Arm im Alter? Was man gegen die Rentenangst machen kann

73 Prozent der 18- bis 34-Jährigen in Deutschland glauben, später nicht oder nicht gut von ihrer Rente leben zu können. Unserer Autorin geht es genauso. Deshalb hat sie einen Termin vereinbart, der immens langweilig klingt, aber immens wichtig ist.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 15.11.2018 | Archiv

Rollator | Bild: BR

Ich treffe Herrn Larisch zur Rentenberatung in den funktional-kargen Räumlichkeiten der Verbraucherzentrale in München. Er ist einer von acht Finanzberatern hier – immer mehr Menschen suchen Unterstützung in finanziellen Dingen – genau wie ich.

Anders als bei Finanzmaklern wird hier aber nichts verkauft, darum zahlt man hier einen Euro für eine Minute Beratungszeit – deutlich weniger als bei unabhängigen Honorarberatern. Die Verbraucherzentralen sind gemeinnützige und unabhängige Vereine, die sich für die Rechte von Konsumenten einsetzen. Dazu gehören eben auch Finanzprodukte. Und darum bin ich ja auch hier: Ich will wissen, wie ich für meine Rente zusätzlich vorsorgen kann.

Rentenvorsorge Fehlanzeige

Die jüngeren Arbeitnehmer werden mindestens bis 67 arbeiten und später nur eine Rente von 42 Prozent des Durchschnnittslohns aller Arbeitnehmer erhalten. Dieses sogenannte Rentenniveau sinkt seit Jahren, denn immer weniger Arbeitnehmer zahlen in die Rentenkassen ein, während gleichzeitig der Anteil an Rentenbeziehern wächst. Wie viel Rente man erwarten kann, teilt die Deutsche Rentenversicherung jedem Rentenversicherten ab 27 Jahren jedes Jahr einmal mit.

Eine Analyse der IG Metall hat gezeigt, dass 73 Prozent der 18- bis 34-Jährigen in Deutschland glauben, später nicht oder nicht gut von ihrer Rente leben zu können – mir geht es genauso, trotzdem habe ich bis jetzt nur ganz wenig für meine Altersvorsorge getan.

In den Tagen vor der Beratung habe ich meine Konten durchforstet, Ausgaben gelistet, Rentenbescheide angeguckt. Was habe ich verdient? Was gebe ich aus – und wofür? So ein Finanzplan ist wichtig, um abzuschätzen, wie hoch meine Ausgaben später sein werden, wenn ich nicht mehr arbeite. Davon ziehen wir wiederum die zu erwartende Rente ab – und rechnen und rechnen und rechnen.

Fette Rentenlücke? Keine Panik!

Am Ende dieser Rechnerei klafft eine Lücke. Meine Rentenlücke. Also der Betrag, der mir und meinem Freund fehlen wird, wenn wir auch als Rentner unseren Lebensstandard halten wollen. Und die ist riesig. Bei meiner ersten Rechnung stehen am Ende 1800 Euro Minus – in mir kommt die Panik hoch.

Herr Larisch beruhigt mich und zeigt mir mehrere Wege, wie ich die Lücke schließen kann: Meine persönlichen Anlagemodelle, eine ausgeglichene Mischung aus Aktienfonds und verzinsten Banksparplänen – ganz nach meinem Anlagetyp. Berater unterscheiden zwischen drei verschiedenen Anlagetypen: sicherheitsorientiert, ausgewogen und wachstumsorientiert.

Je nach Typ ergibt sich eine andere Gewichtung bei der Geldanlage – je vorsichtiger ein Mensch ist, desto höher sollte der Anteil der konservativen Geldanlagen im Vorsorgeplan sein, also Bankprodukte mit festen Zinssätzen. Diese Anlageform ist zwar vor Wertschwankungen geschützt, aber die Rendite (das ist der Ertrag, den eine Anlage im Schnitt erwirtschaftet) fallen geringer aus als bei Aktienanlagen. Grundsätzlich sollte man sein Vermögen auf mindestens zwei Anlagearten verteilen, um Risiken zu minimieren.

Klar, es gibt Banken- und Wirtschaftskrisen und der Wert von Aktien schwankt immer wieder. Auf lange Zeit und global gesehen, wächst die Wirtschaft aber, was solche kurzzeitigen Werteinbrüche wieder ausgleicht, sagt Larisch. Sein erster Baustein für eine ausgewogene Altersvorsorge sind deshalb auch sogenannte Indexfonds, auch als ETF bekannt.

ETF: börsengehandelte Investmentfonds

Statt einzelne Aktien zu kaufen oder über Fondsgesellschaften (zum Beispiel Banken) in Investmentfonds zu investieren, bietet es sich an, sogenannte Indexfonds zu erwerben. Die verursachen für die Anleger in der Regel nur sehr geringe Kosten, da man die Depots bei einer Direktbank günstig eröffnen kann. Der Index "MSCI World" versammelt zum Beispiel nicht nur verschiedenste Branchen, sondern auch Unternehmen aus unterschiedlichsten Ländern. Diese Streuung verringert das Anlagerisiko. Insgesamt beinhaltet der Index rund 1.600 Aktiengesellschaften aus 23 Industriestaaten, die Renditeerwartung liegt langfristig bei etwa fünf Prozent und damit zumindest deutlich über der Inflationsrate.

Der zweite Baustein bei einer effizienten Altersvorsorge sollte dann ein verzinster Banksparplan sein – die werden vom Staat auch gefördert, als sogenannte Riester-Sparpläne.

Verzinste Bankprodukte

Zum Beispiel ein Banksparplan: Das ist eine Art Sparkonto, auf das man über Jahre hinweg regelmäßig und kostenfrei einen bestimmten Betrag einzahlt. Auf die angesparte Summe gibt’s Zinsen von der Bank. Die sollten jedoch unbedingt über der Inflationsrate liegen. Durch die Inflation verliert unser Geld nämlich an Kaufkraft. Damit das Geld also später nicht weniger Wert ist, sollten die Zinsen höher ausfallen als die zu erwartende Inflationsrate. Die liegt derzeit übrigens bei um die zwei Prozent. Verzinste Bankprodukte sind zwar nicht den Schwankungen des Aktienmarktes ausgesetzt, dafür ist die Anlage von Inflation und Zinsänderungen betroffen.

Auch in ETFs lässt sich Geld via Sparplan anlegen. Das heißt, jeden Monat legt man automatisch eine bestimmte Summe Geld in einen gewählten Indexfonds an. Wichtig ist auf jeden Fall nicht nur langfristig, sondern auch für kurzfristige Anschaffungen Geld zur Seite und zum Beispiel auf einem Tagesgeldkonto anzulegen, so kann man verhindern, dass man unnötig die Altersreserven anzapft und sich trotzdem etwas gönnen kann.

Die Beratung nimmt die Angst vorm Alter

In der zweistündigen Beratung fliegen mir Wörter um die Ohren, die ich noch nie gehört habe – und die mich oft total verunsichern: "Depot, Diversifikation, Einlagensicherung, Festgeld…" Mir schwirrt der Kopf. Ich habe keinen blassen Schimmer, was sich hinter all diesen Begriffen verbirgt – aber sie klingen wichtig und kompliziert. Herr Larisch beruhigt mich wieder und drückt mir zum Schluss noch einen Haufen Zettel in die Hand, auf denen die wichtigsten Fakten noch mal leicht verständlich zusammengefasst werden.

Wir haben ausgerechnet, wie viel Geld ich und mein Freund monatlich anlegen müssten, um unsere Rentenlücke zu schließen. Das wären nach dieser Rechnung pro Kopf etwa 450 Euro - keine Ahnung, wie ich das aufbringen soll. Ich bin jetzt aber wenigstens soweit gerüstet, dass ich weitere Beispielrechnungen und meinen vorläufigen Vorsorgeplan aufstellen kann. Danach kann ich jederzeit wiederkommen und mich weiter beraten lassen. Und das werde ich ganz sicher auch tun.

Hier könnt ihr euch weiter informieren:

Sendung: PULS Spezial vom 10.11.2018 - ab 18.00 Uhr