Bayern 1 - Experten-Tipps


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Umstrittene Energiegewinnung Wie effizient ist Fracking wirklich?

Mit Fracking soll Erdgas aus Gesteinsschichten gelöst werden. Die Technologie ist ökologisch umstritten. Außerdem will der BAYERN 1 Umweltkommissar wissen, ob da nicht mehr Energie hineingesteckt wird als am Ende herauskommt.

Stand: 29.04.2015 | Archiv

Fracking in Ascheberg | Bild: mauritius-images

Um eingeschlossenes Gas oder Öl herauszulösen, werden beim sogenannten "Fracking" Wasser, Sand und allerhand Chemikalien unter hohem Druck in das Schiefergestein gepresst. Während die Befürworter des Fracking Dollarzeichen in den Augen haben und lediglich eine kontrollierbare Gefahr erkennen, warnen die Kritiker vor den möglichen Umweltschäden, insbesondere für das Trinkwasser.

Es herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung in den USA. Seit Jahren wird vor allem dort mit neuen Technologien versucht, dem Boden begehrte Rohstoffe zu entreißen. Es geht um Vorkommen, die bisher nur schwer oder gar nicht ausgebeutet werden konnten.

Eines lässt sich ganz klar sagen: Der Fracking-Boom in den USA hat dort bereits tatsächlich zu sinkenden Gas- und Strompreisen geführt. Mehr noch: Die Vereinigten Staaten könnten laut Internationaler Energieagentur (IEA) von 2015 an den Rohstoffgiganten Russland bei der Gas-Förderung überholen. Und wenn die derzeitige Fördermenge weiter kontinuierlich gesteigert würde, dürften die USA in zwei bis drei Jahren sogar Saudi-Arabien bei der Öl-Produktion übertreffen.

Allerdings ist der Förderzeitraum beim Fracking weit kürzer als bei herkömmlichen Gasquellen. Zunächst ist die geförderte Menge an Schiefer-Gas hoch, fällt aber bald kontinuierlich ab. Oft wird dann erneut gefrackt. Nach wenigen Jahren sind die Vorräte meist erschöpft und eine neue Bohrung an einem anderen Ort ist fällig. Herkömmliche Erdgasfelder lassen sich hingegen oft über Jahrzehnte ausbeuten.

Ob sich Fracking lohnt, ist also nicht nur unter Umwelt- sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten.

Das Prinzip "Fracking"

"Fracking" ist übrigens ein Kunstbegriff, der sich aus der englischen Bezeichnung "hydraulic fracturing" ableitet, übersetzt bedeutet es so viel wie das hydraulische Aufbrechen von Gestein. 

Die Krim-Krise und die Abhängigkeit von russischem Gas haben auch hierzulande die Diskussion um den Einsatz der Fracking-Methode neu entfacht. Schließlich klingt es durchaus verlockend, Gas und Öl aus tief liegenden Gesteinsschichten wie etwa Schiefer herauslösen zu können. 

Befürworter der Fracking-Methode sehen sich durch Rohstoffabhängigkeit und eine mögliche Erpressbarkeit Deutschlands darin bestärkt, die Technologie auch bei uns endlich anzuwenden. Natürlich sind daran auch Chemiekonzerne wie BASF interessiert und haben sich mehrfach bereits für einen Einsatz von Fracking ausgesprochen. Gegner verweisen auf die immer noch nicht genau kalkulierbaren Risiken, die mit der Rohstoffgewinnung aus Schiefergestein verbunden sind.

"Wie aus Niedersachsen, den USA und Australien bekannt wurde, sind dort im Zuge des Einsatzes des Fracking-Verfahrens bereits Umweltschäden (Bodenverunreinigungen, unkontrollierte Gasaustritte, Zerstörung von Landschaften, Verunreinigung von Wasser) eingetreten, weitere Auswirkungen sind grundsätzlich möglich."

Stellungnahme zur Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten für den Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Hessischen Landtages am 10. September 2012

Schiefergas ist nicht so einfach zu fördern wie herkömmliches Erdgas, denn es ist dicht in den Poren des Gesteins eingeschlossen. Daher kommt die Fracking-Technik zum Einsatz: Wasser wird mit hohem Druck in den Erdboden gepresst. Dort erzeugt es viele kleine Risse, in die die Flüssigkeit eindringt. Zur Stabilisierung dieser Risse wird Sand mit in die Tiefe gepumpt. Außerdem werden dem Wasser-Sand-Gemisch Chemikalien zugesetzt. Sie sollen unter anderem das Bohrgestänge vor Korrosion schützen und das Wachstum von Bakterien verhindern. Das macht die Fracking-Technik allerdings gefährlich für die Umwelt. Einige dieser Substanzen, zum Beispiel Salz- und Ameisensäure, sind giftig oder gelten als krebserregend.

Weil das Erdgas im Tonschiefer sehr fein verteilt ist, wird beim Fracking nicht nur senkrecht in die Tiefe, sondern auch zur Seite gebohrt. Wenn die Bohrung die relativ dünne Gesteinsschicht mit dem Gas erreicht hat, biegt die Spitze des Bohrkopfs waagrecht ab. Dann kann sie einige hundert Meter weiter geführt werden. Daher braucht man etwa ein Bohrloch pro Quadratkilometer. Fracking-Fördergebiete sind deshalb regelrecht mit Bohrtürmen gespickt. Eine andere Nutzung des Untergrunds, zum Beispiel für Geothermie, ist auf diesen Flächen nicht mehr möglich.

Wenn die Bohrung erschöpft ist, wird der Druck unter der Erde reduziert. Ein Teil des Wassers strömt daraufhin wieder nach oben. In den USA, wo Fracking schon häufig zum Einsatz kommt, wird es zunächst oft in großen Teichen gelagert. Anschließend wird das Wasser gereinigt und in natürliche Gewässer geleitet oder wieder in den Untergrund gepresst, etwa in ehemalige Lagerstätten von konventionellem Erdgas. Es gibt allerdings die Befürchtung und einige handfeste Beispiele aus den USA, dass dabei das Grundwasser verunreinigt werden könnte. Ja sogar Erdbeben könnten möglicherweise durch das Aufbrechen des Gesteins ausgelöst werden. Beispielsweise wurde an Silvester 2011 in Ohio ein Beben mit der Stärke 4,0 auf der Richterskala registriert. Wissenschaftler der Columbia University in New York sehen bei diesem Ereignis einen Zusammenhang mit dem Verpressen von Fracking-Bohrwasser.

Nicht jede Quelle sprudelt wie erwartet

Noch werden meist alle Fördererwartungen in den USA übertroffen. Die Gesellschaften kämpfen um Pipeline-Kapazitäten, damit sie ihre Ausbeute auch an die Kunden bringen können. Weit über 25 Milliarden Dollar fließen in der nächsten Zeit in den Ausbau neuer oder bestehender Chemiestandorte. Tausende neuer Arbeitsplätze könnten dank Fracking entstehen und auch politisch ist die Förderung gewollt, denn es lockt die Aussicht, in den nächsten 20 Jahren von Rohstoffimporten völlig unabhängig zu werden. Das war auch das Ziel in den USA, während in Europa und vor allem in Deutschland viele auf eine Unabhängigkeit durch eine Energiewende und erneuerbare Energien gesetzt haben. Letztlich fußt der leichte wirtschaftliche Erfolg der USA in den letzten Monaten fast ausschließlich auf dem Förderboom und den sinkenden Energiepreisen. Während im Jahr 2000 nur zwei Prozent der US-Gasförderung auf Schiefer-Gas basierte, waren es 2012 schon 40 Prozent.

Aber nicht immer werden die tatsächlichen Fördermengen auch den Erwartungen gerecht: In der Lagerstätte Utica, im Bundesstaat Ohio, sind beispielsweise 2012 weniger als 700.000 Barrel Öl mit Fracking aus dem Boden geholt worden. Diese Menge und mehr wird in Bakken, in North Dakota, täglich gefördert. Dabei war Utica noch vor zwei Jahren mit großen Versprechungen von dem US-Energieunternehmen Chesapeake Energy an den Start gebracht worden. Der damalige Konzernchef erklärte vollmundig, im Boden von Ohio könnten Vorräte im Wert von 500 Milliarden Dollar liegen. Für den ursprünglich landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat im Mittleren Westen sei es damit das Größte, seit der Pflug Einzug auf den Feldern gehalten habe. Die gigantischen Mengen, die selbst Geologen berechnet haben, sind bis heute allerdings noch nicht einmal ansatzweise aus dem Schiefergestein geholt worden. Und auch in der Niobrara-Lagerstätte in Colorado war die Nachfrage geringer als erwartet.

Fracking in Deutschland

In Deutschland ist der Einsatz der Technik bislang nicht erlaubt. Während sich die Chemiebranche Milliardeneinnahmen erhofft, setzen Politiker vor allem auf mögliche sinkende Gaspreise und damit auf eine Entspannung in der Diskussion um die Energiewende. Tatsächlich haben sich die Gaspreise in den USA in den letzten Jahren mehr als halbiert.

Nicht nur über die Technik, sondern auch über die Potentiale der hiesigen Schiefergasvorkommen gibt es weit auseinandergehende Meinungen. Während BASF-Boss Kurt Bock davon ausgeht, dass sich mit Schiefergas aus Deutschland zehn Jahre lang der gesamte Gasverbrauch der BRD sichern ließe, hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) der Förderung von Schiefergas eine klare Absage erteilt.

"Anders als in den USA ist unser Land kleinräumig strukturiert und dicht besiedelt. Schon deswegen halte ich eine umweltverträgliche kommerzielle Anwendung der Fracking-Technologie bei uns für Wunschdenken."

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)

Auch die Schätzungen, wie groß das Schiefergasvorkommen in Deutschland tatsächlich ist, gehen weit auseinander. Von etwa 700.000 Milliarden bis zu 2,3 Billionen Kubikmetern Schiefergas ist die Rede. Die größten Vorkommen werden in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen vermutet. Tatsache ist, dass die deutschen Vorräte an Gas aus konventionellen Lagerstätten weiter schrumpfen. Derzeit werden nur noch etwa 150 Milliarden Kubikmeter vermutet; Tendenz sinkend. Nach aktueller Schätzung sind unsere Vorräte in zehn bis zwölf Jahren aufgebraucht. Im vergangenen Jahr kam nur noch ein Zehntel des in Deutschland verbrauchten Gases aus der heimischen Förderung (beim Erdöl lag der Anteil sogar nur bei 2,8 Prozent).

Während Politiker wie EU-Energiekommissar Günther Oettinger genau in diese Kerbe schlagen und er vorschlägt "an einem geeigneten Ort ein Demonstrationsobjekt" zuzulassen, ist man im Freistaat anderer Meinung.

"In Bayern wird es auch in Zukunft kein Fracking zur Gewinnung von Öl und Gas geben."

Ilse Aigner, Bayerns Wirtschaftsministerin (CSU)

Hintergrund war eine "Erkundungslizenz" für den britischen Bergau- und Fracking-Spezialisten Rose Petroleum für ein 2.600 Quadratkilometer großes Areal in Bayern, das sich in der Oberpfalz auf Teile der Landkreise Schwandorf, Amberg-Sulzbach, Neustadt/Waldnaab und Tirschenreuth erstreckt.

Auch das Umweltbundesamt hat sich mittlerweile gegen den Einsatz der Fracking-Methode in Deutschland ausgesprochen. Die Bundesbehörde arbeitet derzeit an einer zweiten Studie über die Schiefergasgewinnung. Wie bereits in der ersten Untersuchung wird auch jetzt kommerzielles Fracking für Deutschland nicht befürwortet.

"Wir raten aufgrund der Kenntnislücken weiter von einer kommerziellen Gewinnung von Schiefergas ab."

Bernd Kirschbaum, Umweltbundesamt

Kirschbaum ist Mitverfasser der Studie und kann sich höchstens eine schrittweise Annäherung an die Technik vorstellen. Das heißt, in kleinen, regional begrenzten Praxis-Tests im streng kontrollierten Rahmen, das Fracking auszuprobieren. Eine schnelle Gasgewinnung, etwa um aktuelle Engpässe bei der Energieversorgung zu überwinden, sollte es demnach nicht geben. Damit bremst das Umweltbundesamt Bestrebungen durch die EU-Kommission und manche EU-Mitgliedsländer, die diese Form der Gasförderung vorantreiben wollen. Das Umweltbundesamt wird seine zweite Fracking-Studie im Juni komplett veröffentlichen.

Dass sich Fracking - zumindest derzeit - in der EU nicht lohnt, hat 2013 das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim nach einer Befragung von 200 Fachleuten aus der Energiewirtschaft zusammengefasst: "Schiefergas wird hier keine große Energierevolution auslösen", ganz einfach weil sich bei den aktuellen Gaspreisen die Förderung von im Gestein sitzenden Gasvorkommen nicht lohnen würde. Allerdings gilt das nur für den Fall, dass der Preis für die Megawattstunde im Großhandel langfristig unter 50 bis 60 Euro bleibt. Das lässt sich für einen Zeitraum, der sich über die nächsten 20 Jahre erstreckt, natürlich nur schwer vorhersagen.

Fazit

Auch wenn in Deutschland überwiegend kritisch über die Fracking-Technologie diskutiert wird, die möglichen Umweltfolgen würden doch keine größere Rolle spielen, wenn sich tatsächlich im deutschen Schiefergestein Abermillionen Euro, in Form von Gas und Öl befinden würden, die sich wirtschaftlich herauslösen lassen würden. Dass es hierzulande noch keinen Boom wie in den USA gegeben hat, liegt allein in der Tatsache begründet, dass sich neben der Politik auch die Wirtschaft nicht ganz sicher ist, ob sich da wirklich so viel Geld aus den Gesteinsschichten pressen lässt wie angenommen. Zu den enormen Kosten, die schon allein wegen der speziellen Technik entstehen, müsste dann ja auch noch aufwändig die Umwelt geschützt werden. Das lohnt sich derzeit schlichtweg nicht. Wobei Energieriesen wie Exxon weniger das Hier und Jetzt im Auge haben, sondern vielmehr den Blick auf die Zukunft richten, also wenn ein drastisch gestiegener Gaspreis die Förderung vielleicht auch wirtschaftlich rechtfertigt. Deshalb sind die Konzerne so interessiert an Erkundungsfeldern und der prinzipiellen Möglichkeit, die Technologie anzuwenden.

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In den vergangenen Jahren ist in den USA der Preis für Schiefergas um etwa 65 Prozent gefallen. Davon träumt natürlich auch so mancher deutsche Politiker, denn diese lästige Debatte über die Kosten der Energiewende und ständig steigende Energiepreise wären endlich vom Tisch. Allerdings sind mittlerweile auch in den USA die Gewinne bei der Produktion so niedrig, dass sich viele Investoren überlegen, ob sie weiterhin - angesichts der tatsächlichen Förderraten - so viel Geld in Fracking stecken sollen. Die Investitionen 2013 betragen jedenfalls nur noch ein Zehntel von der Summe, die noch 2011 in die Technologie gesteckt worden ist. Außerdem: Auch wenn es einfacher wäre, in Deutschland Gas aus Schiefergestein zu fördern, es wäre ja genau das Gegenteil von dem, was mit der Energiewende angestrebt werden soll: Nämlich die Unabhängigkeit von fossilen und damit endlichen Rohstoffen.


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