#aufstehen: Die neue linke Sammelbewegung Sind Bewegungen die besseren Parteien?

#aufstehen will eine neue linke Bewegung sein und mit ihrem Konzept die deutsche Parteienlandschaft durchschütteln. Aber wie genau will Aufstehen das machen? Und können solche Bewegungen mehr erreichen als Parteien?

Von: Katharina Kühn

Stand: 16.08.2018 | Archiv

Aufstehen | Bild: BR

Irgendwie wollen alle gerade Bewegungen sein: Emmanuel Macron trat 2016 aus der Sozialistischen Partei in Frankreich aus, gründete "La République en Marche!“ und wurde zum Präsidenten gewählt. In der italienischen Regierung sitzt die 5-Sterne-Bewegung und innerhalb der Österreichischen Volkspartei hat Sebastian Kurz eine Plattform gegründet und wurde so in unserem Nachbarland Bundeskanzler. In Deutschland wollen jetzt unter anderem die Linken-Politiker Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine eine neue Bewegung schaffen: #aufstehen.

#Aufstehen: Links und parteiübergreifend

Noch gibt es nur wenige Infos über die Bewegung. Im Netz sind auf Facebook, Twitter, Instagram und der eigenen Website hauptsächlich Videos von Menschen zu finden, die nur mit Vornamen und Beruf vorgestellt werden und über verschiedene Themen sprechen: Über Altersarmut, unser Schulsystem, Tierschutz oder über den Kampf kleiner Betriebe gegen Großkonzerne. Und dann gibt es da noch eine Wettervorhersage, warum auch immer die wichtig ist. Eine von ihnen ist Nada, 28. Sie hat uns erzählt, welches Ziel die Bewegung für sie hat:

"Aufstehen steht in meinen Augen dafür, dass Menschen wie du und ich dafür einstehen, dass soziale Gerechtigkeit in den Fokus der Politik gelangt."

- Nada

Warum eine Bewegung und keine Partei?

Allerdings geht es Nada wie den meisten: Wie die Bewegung aussehen soll, weiß sie noch nicht. Genaue Infos zur Bewegung sollen erst im September kommen, aber natürlich gibt es jetzt schon eine Menge Gerede um die Bewegung. Sahra Wagenknecht ist ja keine Unbekannte, sondern ein Polit-Profi: Sie leitet als eine von zwei Vorsitzenden die Linken-Fraktion im Bundestag. Also warum macht Sahra Wagenknecht, wenn sie politisch etwas verändern möchte, das nicht einfach mit ihrer Partei? Die Politikwissenschaftlerin Ann-Kristin Kölln von der Universität Aarhus in Dänemark forscht zu Parteien in ganz Europa und sagt, dass Bewegungen ihre Ziele manchmal schneller erreichen können:

"Eine Bewegung ist sehr viel flexibler, hat flache Hierarchien und agiert losgelöst von etablierten Parteienstrukturen und Vorurteilen. Bewegungen können sich außerdem nur für eine Sache engagieren, während Parteien gleich ein ganzes politisches Programm auf den Tisch legen müssen."

- Ann-Kristin Kölln

Außerdem haben Bewegungen erst einmal einen besseren Ruf als Parteien, egal von wem sie ausgehen. Klar, Bewegung klingt nicht so sehr nach Gremiensitzung und Generalsekretär, sondern eher nach Straße, nach Protest und Menschen, die jetzt die Schnauze vollhaben und aufstehen. Problem nur: Um wirklich handfeste Entscheidungen zu fällen, braucht man häufig eben genau diese klaren Strukturen, mit Rollen und Zuständigkeiten. Wie in Parteien eben.

Welche Rolle Sahra Wagenknecht in der Bewegung spielen will und wird, ist noch unklar, auf der Website taucht sie erst einmal nicht auf. Und #Aufstehen könnte ihr auch als Fraktionschefin der Linken gefährlich werden, wenn sich die Bewegung etwa in eine andere Richtung entwickelt als es Wagenknecht will, meint Ann-Kristin Kölln.

Kritik kommt auch von der Linken

#Aufstehen ist vor allem auch innerhalb der Linken umstritten – nicht wenige haben Angst, dass Sahra Wagenknecht die Partei mit der neuen Bewegung spalten könnte.

Außerdem reiben sich viele an der Person Wagenknecht, die sich im Zuge der Asyldebatte gegen offene Grenzen und damit gegen die Parteilinie positioniert hat.  Seitdem gibt es immer wieder Stress um Wagenknechts flüchtlingskritische Position. Ist sie die richtige Führungsperson für eine Sammelbewegung, die Linksgesinnte parteiübergreifend zusammenbringen soll?

Ein Ziel hat Aufstehen zumindest kurzfristig schon erreicht: Die Öffentlichkeit interessiert sich für ein neues linkes Konzept, mehr als 50.000 Menschen sollen sich allein in den ersten drei Tagen auf der Website registriert haben und viele reden über #aufstehen. Wir ja auch. Details gibt es dann im September. 

Sendung: Filter vom 16.08.2018 - ab 15 Uhr