweiht, seither fährt die U 3 durch bis zum S-Bahnhof Moosach. In Planung ist derzeit eine Verlängerung der U 1 bis Harlaching, der U 4 bis Englschalking, der U 5 bis Bahnhof Pasing und der U 6 bis Planegg. Das wären dann zusätzliche 9 Bahnhöfe.

  • 1. Januar 2012
    S-Bahn-Zug in München | Bild: picture-alliance/dpa

    2012

    Stammstreckendiskussion und kein Ende

    Das S-Bahn-Netz ist an seiner Belastungsgrenze angelangt. Seit 1991 gibt es daher Pläne, das Nadelöhr zwischen Ost-und Hauptbahnhof durch eine zweite Stammstrecke zu entlasten. Allein es fehlt das Geld. Derzeit streiten die Stadt und der Freistaat um eine Finanzierungslücke von 700 Millionen Euro. Laut Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und jahrzehntelanger Verwaltungspraxis müssten sich der Bund und der Freistaat Bayern die Kosten zu jeweils etwa 50 Prozent teilen. Bayern will daher 900 Millionen Euro Zuschuss aus Berlin. Doch der Bund stellt nur 200 Millionen Euro in Aussicht.


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