Brexit Was der Brexit-Deal für junge Europäer bedeuten könnte

Nach zähen Verhandlungen steht nun endlich ein Entwurf für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Aber wie wird der Vertrag das Leben junger Europäer beeinflussen? Ein paar Überlegungen.

Von: Robin Köhler

Stand: 16.11.2018 | Archiv

Notausgang Brexit  | Bild: BR

Ende März soll es soweit sein – Großbritannien verlässt tatsächlich die Europäische Union. Also war’s das mit dem Kurztrip nach London, günstigem Online-Shopping und dem Erasmus-Aufenthalt in Oxford? Noch ist vieles offen, wie es in den Beziehungen zwischen der Union und ihrem ersten Aussteiger weitergehen soll. Trotzdem lassen sich aus dem Vertragspapier und bisherigen Ankündigungen der britischen Regierung einige Schlüsse ziehen. Was ändert sich für uns in Bayern?

Tschö, wir sind raus! Oder doch nicht?

So ganz raus sind die Briten ab April 2019 jetzt doch nicht. Für eine Übergangszeit bleiben sie zunächst sowohl im EU-Binnenmarkt als auch in der Zollunion. Für Online-Shopper heißt das: Erstmal ist weder mit längeren Lieferzeiten, noch steigenden Preisen aufgrund von neuen Zöllen zu rechnen.

Das gilt bis Ende 2020, kann aber noch verlängert werden. Nicht unwahrscheinlich, die Zeit soll nämlich für die Aushandlung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien genutzt werden. Und das kann sich ziehen: Die Verhandlungen für das EU-Kanada-Abkommen CETA dauerten über sieben Jahre. Ziel soll auch dann sein, dass EU-Bürger für britische Waren keine Zölle zahlen müssen und umgekehrt. Im besten Fall können wir britische Produkte also weiterhin bequem nach Bayern bestellen, ohne dass sich drastisch was ändert.

Kurztrip easy, einwandern schwieriger

Wer einen Kurztrip nach London oder einen ausgedehnten Wanderurlaub in den schottischen Highlands plant, soll das auch zukünftig machen können. Eine Visa-Pflicht für kurzfristige Reisen ist nicht geplant.

Wer als Europäer bereits in Großbritannien lebt, darf auch nach dem Brexit bleiben und behält alle seine Ansprüche auf Krankenversicherung und Rente. Dabei können sogar Lebenspartner, Kinder oder Eltern nachgeholt werden – auf Lebenszeit. Bedingung ist aber, dass man bereits fünf Jahre dort lebt und eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragt. Wer es also eilig hat und sich sicher ist: Die Regelung soll auch für die gelten, die noch in der Übergangszeit ankommen.

Wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest. Die britische Regierung will über ihre neue Einwanderungspolitik erst Anfang Dezember sprechen. Zu erwarten ist aber eine Verschärfung der Regeln. Europäer sollen nicht mehr gegenüber Einwanderungswilligen aus aller Welt bevorzugt werden. Einwandern wird also weiterhin möglich sein, bessere Chancen haben aber "Hochqualifizierte", die auf dem britischen Arbeitsmarkt gesucht werden – also gilt auch in Deutschland: Schön weiter am Lebenslauf feilen…

Traumstudium Oxford – ein leises Goodbye?

Was ist mit einem Auslandssemester in London? Oder vielleicht einem ganzen Masterstudium in Wales? Zur Zukunft des europäischen Austauschprogramms Erasmus+ kann bisher noch nicht viel gesagt werden. Fakt ist: Im Vertragsentwurf taucht das Wort nicht auf. Und mit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU dürften die Erasmus-Programme an britischen Unis für junge Europäer Geschichte sein.

Das heißt natürlich nicht, dass Studieren bei den Briten generell nicht mehr möglich ist. Natürlich können auch Nicht-EU-Bürger jetzt schon Visa für ein Studium beantragen – vorausgesetzt, sie haben bereits einen Studienplatz. Früheren Aussagen von Theresa May zufolge soll die Zahl der Studenten-Visa auch nach dem Brexit nicht sinken. Für jegliche Kosten müssten dann natürlich die Studierenden selber aufkommen.

Aber auch eine Fortführung von Erasmus+ oder zumindest ein ähnliches Programm für die Zukunft ist nicht ausgeschlossen. Bereits im September gab es Stimmen aus der britischen Regierung, die sich für eine Fortführung des Programms aussprachen. Allerdings müsste über die Finanzierung neu verhandelt werden. Mit ein bisschen Glück gibt’s also auch in Zukunft irgendwelche Zuschüsse. Wäre bei den Lebenshaltungskosten in London definitiv eine gute Sache.

Wenn sich nicht doch noch alles ändert...

In Stein gemeißelt ist bisher nichts. Zwar haben sich EU und die britische Regierung geeinigt, die britische Regierungschefin Theresa May muss den Vertragsentwurf aber noch durch das eigene Parlament bringen. Und das könnte schwierig werden: May selbst hat keine eigene Mehrheit im britischen Unterhaus. Sie wird gestützt von der nordirischen DUP, die den aktuellen Brexit-Entwurf eher semigeil findet.

Gleichzeitig sitzen May die eigenen Parteifreunde im Nacken: Während mehrere Minister bereits den Rücktritt eingereicht haben, könnte sie kommende Woche auch noch ihren Job verlieren. Inzwischen soll es genügend Unterschriften für ein innerparteiliches Misstrauensvotum gegen sie geben. Da andere Parteien inzwischen sogar eine Wiederholung des Referendums fordern, ist in Bezug auf den Brexit eigentlich gar nichts sicher. Oh dear…

Sendung: Plus 1 am 17.11.2018 ab 14 Uhr