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Herbert Grönemeyer Leidenschaftlich zum Erfolg

"Mein Traum war immer, dass die Leute sagen, da ist einer, der heißt Grönemeyer, und der macht Musik", sagte Herbert Grönemeyer, als er noch als singender Schauspieler galt. Diesen Traum hat er sich erfüllt.

Stand: 21.10.2011 | Archiv

Herbert Grönemeyer | Bild: picture-alliance/dpa

Mit über 15 Millionen verkauften Platten ist der Musiker Herbert Grönemeyer aus der deutschsprachigen Musik nicht mehr wegzudenken. Dabei ist seine Musik für viele Fans ohne die Texte nicht denkbar. Denn die haben es in sich! Ein richtiger Lyriker, könnte man meinen. Der typische Fall: Mathe: fünf, Deutsch: eins. Falsch! Es war immer umgekehrt: Mathe: eins, Deutsch: fünf! Grönemeyer gesteht: "Ich fand Deutsch grauenvoll und ich war extrem schlecht." Das Texten fällt ihm also wesentlich schwerer, als man vermuten könnte. Beim Komponieren singt Grönemeyer zuerst nur englische Nonsenstexte. Er sieht sich eben vor allem als Musiker. Er braucht den fertigen Song, damit ihm die Worte dazu einfallen. "Die Musik muss komplett fertig sein. Dann spiele ich im Grunde nur noch Klavier. Ich setze oben noch eins drauf. Das ist alles."

Grönemeyer zum Durchklicken - Album für Album

Mit großem Einsatz und viel Leidenschaft hat Herbert seine Karriere als Musiker verfolgt - obwohl er anfangs wenig erfolgreich war. Die ersten Alben floppten, die Konzerthallen blieben leer. Doch Musik war sein Leben. 1979 veröffentlichte er sein Debütalbum "Grönemeyer". Jetzt, 22 Jahre und 13 Alben später, ist "Schiffsverkehr" auf dem Markt. Seitdem hat sich viel getan. Wir erzählen Herberts Geschichte - Album für Album.

Von "Grönemeyer" bis "Schiffsverkehr"

Grönemeyer (1979)

Als 1979 sein Solo-Debütalbum "Grönemeyer" erschien, konnte Herbert Grönemeyer vom großen Erfolg nur träumen. Nur einen Preis bekam er für das Album: "Die Goldene Zitrone" - für das hässlichste Cover des Jahres. Grönemeyer trug damals die typische 70er-Jahre-Haarmatte und sah irgendwie so aus wie das peinliche Führerscheinbild, das man niemandem zeigen will. "Meine erste Platte war ziemlich grausam", sagt Grönemeyer mittlerweile. Er sang vom Alltag ("Guten Morgen"), von der Musik ("Mein Konzert"), von Pompeji ("Pompeji"), von der Liebe ("Julie") und dem Leben ("Spring ins wilde Leben").

Zwo (1981)

Vom Misserfolg seines Debütalbums ließ sich Herbert Grönemeyer nicht entmutigen. Er machte weiter, denn das Musikmachen lag ihm im Blut. Dass man ihn anfangs eher als Schauspieler kannte, täuscht: Sein Künstlerleben hat Herbert Grönemeyer schon mit 13 als Musiker in Bands begonnen, später war er Pianist und dann musikalischer Leiter und Schauspieler am Schauspielhaus Bochum: "Ich bin als Pianist zum Theater gekommen, weil ich in Bochum damals schon als Musiker bekannt war", erzählt er selbst. Neben seiner Arbeit am Theater arbeitete er weiter an seiner Solokarriere. Doch 1981 wurde Album "Zwo" zu Flop Nummer Zwo. Nur 1.500 Stück sollen verkauft worden sein.

Total egal (1982)

Herbert Grönemeyer: "Total egal" | Bild: EMI

Die nächsten beiden Alben "Total egal" und "Gemischte Gefühle" produzierte Edo Zanki für Herbert Grönemeyer. Der formierte in dieser Zeit die eigene Band und fand mehr und mehr zu seinem Stil. Statt Musik und Texte zu übernehmen, komponierte und schrieb Grönemeyer beides zunehmend selbst. "Anna" und "Currywurst" wurden künftige Gröni-Klassiker. Die Plattenfirma schickte ihn auf Tournee. Aber viele Konzerte wurden wegen zu geringen Interesses abgesagt. Der große Durchbruch ließ noch auf sich warten.

Gemischte Gefühle (1983)

Herbert Grönemeyer: "Gemischte Gefühle" | Bild: Intercord (EMI)

Schon damals lautete der Vorwurf: "Der nuschelt nur und singt nicht." Selbst Produzent Edo Zanki war nicht immer glücklich. Doch Grönemeyer setzte seinen Stil durch: "Ich weiß das noch genau. Dann fing Edo Zanki immer an, die Gegensprech-Taste ins Studio zu drücken und zu sagen: 'Sing das noch mal, ich habe das nicht verstanden!' und ich meinte: 'Ist doch völlig scheißegal. Ich meine, ich bin Sänger, ich mache keine Gedichtreise oder so. Ich bin Sänger und ich versuche die Sprache so zu kneten und zu quälen, dass sie mir als Sänger wie ein Instrument eben einfach passt.'" Und es passt: "Musik nur, wenn sie laut ist", der erste Song auf "Gemischte Gefühle", war Herbert Grönemeyers erster amtlicher Hit.

4630 Bochum (1984)

Herbert Grönemeyer: "4630 Bochum" | Bild: EMI

Grönemeyer ließ sich nicht davon beeindrucken, dass sich die Begeisterung bei seinen ersten Alben noch in Grenzen gehalten hatte. Zu Recht: Mit "Bochum", "Sprünge" und "Ö" begannen die fetten Jahre. Sein Alleingang konnte sich sehen und hören lassen. "4630 Bochum" stieg auf Platz eins der deutschen Charts und bleibt insgesamt fast eineinhalb Jahre in den Top 100. Songs wie "Männer", "Alkohol" oder "Flugzeuge im Bauch" sind zu Klassikern der deutschen Popmusik geworden. "Ich wollte eine Band gründen - meine Musiker wollten mit mir keine Band gründen! Die fanden das alles zu riskant und nicht so richtig interessant. Da hab ich Bochum also alleine gemacht", erzählt Grönemeyer.

Sprünge (1986)

Herbert Grönemeyer: "Sprünge" | Bild: Grönland (EMI)

Wie schon auf "4630 Bochum" in den Songs "Amerika" und "Jetzt oder nie" äußerte sich Herbert Grönemeyer im knallpinken Album "Sprünge" politisch. Es war die Ära Kohl. Songs wie "Tanzen", "Lächeln". "Maß aller Dinge" und "Einmal" waren Statements zur Lage der Nation. Klar, dass das die regierende Union wenig freute. Angeblich gab es sogar eine Weisung ans Goethe-Institut, ihn nicht als zeitgenössischen deutschen Künstler vorzustellen. Den Menschen aber sprach Herbert Grönemeyer aus der Seele.

Ö (1988)

Doch auch mit einem Song ohne große Botschaft war Herbert Grönemeyer erfolgreich: "Was soll das?" war der bis dahin größte Hit für Herbert, und das Album "Ö" verkaufte sich millionenfach. Auch "Vollmond" und "Halt mich" wurden zu großen Hits. Die Ö-Tournee wurde ein Triumphzug, 900.000 Fans jubelten ihrem Gröni zu. Der nuschelnde Theatermusiker hatte es geschafft: Er war Popstar!

Luxus (1991)

Nach seiner Platte "Ö" ließ es Grönemeyer etwas langsamer angehen. Keine neuen Songs mehr am Fließband, kein neuer Tournee-Stress. Bis Mitte der 90er-Jahre veröffentlichte er nur zwei Alben: "Luxus" und "Chaos". "Luxus" zeigte laut Grönemeyer einen Anflug von Größenwahn. Er habe auf einer Wolke von Erfolg geschwebt, die Kinder waren da und er habe geglaubt, viel verstanden zu haben: "Das hatte was von sehr viel Glück, und ich dachte: 'Jetzt hat das Leben seinen Lauf.'"

Chaos (1993)

Herbert Grönemeyer: "Chaos" | Bild: EMI

Grönemeyer blieb politisch engagiert. Für sein Album "Chaos" schrieb er mit dem Song "Die Härte" einen der offensten Songs zum Thema Rechtsradikalismus. Wie auch auf seinen anderen Platten ließ er sich die Gelegenheit nicht entgehen, seine Meinung zu sagen. Zwischen gesellschaftskritische Songs mischte er seine Balladen - wie die Songs "Land unter" und "Morgenrot" mit überschwänglichen Gefühlen. Und der Albumtitel? "Leben hat mit Chaos zu tun", sagt Herbert. Und seine Musik ist sein Leben.

Bleibt alles anders (1998)

1998 war Grönemeyer nach einer längeren Pause mit "Bleibt alles anders" zurück. Es war ein passendes Motto für seinen neuen Sound. Eigentlich blieb er sich treu und trotzdem war alles neu. Er selbst erklärte das so: "Ich bin nun mal ein melodieverliebter Mensch und grundsätzlich halte ich die Stücke für sehr eingängig. Nur die Aufbereitung oder die Küche ist einen Tick gewöhnungsbedürftig. Das ist, wie wenn man das erste Mal Sushi isst und sagt: 'Igittigitt, roher Fisch!' Wenn man den Fisch aber entspannt isst, kann es sein, dass man findet: 'Klasse, auf diesen Geschmack habe ich schon immer gewartet!'" Die Fans fanden den neuen Grönemeyer super. Und die ersten Konzerte waren schon wieder ausverkauft. Dann brach die Katastrophe über ihn herein ...

Mensch (2002)

1998 starben nach der Veröffentlichung von "Bleibt alles anders" seine Frau Anna und sein Bruder Wilhelm innerhalb von einer Woche an Krebs. Erst nach und nach gelang es Herbert, zu sich selbst zurückzufinden. Zuerst war seine Musik noch Selbsttherapie, doch dann begann er, an "Mensch" zu arbeiten: "Ziemlich kurz und knapp versuche ich, meine eigene Situation zu beschreiben. Wenn man die Dinge erlebt, die ich erlebt habe, ist es einfach so, dass man relativiert und ein bisschen demütiger wird", erzählt er. Der Titelsong "Mensch" wurde zur ersten Nummer-Eins-Single seiner gesamten Karriere. Und der Erfolg tat ihm gut. Er zeigte sich wieder - als einen, der fühlt und denkt wie jeder von uns. Man freute sich mit ihm, dass er diese schwere Zeit annähernd überstanden hatte.

12 (2007)

Herbert Grönemeyer: "12" | Bild: Grönland (EMI)

Album "12" ist Album Nummer zwölf! Wieder hat sich Herbert Grönemeyer für ein Soloalbum sehr viel Zeit gelassen. Die Currywurst-Zeiten, in denen er Alben im Jahres- oder Zweijahrestakt veröffentlichte, sind endgültig vorbei. Im Nachhinein hätte er sein zwölftes Album gerne "Kopf hoch, tanzen" genannt, nach Lied 2 auf der Platte, doch die Idee kam zu spät. Aber auf für "12" hatte Herbert seine Gründe: "Es ist meine zwölfte Platte, es sind zwölf Stücke drauf, ich habe am zwölften Geburtstag. Und das 'Ö' wie in "Hörbört" ist auch drin", sagte Grönemeyer. Erklärungen können so einfach sein.

Schiffsverkehr (2011)

Auch auf seinem 13. Studioalbum erfindet sich Grönemeyer ein bisschen neu, noch kein Album hat mit so einem stürmischen Song begonnen wie "Schiffsverkehr". Und doch ist Grönemeyer unverkennbar - zum Beispiel in den beiden Balladen "Unfassbarster Grund" und "Deine Zeit". Grönemeyer nimmt in "Schiffsverkehr" wieder verschiedenste Themen mit an Bord - ausgelassenes "Fernweh", Kriegskritik in "Auf dem Feld", Liebeskummer in "Lass es uns nicht regnen" und (selbstironischen) Größenwahn in "So wie ich".


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