Bayern 1 - Musik


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Herbert Grönemeyer Der Mensch heißt Mensch

Pianist, Schauspieler, Kritiker, Sänger, Fußballer, Fan - Herbert Grönemeyer ist so vieles. Aber wo zeigt sich der Mensch, der in ihm steckt? Sein Privatleben hat Herbert lange aus den Medien herausgehalten.

Stand: 21.10.2011 | Archiv

Herbert Grönemeyer live | Bild: BR/Markus Konvalin

So außergewöhnlich sei sein Leben nicht, meinte Grönemeyer einmal. Er besitze - wie viele andere auch - eine Zahnbürste, dusche morgens und lese in der Zeitung. Seine Familie wollte er explizit vor den Medien schützen - sie könnte schließlich nichts dafür, dass er Sänger sei. Bis 1998 wussten viele gar nicht, dass er verheiratet war und in seiner Ehe mit Anna Henkel zwei Kinder hatte. Doch dann, gerade als Grönemeyer mit "Bleibt alles anders" erfolgreich zurück war, brach sein Leben zusammen. Innerhalb von einer Woche starben Anna und sein Bruder Wilhelm an Krebs.

"Die Katastrophe war so massiv. Mein Bruder und meine Frau sind in der gleichen Woche gestorben. Das war so übergroß, dass man letztendlich nur davor steht und dass auch ich als Mensch gar nicht in der Lage bin, das zu sortieren."

Herbert Grönemeyer

Herbert Grönemeyer 1994 mit seiner Ehefrau Anna

Anna hatte er 1978 bei den Dreharbeiten zum Film "Uns reicht das nicht" kennengelernt. "Sie kam aus Hamburg und war eine sehr, sehr stolze Person", sagt er. Sie habe wirklich nie gejammert, sondern immer versucht, sehr präzise und Stück für Stück die Momente und das Glück zu leben. Dass er "das mitmachen durfte", war für ihn "ein unheimliches Geschenk". Sie war es, für die er all seine Songs schrieb.

Grönemeyer fand Trost bei seinen Kindern.

Anna und Herbert heirateten 1993. Zusammen bekamen sie die beiden Kinder Felix und Marie. Sie waren erst elf und neun Jahre alt, als ihre Mutter starb. Für ihren am Boden zerstörten Vater wurden sie zum Lebenselixier. "Was aufbaut, ist sicherlich, wenn ich die Kinder sehe. Da habe ich keine halbe Sekunde Zeit, traurig zu werden", erzählt Grönemeyer. Nach Annas Tod zog er sich mit seinen Kindern in London zurück und versuchte, zu einem normalen Leben zurückzufinden.

"Es gibt ja kein Rezept, man weiß nicht, wie man mit so etwas umgeht. Es ist nach wie vor sehr bleiern. Ich versuche, Musik zu schreiben. Doch die ist sehr, sehr traurig. Und ich bin emotional. Zum Teil kann ich viele Emotionen gar nicht aushalten."

Herbert Grönemeyer

Zurück ins Leben

Drei Monate nach Annas Tod ging Herbert Grönemeyer wieder an die Öffentlichkeit - ungewöhnlich offensiv sprach er über seine Trauer und bedankte sich für die Anteilnahme. Es dauerte fast vier Jahre, bis er sein elftes Soloalbum "Mensch" herausbrachte. Er zeigte sich wieder - sehr menschlich, als jemand, der fühlt und denkt wie jeder von uns.

Grönemeyer-Geschichten

Bochum

Lange Grönemeyers "Zuhause": das Schauspielhaus in Bochum

"Bochum, ich komm aus dir" - naja, so ganz stimmt das nicht. Geboren ist Grönemeyer 1956 in Göttingen - seine Eltern lebten zu der Zeit im Oberharzer Städtchen Clausthal-Zellerfeld, bevor die Familie nach Bochum umsiedelte. Er selbst sagt: "Ich bin in Göttingen nur geboren, weil meine Mutter immer ohnmächtig wurde, als sie mit mir schwanger war. Immer, wenn sie sich auf die linke Seite drehte. Aber das glaubte ihr keiner. Und es gab in Göttingen einen Professor. Der war Spezialist und er glaubte ihr auch nicht. Daraufhin hat sie sich hingelegt, ist ohnmächtig geworden und er hat mich dann zur Welt gebracht. Deswegen bin ich in Göttingen zur Welt gekommen." Die meisten Schläge musste Herbert für das Album "Bochum" in Bochum selbst einstecken. Es hieß: "Du bist kein Bochumer, da lügst du dir in die Tasche". Aber Grönemeyer beteuerte damals: "Ich bin doch mit vier Monaten hierher gekommen." Doch die Bochumer haben gesagt: "Das gilt nicht!" Doch für die meisten seiner Fans ist Grönemeyer ein Bochumer, jedenfalls ist er dort groß geworden.

Elternhaus

Aufgewachsen ist Herbert mit seinen zwei älteren Brüdern in einem ziemlich strengen Elternhaus: "Mein Vater hat über sich selber gesagt: hart, aber ungerecht. Das würde ich auch unterschreiben. Meine Mutter war sehr preußisch, mein Großvater war sogar Erzieher am preußischen Hof. Er hat die Kadetten am Hof mit der Peitsche erzogen. Auf der anderen Seite war meine Mutter sehr musisch. Mein Großvater hat Cello gespielt, meine Großmutter war Sängerin. Ich denke, ich bin zwischen Liebe, musischer Zuneigung und ziemlicher Strenge groß geworden." Eigentlich sollte Herbert ein Mädchen werden und Friederike heißen - aber er wurde Herbert.

Erster Kuss

In der Schule zumindest hat Herbert Grönemeyer laut eigener Aussage die Liebe schneller begriffen als den Lehrplan. "In der Schule war meine erste Freundin eine Französin. Das war meine erste große Liebe. Sie war 16, ich 13. Und wir hatten ein Problem: Sie sprach kein Englisch, und ich sprach kein Französisch. Ich wusste nicht, wie man küsst und habe den Mund immer tierisch aufgerissen. Ich glaube, das muss auch so sein. Wir haben nicht viel geredet, aber wir haben uns sehr gemocht."

Fußball

Die aktive Zeit von Herbert Grönemeyer umfasst zehn Jahre Fußball in der Jugendmannschaft. Allerdings spielte er damals nicht bei seinem Lieblingsverein, dem VfL Bochum, sondern bei der innerstädtischen Konkurrenz Victoria Bochum. Bei der WM 2006 in Deutschland sang Grönemeyer bei der Eröffnungsfeier in der Münchner Arena die offizielle WM-Hymne "Zeit, dass sich was dreht". Fußball liegt bei den Grönemeyers in der Familie. Herberts Bruder, der Star-Mediziner Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer, macht sich seit Langem für mehr medizinische Sicherheit für Profis stark. Außerdem ist Herbert Grönemeyers Bruder Dietrich für Borussia Dortmund ein bisschen so etwas wie Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt für die Truppe von Uli Hoeneß. Seit 2003 betreut er mit seinem Grönemeyer-Institut die Bundesliga-Profis des Vereins. Sicher ist: Grönemeyer und sein Bruder sind Fans. Sie lieben Fußball - am liebsten wohl mit Currywurst und Pommes.

MTV unplugged

Herbert Grönemeyer bei MTV unplugged

Als erster deutscher Künstler wurde Herbert Grönemeyer 1994 von MTV-Europe gebeten, unplugged zu spielen - eine Ehre und ein Beweis für seinen besonderen Status in der deutschen Musik-Szene. "Das war eine irre Erfahrung (...) Wir haben angefangen zu spielen, und alle Leute waren so gespannt und so nervös, dass keiner sich traute zu klatschen. Noch nach drei Stücken war alles total verkrampft", erinnert sich Grönemeyer. Um die Verkrampfung zu lösen, rief er ins Publikum: "So, und jetzt fangen wir noch mal von vorne an" - mit Erfolg, die Stimmung löste sich! Wenn Grönemeyer zurückdenkt, fällt ihm vor allem eines ein: "Ich habe nach dem Konzert sehr viel Post bekommen. Von Menschen aus ganz Europa, die gesagt haben, sie hätten sich nicht vorstellen können, dass man sich wirklich eine Stunde deutsche Musik anhören kann!" Unter viel Applaus verabschiedet sich Herbert Grönemeyer für die nächsten drei Jahre. Die Familie steht im Mittelpunkt und die musikalische Suche.

Live-Auftritte

"Ich bin ein Rennpferd", sagt Herbert Grönemeyer über sich selbst. "Ich kann ohne live zu spielen nicht leben." Es gibt für ihn nichts Schöneres. Nach einem zweistündigen Konzert fühlt er sich erst richtig warm. Er hat zu viel Power. Zu Beginn seiner Karriere wollte ihn Starregisseur Peter Zadek zum Joggen schicken, damit er seine überschüssige Energie vor den Auftritten abbaut. Auch bei seinen Texten ist es ganz anders, als viele seiner Fans denken: Die Songs von Grönemeyer sind nicht immer so hintergründig gedacht, wie viele Musikkritiker uns glauben machen wollen. "In meine Texte wird viel zu viel hineininterpretiert", sagt er selbst.

Grönland

Grönemeyer hat ein eigenes Indie-Label gegründet: Grönland Records, bei dem er sich um den Nachwuchs kümmert. Das Label ist für Musiker gedacht, die bei großen Plattenfirmen durchs Raster fallen würden. Bei Grönland soll Arbeiten ohne kommerziellen Druck möglich sein.


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