Kommentar zum Konflikt im Nahen Osten Warum Kriegsmemes nicht lustig sind

Im Netzt kursieren nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA Memes über einen möglichen dritten Weltkrieg #ww3. Unsere iranische Autorin ist im Krieg aufgewachsen und findet das geschmacklos.

Von: Shahrzad Osterer

Stand: 09.01.2020 | Archiv

Sherry Osterer | Bild: BR

Das Jahr 2020 beginnt ganz schön krass: Brände in Australien, in denen laut WWF Stand jetzt 1,25 Milliarden Tiere getötet wurden und wegen denen tausende Menschen auf der Flucht sind. Und dann auch noch die Eskalation zwischen den USA und dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin: dem Iran.

Seitdem die USA den Chef der Al-Quds-Brigaden im Irak getötet haben, sind alle Social-Media-Plattformen voll mit Memes unter dem Hashtag #ww3. Es sind Memes über einen möglichen dritten Weltkrieg. Auf TikTok gibt es zum Beispiel ein Video von einem User, der so tut, als würde er Weltkriegsmodetrends 2020 vorführen. Eine andere Userin zeigt Tanzmoves mit denen man sich gegen potenzielle Kriegsfeinde wehren kann.

"Ich musste selbst fliehen. Das ist kein Computerspiel."

Ich bin selbst während des achtjährigen Iran-Irak-Krieges geboren und musste mit meiner Familie vor dem Krieg aus meiner Heimatstadt Teheran fliehen. Das ist kein Computerspiel. Ich finde, es gibt nichts an einem Krieg, was lustig sein könnte. Nichts, was ein Meme sein sollte.

Klar, die Vorstellung von einem 3. Weltkrieg ist extrem überzogen, aber die Situation nach der Tötung von Soleimani ist sehr ernst. Der Iran hat bereits zwei irakische Basen mit US-Truppen angegriffen. Donald Trump hatte zuvor mit einem Angriff auf 52 Ziele im Iran gedroht, darunter auch Weltkulturerbe, sollte der Iran sich rächen.

Und es kann natürlich in den Ländern, in denen Iran und USA beide militärisch präsent sind, wie im Irak, Afghanistan, Syrien oder Libanon, zu noch heftigeren Eskalationen kommen. Die Lage im Nahen Osten könnte also durchaus schlimmer werden. Aber zu einem 3. Weltkrieg wird es nicht kommen, da sind sich auch Experten einig. Und trotzdem finde ich diese Memes absolut geschmacklos.

Ich glaube manche junge Menschen, die zum Glück im Frieden aufgewachsen sind, können sich kaum vorstellen, was ein Krieg überhaupt bedeutet. Meine Eltern, meine Familie und Freunde leben noch im Iran und ich mache mir große Sorgen um sie. Meine Eltern wollten mich in wenigen Tagen besuchen und jetzt habe ich Angst, dass sie dort stecken bleiben und das Land nicht mehr verlassen können.

Humor als Möglichkeit mit der Angst umzugehen

Bei manchen dieser Memes sieht man aber auch junge Menschen, die Angst haben eingezogen zu werden. In einem Video kriegt zum Beispiel ein junger Mann seinen Einberufungsbescheid und zerreißt ihn. Oder es gibt eins, wo es darum geht, wie es sich anfühlt, wenn eine Atombombe hochgeht.

Das ist natürlich ernst, wenn jemand Soldat ist und eingezogen werden könnte. Da kann ich es verstehen, wenn in dem Fall Humor für manche Menschen die beste Möglichkeit ist, sich mit ihrer Angst auseinander zu setzten. Bei allen anderen Memes verstehe ich keinen Spaß.

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Sendung: PULS am 10.01.2019 - ab 15.00 Uhr