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Resilienz So trainieren Sie das Immunsystem Ihrer Seele

Das Immunsystem unserer Seele - das ist Resilienz. Und die lässt sich trainieren: So bewältigen wir Krisen besser.

Von: Astrid Hickisch

Stand: 22.11.2023

Hände einer Frau malen einen Flamingo auf ein Bild | Bild: mauritius images / Westend61 / Retales Botijero

Resilienz und Achtsamkeit - Tipps für unseren Alltag

Furcht um die Gesundheit der Liebsten, Überforderung, Stress, Existenzsorgen - all das belastet uns alle stark, zum Beispiel während der Corona-Pandemie oder durch die Nachrichten vom Krieg in der Ukraine. Die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz haben diese Tipps für unseren Alltag:

Informationen aus seriösen Quellen gezielt auswählen, also nur glaubwürdige Quellen wie das Robert Koch Institut (RKI), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder das Bundesgesundheitsministerium oder im Falle des Krieges seriöse Nachrichtenportale wie BR24 oder tagesschau.de zur Beurteilung der aktuellen Lage nutzen. Fundierte medizinische Informationen finden Sie auch unter diesem Link: Dr Google - welche Gesundheitsportale sind seriös. Wissenschaftler empfehlen, auch Nachrichtenpausen einzulegen und sich nicht häufiger als zwei Mal am Tag mit den Nachrichten auseinanderzusetzen.

Hören Sie dazu auch das Gespräch von Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt mit Dominique Knoll auf der Blauen Couch - dort schildert sie auch, dass es wichtig für die eigene seelische Gesundheit ist, mit den Nachrichten aus dem Weltgeschehen bewußt umzugehen, besser Nachrichten im Radio zu hören oder in der Zeitung zu lesen und sich vor Horrorbildern, die sich einem einbrennen, zu schützen:

https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/christina-berndt-biochemikerin-und-journalistin-ueber-die-staerke-der-seelischen-widerstandskraft/bayern-1/12925713/

Wie wichtig sind Routinen für die Resilienz?

Routinen beibehalten oder in neuen Situationen wie zum Beispiel im Homeoffice neue, wohltuende Rituale schaffen. Das kann der symbolische Weg zur Arbeit sein, den man täglich durch den Wald oder den nahegelegenen Park macht, wenn man im Homeoffice arbeitet. Oder ein bestimmtes Frühstücksritual. Routinen auf der einen Seite - Abwechslung auf der anderen. Variationen im Tagesablauf machen gute Laune. Nehmen Sie sich jeden Tag etwas Schönes vor. Zum Beispiel Telefonate mit der Familie oder Treffen mit Freunden.

Tiefenentspannung und Selbstfürsorge in Krisen

Geführte Meditationen über die Handy-App, progressive Muskelentspannung oder Atemübungen - entspannen ist besonders in Krisen wichtig. Überhaupt sogenannte Selbstfürsorge brauchen wir jetzt: Ausreichend viel Schlaf, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung.

Wichtig ist auch, sich Ziele zu setzen. "Ziele bewirken, dass man auch in der Gegenwart positiver lebt", rät Dr. Donya Gilan.

Hören Sie in unserem Blaue Couch Podcast mit Daniel Schmidt, wie sich das Leben anfühlt, wenn man sich nicht an den Vortag erinnert:

https://www.ardaudiothek.de/episode/blaue-couch/daniel-schmidt-lebt-mit-einem-schaedel-hirn-trauma-ueber-sein-leben-ohne-erinnerung/bayern-1/12160497/

Soziale Kontakte brauchen wir für unsere Resilienz

Bleiben Sie in Kontakt - das hilft oft gegen zu pessimistische Gedanken: Telefonieren oder chatten Sie mit Familie und Freunden oder treffen sie sie. Oder trinken Sie im Homeoffice per Videochat einen Kaffee mit Ihren Kollegen und Kolleginnen, tauschen Sie sich aus.

Die Isolation - so Gilan - sei ein sehr belastender Faktor in der Corona-Pandemie gewesen. "Jeder hat da eine Mitverantwortung für die Menschen in seiner Umgebung. Im ersten Lockdown gab es viel prosoziales Verhalten: Die gemeinsame soziale Identität und das Wissen, es geht vielen genau sowie mir, stärkt die Resilienz des Einzelnen."

Annehmen, was nicht zu ändern ist

Die Situation annehmen wie sie ist, das hilft in jeder Krise.

"Es ist normal, sich angesichts der aktuellen Situation ängstlich, traurig, unsicher oder wütend zu fühlen. Eine annehmende Haltung zu entwickeln, ermöglicht Ihnen Energie für andere Bereiche freizusetzen und sich schrittweise von belastenden Gedanken zu lösen."

Leibniz-Institut für Resilienzforschung, Mainz

Dazu gehört es auch, die eigene Lage neu zu bewerten, das Positive daran zu sehen. Die eigene, gemütliche Wohnung, das Glück im eigenen Garten oder die Freude an der Familie. Wer an andere denkt, denen es schlechter geht, der tut etwas für die eigene Zufriedenheit - denn Helfen macht glücklich. Und: Positiv denkende Menschen färben auf ihre Umgebung ab.

Existenzängste - eine Strategie erleichtert

Menschen, deren Existenz bedroht ist, die ihren Job verloren haben, die ihr Unternehmen schließen müssen - diese Menschen brauchen keine guten Ratschläge. Da hilft es nur, die "Sorgen zu Ende zu denken": "Setzen Sie sich daher gemeinsam mit einer vertrauten Person mit dem schlimmsten Szenario auseinander und legen Sie sich eine genaue Strategie zurecht, was Sie tun, wenn dieser Fall eintritt", rät das wissenschaftliche Team aus Mainz.

Das gilt generell in jeder schweren persönlichen Krise, sagt Dr. Donya Gilan: "Bei größeren Problemen kann es passieren, dass man sich durch den Schock in Gedankenketten verhaspelt. Da hilft es aufzuschreiben, welche Möglichkeiten habe ich, wo kann ich mir Hilfe holen und was muss ich tun, Schritt für Schritt. Dann kommt man aus dem Gedankenkarussell heraus. Aktiv bleiben und die Kontrolle behalten."

Resilienz stärken - Tipps

Das können Sie in fünf Minuten für sich tun:

  • Laut den Lieblingssong hören und dazu tanzen
  • Sich schön anziehen und den Lieblingsduft aufsprühen
  • sich eine Wärmflasche und eine schöne Tasse Tee machen
  • einem lieben Menschen eine nette Nachricht schreiben - und ein Erinnerungsfoto schicken - mit "Weißt du noch?"
  • Sich selbst einen schönen Strauß Blumen kaufen
  • Eine Liste aufstellen mit allem, was schön ist im eigenen Leben

Das können Sie generell jetzt für sich tun:

  • Erlebnisse und Erfahrungen in ein Tagebuch schreiben
  • ein kreatives Hobby wiederbeleben oder neu entdecken - Häkeln, Stricken, Malen, Basteln, Singen
  • alte Freunde mal wieder anrufen oder einen Brief schreiben
  • Spazierengehen
  • Hörbücher oder Podcasts hören
  • ein Bad nehmen

Bei Depressionen - Hilfe suchen!

Wenn Sie über einen längeren Zeitraum unter Ängsten, Antriebslosigkeit, Energiemangel, Verzweiflung, Leere und Schlafstörungen leiden, könnte dies zum Beispiel auf eine Depression hindeuten. Holen Sie sich in so einem Fall schnellstmöglich Hilfe und gehen Sie zum Arzt.

Auch bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe finden Sie Informationen und Anlaufstellen.

Rund um die Uhr gibt es zum Beispiel bei der kostenlosen Telefonseelsorge Hilfe: 0800/111 0 111 und 0800/ 111 0 222 / http://www.telefonseelsorge.de.

Resilienz - warum kommen manche Menschen besser mit Krisen zurecht

Das Phänomen, wieso manche Menschen ein glückliches und zufriedenes Leben führen, obwohl sie Schicksalsschläge, Katastrophen oder Krankheit verkraften mussten, beschäftigt die Wissenschaft schon länger. Wer ein gutes Immunsystem der Seele hat, der besitzt viel Resilienz. Diesen Begriff hat sich die Psychologie aus den Ingenieurswissenschaften entlehnt: Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Stoffs nach einer Veränderung wieder in die ursprüngliche Form zurückzuspringen.

Gelassenheit lässt sich üben und Resilienz trainieren

Die Psychologie geht heute davon aus, dass sich unsere Fähigkeit, schwierige Situationen erfolgreich durchzustehen aus bestimmten genetischen Faktoren und unseren Erfahrungen ergibt. Der Schluss daraus: Jeder kann es üben, gelassener durch Krisen zu gehen oder den eigenen Stress zu beherrschen.

"Ein positiver Denkstil führt dazu, auch in einer Krise darüber nachzudenken, was kann ich für mich Positives aus der Situation ziehen. Zum Beispiel über mein Leben reflektieren - was ist wichtig für mich und was will ich ändern."

Dr. Donya Gilan, Leiterin Gesellschaft & Resilienz, Leibniz-Institut für Resilienzforschung, Mainz

Wichtig sei, so Gilan, sich zwar mit den Fakten zu konfrontieren, aber an einen positiven Ausgang zu glauben.

Ältere Menschen sind oft gelassener und besitzen mehr Resillienz

Übrigens profitieren Menschen, die in ihrem Leben schwierige Zeiten gemeistert und vielleicht sogar eigene Strategien dafür entwickelt haben, auch in nachfolgenden Krisen. Sie können sich einfach besser auf neue schwierige Situationen einstellen. Dazu passt auch, dass sich ältere Menschen in Umfragen nicht stärker von der Corona-Pandemie bedroht gefühlt haben als jüngere Menschen - obwohl sie eher gefährdet sind und waren, schwerer an Covid-19 zu erkranken.

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