Unbekannte Genies Fünf weltverändernde Wissenschaftlerinnen, die (fast) niemand kennt

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft - In so ziemlich jedem Bereich sind Frauen entweder unterrepräsentiert oder chronisch unterschätzt. Dabei verbuchen sie genau so viele berufliche und bahnbrechende Erfolge, wie die männlichen Kollegen. Zeit, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen!

Von: Alba Wilczek

Stand: 17.07.2019 | Archiv

Grafik Gehirn | Bild: BR

1. Nina Tandon

Forschungsfeld: Biomedizintechnik
Alter: 39                                          

Niere, Leber, Herz: Jeden Tag warten Abermillionen kranke Menschen auf neue Organe. Die Wartelisten sind lang, die Chancen gering. Die Utopie schlechthin: Organe einfach wie Gemüse im Labor wachsen lassen und so mehr Menschen ein längeres Leben ermöglichen. Die Frau, die in diesem Forschungsfeld ganz vorne mit dabei ist, heißt Nina Tandon. Die New Yorkerin ist Professorin der Elektro-und Biomedizintechnik. Wie das zusammengeht? Tandon hat bereits früh die Parallelen zwischen der Elektrotechnik und dem menschlichen Körper entdeckt. So folgen unsere Zellen beispielsweise kleinen elektrischen Signalen und werden dorthin gelotst, wo sie sein sollen. Dieses Wissen nutzt die Wissenschaftlerin nun bereits seit sechs Jahren, unter anderem für ihr Unternehmen EpiBone. Dort entwickelt sie Techniken, um aus menschlichen Stammzellen neue Knochen mit der gleichen DNA im Labor wachsen zu lassen. Krass? Voll. Aber das ist noch nicht alles. Nina Tandon erforscht auch sogenannte "neugeborene Herzzellen" im Zusammenhang mit Elektrosignalen. Sie arbeitet also daran, quasi neu gezüchtete Zellen mit Elektroschocks lebensfähig zu machen.

Diese Wissenschaftlerin könnte der Grund sein, dass...

...in absehbarer Zeit die Wissenschaft auch komplexe Organe wie beispielsweise unser Herz im Labor nachwachsen lassen kann. Abgefahren. 

2. Jennifer Doudna

Alter: 55                                          
Forschungsfeld:
Molekularbiologie

Die nächste Wissenschaftlerin in unserer Auflistung hat ein wahres Erdbeben in der Wissenschaft ausgelöst. Eines, das wahrscheinlich noch gar nicht richtig begonnen hat. Aber von vorne: Jennifer Doudna hat zusammen mit mehreren Kollegen Crispr/Cas9 entdeckt und entwickelt - und damit wohl den größten Durchbruch in der Biologie seit der Entdeckung der DNA gelandet. Warum? Crispr/Cas9 ist eine Genschere, quasi ein Skalpell für Erbgut. Ja, richtig gelesen. Die Forscher haben eine molekularbiologische Methode gefunden, DNA an einer bestimmten Stelle präzise zu durchtrennen und so zum Beispiel an der gleichen Stelle neues Erbgut einzusetzen.

Diese Wissenschaftlerin könnte der Grund sein, dass...

...es vielleicht nie wieder Erbkrankheiten gibt. Das bedeutet aber auch: Designerbabys. Die Methode ist ein krasser Eingriff in das Genmaterial und steht deshalb oft in der Kritik. Übrigens: die ersten zwei CRISPR-Babys kamen Ende letzten Jahres in China zur Welt. Die Embryonen wurden vor der künstlichen Befruchtung mit der Genschere so manipuliert, dass sie nun gegen den HIV-Virus immun sein sollen. Viele sind nun hin- und hergerissen: Sinnvoll oder ziemlich gruselig?

3. Katie Bouman

Alter: 30                                          
Forschungsfeld:
Informatik

Schwarz, ein bisschen orangefarbene Töne und hier und da etwas Weiß. Mehr hat man nicht erkannt auf dem Foto, das Anfang dieses Jahres so ziemlich überall zu sehen war. Spektakulär ist es trotzdem. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit haben Wissenschaftler es geschafft, ein Bild von einem schwarzen Loch zu machen. Maßgeblich dazu beigetragen hat Katie Bouman. Neben ihren Kollegen war die Informatikerin führend an der Anpassung des Algorithmus beteiligt, durch den mithilfe eines Teleskops schließlich die Abbildung des Schwarzen Loches ermöglicht worden ist. Ein großer Erfolg für die 30-Jährige - der direkt wieder überschattet wurde. Ein Facebook-Post, indem Bouman sich über den Durchbruch freut, wird gefundenes Fressen für die "angry white men of the internet". Laut denen hätte Bouman den Erfolg für sich alleine eingeheimst, aber eigentlich gar nichts dafür getan. Ein Kollege von ihr hätte den Code fast alleine geschrieben. Wahnsinn. Katies Reaktion darauf: Ein Statement-Bild von ihrem Team und die Erklärung, dass nicht sie allein, sondern 200 Menschen hinter dem Projekt standen. Souverän gelöst.

Diese Wissenschaftlerin könnte der Grund sein, dass...

...wir unser Weltall in Zukunft noch viel besser kennelernen und so ganz nebenbei verstehen, wie Wissenschaftler arbeiten. Nämlich in einem Team, in dem jede einzelne Person wichtig ist. Katie und ihre Kollegen haben eine Diskussion angeregt, die symbolhaft für die fehlende Gleichberechtigung und für Sexismus in der Wissenschafts-Branche steht. Chapeau, Katie.

4. Cynthia Kenyon

Forschungsfeld: Molekularbiologie
Alter: 65             

Eine Schildkröte wird bis zu 200 Jahre alt. Ein Mensch, wenn es gut läuft, in etwa halb so alt. Noch. Auftritt Cynthia Kenyon. Die amerikanische Molekularbiologin aus dem US-Bundesstaat Georgia erforscht seit Jahren die Genetik des Alterungsprozesses. Schon 1993, also vor 26 Jahren, hat sie entdeckt, dass die Mutation eines bestimmten Genes an ihrem Versuchstierchen, dem Fadenwurm, die Lebensspanne eben dieses Wurmes verdoppelt. VERDOPPELT, LEUTE! Okay, klar, ein Fadenwurm hat nur etwa 1.000 Zellen, ein Mensch dagegen eine Milliarde. Aber Kenyon hat bereits nachgewiesen, dass der Schlüssel zum Altern auch bei Säugetieren, wie zum Beispiel Mäusen, in den Genen liegt und diese ungefähr wie die des Fadenwurmes funktionieren. Es dauert nur eben länger festzustellen, welche Gene das bei den höheren Organismen genau sind und wie sie sich verhalten.

Diese Wissenschaftlerin könnte der Grund sein, dass...

...wir uns in Zukunft mit 90 wieder wie 40 fühlen. Hammer Aussichten!

5. Tiera Guinn Fletcher

Alter: 24                                          
Forschungsfeld: Raketenwissenschaft

Es war einmal ein sechsjähriges kleines Mädchen aus Georgia, USA. Eines Tages entdeckte sie ein Flugzeug am Himmel und wusste ab diesem Moment genau, was sie später mal machen möchte: Flugzeuge bauen. Und so geschah es dann auch. Was wie eine lahme Gute-Nacht-Geschichte klingt, ist Tiera Guinn Fletchers Lebensrealität. Die Raketenwissenschaftlerin hat sehr früh gemerkt, wo sie im Leben hinmöchte - und es eiskalt durchgezogen. Hart gelernt, hart gearbeitet, alles für ihren Traum. Mit Erfolg. Als eine der jüngsten afroamerikanischen Frauen jemals hat Fletcher erst ein Praktikum bei der NASA und dann einen Job beim Flugzeugbauer Boeing gelandet. Die Frau ist gerade mal 24. Da fangen andere Menschen vielleicht langsam mal ihren Master an. Tja. Und als wär das nun alles noch nicht beeindruckend genug, hat Fletcher auch noch als jüngstes Mitglied ever bei der Entwicklung des sogenannten Space Launch Systems für die NASA mitgewirkt. Das Projekt beinhaltet den Bau der schnellsten und fähigsten Rakete der Welt, die dafür genutzt werden soll, Menschen zum Mars zu befördern.

Diese Wissenschaftlerin könnte der Grund sein, dass...

...wir irgendwann mal auf dem Mars wandeln können. Okay, dazu gehört dann noch etwas mehr, als nur hinfliegen zu können, aber das ist ja immerhin schon mal der erste Schritt.

Sendung: PULS am 19.07.2019 - ab 10.00 Uhr