Bayern 1 - Experten-Tipps


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Plastik vermeiden Ideen, wie Supermärkte Plastik vermeiden und ersetzen

Plastikmüll wird immer mehr, auch bei uns in Bayern. Deshalb suchen viele Supermärkte nach Alternativen, die umweltfreundlich und biologisch abbaubar sind. Was steckt hinter Bio-Plastik und wie gut lässt es sich recyceln?

Published at: 28-3-2019

Mädchen gibt Äpfel in Plastiktüte | Bild: mauritius-images

Verpackungsmüll - ein ernstes Problem

Deutschland ist Europameister! Leider beim Produzieren von Verpackungsmüll. Die letzten Zahlen, die das Umweltbundesamt veröffentlicht hat, sind zwar aus dem Jahr 2016, aber die Entwicklung lässt nicht darauf schließen, dass sich viel verändert. Gerade beim problematischen Plastikmüll sind das etwa 25 Kilo pro Kopf und Jahr.

In Deutschland ist bislang noch nicht mal die Hälfte der Verpackungen, die im Gelben Sack und in der gelben Tonne gesammelt worden sind, tatsächlich wiederverwertet worden. Auch wenn die privaten Entsorger, die für das Duale System Deutschland (DSD) die Gelben Säcke und Tonne bereitstellen bzw. entsorgen, die gesetzliche Quote sogar übererfüllt haben (bislang 22,5%) ist wahrscheinlich mehr in den Verbrennungsanlagen gelandet, als bislang angenommen. Fakt ist auch, dass sich Plastik nicht unendlich oft recyceln lässt. Das Produkt verliert an Qualität und kann irgendwann nur noch verbrannt werden.

Das neue Verpackungsgesetz, das seit dem 1. Januar in Kraft ist, soll die Quote deshalb auch drastisch erhöhen. Händler und Unternehmen werden gerade bei den Verpackungen zur Verantwortung gezogen und erzogen. Das gilt auch für kleine Online-Händler. Denn auch kleine Mengen an Verpackungen und Umverpackungen sind jetzt meldepflichtig. Es gilt das Prinzip der "erweiterten Produktverantwortung", weil Händler, die Verpackungen (inklusive Füllmaterial) in Umlauf bringen, auch dafür Sorge tragen müssen, dass diese verwertet oder zurückgenommen werden können.

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Bei Kunststoffen allgemein (49,7 %) und Holz (26 %) gibt es beim Recycling noch viel Luft nach oben. Gerade Kunststoffverpackungen sind aber aufgrund der Materialvielfalt schwierig zu sortieren und recyceln. 2016 konnten immerhin 0,9 Prozent mehr Kunststoffverpackungen recycelt werden als im Vorjahr, sagt die Chefin des Umweltbundesamts (UBA), Maria Krautzberger: "Insbesondere bei Kunststoffen müssen wir das wertvolle Material stärker dem Recycling zuführen und weiter nutzen."

Trotz aller Appelle, Forderungen und Einsichten: Plastikmüll, insbesondere der Verpackungsmüll, nimmt eher zu als ab. Auch hier in Deutschland. Es nützt unserer Umwelt auch nichts, wenn Wegwerfartikel aus Plastik eins zu eins durch Wegwerfartikel aus Biokunststoff ersetzt werden. Aber die Erforschung von biologisch abbaubarem Plastikersatz ist wichtig. Langfristig! Und auch in Bayern wird daran geforscht.

Verpackung aus Zucker, Milchsäure oder Zellulose

Patrick Gerritsen produziert mit seiner Firma "Bio4Pack" kompostierbare Verpackungen in Nordhorn/Niedersachsen, nahe der niederländischen Grenze. Die Tüten sehen aus wie ganz herkömmliche, durchsichtige Plastikverpackungen auf Basis von Erdöl. Sind sie aber nicht.

"Diese Verpackung ist auf Basis von Zellulose und Zucker. 100 Prozent kompostierbar. Auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Das heißt, ab auf den Komposthaufen und es verschwindet in CO2 und Wasser."

Patrick Gerritsen, Geschäftsführer von Bio4Pack

Auch Arnold Schleyer von der Firma. "Compostella" im hessischen Laubach verkauft Plastikalternativen. Sie haben eine plastikfreie Verpackung für Wurst und Käse entwickelt.

"Wir haben ein dichtes Papier genommen. Ein Papier, das aus reiner Cellulose besteht. Und haben es bestrichen mit einem natürlichen Wachs. Und natürliches Wachs heißt in dem Moment: Ein Pflanzenwachs von der Carnauba-Palme, einer Wachspalme aus Südamerika."

Arnold Schleyer von Compostella

Beide Produkte könnten Alternativen für Plastikverpackungen im Supermarkt sein. Maria Schäfer, Funktionsbereichsleiterin Nachhaltigkeit Ware bei der REWE Group, bekommt ständig Vorschläge und Angebote zu Verpackungsalternativen. Sie selbst versteht ihre Arbeit als kontinuierlichen Prozess. Kleinigkeiten, wie die Verpackung, zu verändern, ist in einem Unternehmen, das auf ein ausgeklügeltes Logistiksystem angewiesen ist, ein komplexer Vorgang. Schließlich müssen immer auch die Lieferanten oder manchmal auch verschiedene Partner in der Lieferkette einbezogen werden, um zu eruieren, ob das überhaupt umsetzbar ist.

"Das heißt, wir schauen uns ganz spezifisch unsere Sortimente und dann auch die Verpackungen an und betrachten erstmal, was hat die Verpackung für dieses konkrete Produkt für eine Funktion. Und dann prüfen wir: Kann die Verpackung aus Umweltsicht verbessert oder optimiert werden, ohne die Funktion anzugreifen." Die Zuckertüten von "Bio4Pack" sind beispielsweise für Linsen oder ähnliches gut geeignet, aber Vakuumverpackungen sind ein Problem und auch besonders hitzebeständig, sind die Tüten auch noch nicht:  "Es kommt nicht im Laden vor, dass es anfängt zu verrotten", sagt Patrick Gerritsen, "es muss auf den Komposthaufen und dann geht es erst richtig los. Und dann sind wir innerhalb von zwölf Wochen auch komplett weg."

Sind Plastikalternativen wirklich umweltfreundlicher?

Bereits 2012 hat das Umweltbundesamt (UBA) die Umweltwirkungen von Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen genauer untersuchen lassen. Damals lautete das ernüchternde Fazit:

Verpackungen aus Erdöl-Plastik sind – ökologische betrachtet - etwa gleich schlimm, wie biologisch abbaubare Ersatzprodukte. "Der CO2-Ausstoß fällt zwar geringer aus, ebenso der Verbrauch von Erdöl. In anderen Umweltbereichen kommt es aber zu größeren Belastungen – vor allem durch Düngemittel", stand damals in der Studie.

Auch heute ist immer die Frage ob der Begriff "Bio-Plastik" wirklich hält, was der Name verspricht. Oder fallen Wasserverbrauch, der Einsatz von Pestiziden oder Weichmacher im Produkt so sehr ins Gewicht, dass es besser wäre eine Plastikverpackung zu verbrennen, um so wenigstens noch Energie zu erzeugen. Das muss auch die REWE-Nachhaltigkeitsmanagerin Maria Schäfer immer im Blick haben: "Da müssen wir uns ganz genau damit beschäftigen, welches Material ist denn nun wirklich besser. Der Konsument hat zwar den Kunststoff im Blick, wenn wir jetzt über Materialwechsel reden, aber die Materialien sind auch von der Ökobilanz unterschiedlich zu betrachten."

Forschung mit Bio-Plastik in Bayern

Seit etwa einem Jahr füttert Stephanie Stute von der technischen Hochschule Nürnberg ihre Bakterien mit Roh-Glycerin. Roh-Glycerin ist ein billiges Abfallprodukt aus der Bio-Dieselherstellung, das derzeit kaum verwertet wird. Allerdings ist es die Basis zur Herstellung von Bio-Plastik.

"Diese Bakterienzellen verwerten das Roh-Glycerin, teilen sich und wenn man dann einen gezielten Nährstoffmangel setzt, hören diese Zellen auf sich zu teilen und lagern nur noch Speicherstoffe ein. Ähnlich wie Oliven Öle einlagern oder ein Getreidekorn Stärke einlagert, so lagern diese Bakterien eben Poly-Buttersäure ein und das ist das Bio-Polymer, das uns interessiert."

Stephanie Stute, Wissenschaftlerin an der technischen Hochschule Nürnberg

Diese Poly-Buttersäure – kurz PHB – kommt am Ende des Verfahrens als cremig-milchig-weiße Flüssigkeit heraus. Wenn Forscherin Stephanie Stute das Wasser entzieht, bleibt eine Art Granulat übrig. Aus diesem Pulver ließe sich dann, in verschiedenen Verfahrensschritten wiederum, Verpackungsmaterial wie Tüten, Folien oder auch Einweggeschirr herstellen. Das Problem derzeit: PHB ist in der Herstellung noch etwa fünf Mal so teuer wie entsprechendes Standardplastik.

"Mit einem deutlich wirtschaftlicheren Verfahren", sagt Stephanie Stute, "könnte sich hier schnell eine Umstellung auf die Bio-Polymere für Verpackungsmaterialien ergeben. Das wäre mein Hauptziel." Bis das Produkt wirklich konkurrenzfähig ist, werden aber noch einige Jahre vergehen.

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Schon etwas weiter in der Bioplastik-Forschung, ist Sabine Amberg-Schwab mit ihrem Team, am Fraunhofer-Institut in Würzburg. Die Chemikerin entwickelt kompostierbare Barriere-Schichten für Verpackungen. Also Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Fühlt sich an wie Plastik, hat dieselben Eigenschaften wie Plastik, ist aber komplett kompostierbar. "Da kann man eben sehen, dass bioabbaubare Beschichtungen, erste Zersetzungsreaktionen schon nach sechs Wochen zeigen. Wenn das Material also komplett abgebaut also verkompostiert ist, bleibt dann nur noch Wasser, CO2 und ein bisschen Sand übrig." Für den Alltag ist aber wichtig, dass die Produkte nicht nur die Vorgaben der EU erfüllen, sondern auch in den modernen Kompostieranlagen der Entsorger, beim Zersetzungsprozess mit anderen Stoffen mithalten können.

Plastikersatz ist teuer

Plastik auf Erdölbasis ist billig. Sehr billig. Das macht es – neben den Produkteigenschaften – auch so beliebt. Die Zuckertüten von Bio4Pack kosten beispielsweise dreimal so viel wie vergleichbare, herkömmliche Plastikverpackungen. Die Cent-Beträge summieren sich bei großen Handelskonzernen wie REWE dabei schnell zu Millionen. Trotzdem ist der höhere Preis für Ersatzplastik für Maria Schäfer, bei der REWE Group für Nachhaltigkeit zuständig, kein Ausschlusskriterium: "Wenn wir zum Beispiel Kunststoff reduzieren, dann kann das auch positive Kosteneffekte haben, weil wir dann in den Entsorgungsgebühren Einsparungen haben. Aber natürlich schauen wir uns die Kosten an. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und können nichts ohne eine Kostenbetrachtung entschieden."

Aber auch wenn viele Verbraucher sicher bereit wären, für eine gute, biologisch abbaubare Verpackungsalternative auch etwas mehr zu zahlen: Nur wenn Bioplastik annähernd so billig produziert werden kann wie eine herkömmlicher Standardplastikverpackung, hat es überhaupt eine Chance.

Wie wird Bio-Plastik recycelt?

Die Entsorger sehen Bioplastik äußerst kritisch, vor allem, wenn es in den Kompostieranlagen auftaucht. Dort stören sowieso schon achtlos weggeworfene Styroporschalen oder Kartoffelnetze. Auch die sogenannten Biomüll-Beutel aus dem Drogeriemarkt stören beim Kompostieren – obwohl sie versprechen, biologisch abbaubar zu sein.

Der Ablauf für Bioabfälle in einer herkömmlichen Trockenfermentationsanlage (TFA) verläuft nämlich ungefähr so: Die Bioabfälle kommen zunächst in den Fermenter und gären dort für fünf bis sechs Wochen. Spezielle Bakterienkulturen produzieren dabei Biogas. Eine Kompostierung (Rotte) des Materials findet dort nur zum (kleinen) Teil statt. Anschließend werden die Gärreste kompostiert, was etwa sechs Wochen dauert. Und dann wird ausgesiebt.

Die Siebung erfolgt erst nach der Vergärung und nach der Kompostierung. Dabei wird zwischen Plastik und Bio-Kunststoffen nicht unterschieden. Biokunststoffe haben sich bis dahin zwar zum Teil zersetzt, aber eben oft nicht vollständig.

Die gesetzlichen Anforderungen für biologisch abbaubare Kunststoffe sind klar umrissen. Gemäß der DIN-Norm EN 13432: Vollständige biologische Abbaubarkeit, Kompostierbarkeit und nach drei Monaten darf nicht mehr als 10% des Produktes übrigbleiben. Doch viele Bio-Kunststoffe zersetzen sich nur unter Laborbedingungen gemäß dieser DIN-Norm, moderne Kompostieranlagen aber arbeiten anders, bemängelt Günter Langer von den Abfallwirtschaftsbetrieben München (AWM).

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In den Niederlanden sind zum Beispiel die Bio-Verpackungen von Bio4Pack aus Niedersachsen schon seit Jahren in Supermärkten im Einsatz. In Deutschland hat Geschäftsführer Gerritsen eben auch mit bürokratischen Hürden zu kämpfen, weil es bei den deutschen Kompostieranlagen schneller geht und Bioplastik dann eben aussortiert wird. Damit würde aber die eigentlich abbaubare Bio-Plastikverpackung, wie herkömmlicher Plastikmüll auch, mehrheitlich verbrannt. Der positive Effekt der Kompostierbarkeit ginge flöten. Veith Grundmann, Recyclingexperte von der TU Dresden, sieht zwar durchaus Möglichkeiten für die Wiederverwertung von Bioplastik in naher Zukunft, denkt aber, dass erst ein 10 %-iger Bioplastikanteil das Sortieren wirtschaftlich machen könnte.

Letztlich ist es auch den Mitarbeitern der Entsorger nicht zuzumuten, Bioplastik von herkömmlichem Plastik unterscheiden zu können. Arnold Schleyer von der Firma "Compostella", der sicher ist, dass seine Beutel und Wachspapiere schon nach zwei Wochen komplett verschwunden sind, hat da eine ganze andere Idee: "Ich persönlich würde vorschlagen, alle kompostierbaren Tüten müssten grün gefärbt sein. Dann würden sie auch von den Kompostierungsanlagen erkannt werden. Es dürften dann aber auch nur diese Tüten grün sein. Dann wäre das Problem schon gelöst."

Mehrweg ist die beste Alternative

Mit der neuen Verpackungsverordnung, die seit Januar 2019 gilt, dürfte der Recyclingdruck höher werden und damit auch die Chance für plastikfreie Verpackungsalternativen in Deutschland. Allerdings ist jede Verpackung, jedes Produkt, das nur EINMAL verwendet wird, problematisch. Ob Plastik oder Bioplastik. Mehrweg ist deshalb immer die bessere Alternative.

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