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Job und Psyche Die Zahl der Krankheitstage steigt

Es ist eine dramatische Entwicklung: Die Zahl der Fehltage am Arbeitsplatz pro Jahr aufgrund von psychischen Problemen hat sich in den vergangenen zehn Jahren ungefähr verdoppelt. Je nach Statistik liegen Erkrankungen der Seele manchmal sogar schon auf Platz zwei der häufigsten Ausfallursachen.

Von: Holger Kiesel

Stand: 26.09.2016

Frau im Büro, zusammen mit anderen. Vor sich: Bildschirm, Kopfhörer, Smartphone, Büroutensilien | Bild: picture-alliance/dpa

Dass der Trend so deutlich in diese Richtung läuft, hat verschiedene Ursachen:

  • Menschen sprechen heute mit ihrem Arzt offener über Schwierigkeiten in der Arbeit und die daraus folgenden psychischen Probleme.
  • Ärzte sind sensibler geworden und fragen gezielter, auch nach Problemen am Arbeitsplatz.
  • In dem Maße, in dem Gefahren für die körperliche Gesundheit am Arbeitsplatz – etwa durch Unfälle – zurückgehen, treten psychische Belastungen (z.B. durch Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit) stärker in den Vordergrund.

Das Problembewusstsein wächst

Auch die Krankenkassen und Betriebe haben das Problem erkannt und versuchen – natürlich auch mit Blick auf die eigenen Kosten – gegenzusteuern. Einige Kassen bieten mittlerweile selbst Beratungen zum Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz an. Zum Teil werden darüber hinaus gemeinsam mit den Betrieben Präventionsprogramme entwickelt. Wo gelegentlich noch Unsicherheit herrscht, ist bei der Frage, wie das Thema zu gewichten ist, möglicherweise aus Sorge, 'schlafende Hunde zu wecken'. Wichtig wäre vor allem, dass möglichst nachhaltige Maßnahmen zur Verbesserung und Erhaltung der seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz ergriffen werden. Denn: Einzelaktionen sind zwar relativ einfach durchzuführen, bringen aber keine durchgreifenden Veränderungen.

Was beeinflusst das Wohlbefinden am Arbeitsplatz?

Beim Thema 'Wohlbefinden' erschrecken vielleicht manche Arbeitgeber. Aber dass es Mitarbeitern arbeitsbezogen gut geht, hat nichts mit 'Wellness' zu tun. Im Einzelfall sind sehr individuelle Bedingungen entscheidend. Manche Menschen mögen z. B. das bunte Leben im Großraumbüro, andere sehen darin ihre schlimmste Stressquelle. Zu den wissenschaftlich gesicherten Faktoren, die bei den meisten das Wohlbefinden am Arbeitsplatz positiv oder negativ beeinflussen, gehören:

  • die Arbeitszeit (oberhalb einer permanenten Wochenarbeitszeit von 55 Stunden kann es Probleme geben)
  • ein dauerhaft gestörtes Gleichgewicht von Geben und Nehmen (unangemessene Bezahlung, fehlende Anerkennung, mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten)
  • eine angemessene Ausstattung, um seine Aufgaben möglichst gut erfüllen zu können (Weiterbildung, Budget etc.)
  • das Gefühl, gerecht behandelt zu werden (z.B. bei Beförderungen)

Das Arbeitsumfeld gehört auch dazu

Auch Faktoren wie die Ausstattung der Arbeitsräume oder die Verpflegung in der Kantine haben Auswirkungen auf unser psychisches Wohlbefinden am Arbeitsplatz. So ist es wichtig, Menschen, die sehr auf ihre Ernährung achten oder gerne Sport treiben, auch im Arbeitszusammenhang entsprechende Angebote zu machen. Allerdings: Bitte die Anderen möglichst nicht vergessen!

"Bei einem Firmenlauf zum Beispiel werden nie alle mitmachen. Wenn man aber den weniger Fitten zusätzlich eine kürzere Strecke Nordic Walking anbietet, erreicht man möglicherweise viel mehr Leute! Und in der Kantine kann man mit einer breiten Auswahl an Alternativen zur Leberkäsesemmel aufzeigen, die auch schmecken!"

Prof. Reinhart Schüppel, Chefarzt der Johannesbad Fachklinik für Sucht und Psychosomatik in Furth im Wald


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