Mein Leben mit Rami // Teil 7 "Ich hoffe, der Krieg zieht nicht mit den Flüchtlingen hierher"

Rami ist vor dem Krieg geflohen, von Syrien nach Deutschland – und jetzt wohnt er bei Bayern 3 PULS Moderatorin Diane Hielscher. Seitdem er eingezogen ist, hat Diane sich verändert. Aber wie gehen ihre Kinder damit um?

Von: Diane Hielscher

Stand: 28.12.2015 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

Unser kleiner Sohn kann mittlerweile "Ami" sagen, wenn er Rami meint. Er ist anderthalb Jahre alt. Wenn wir alle zusammen mit Rami essen, macht der Kleine unserem Gast aus Syrien alles nach. Nur in ungeschickt. Er nimmt das arabische Brot und rührt damit im Joghurt, verschmiert ihn auf dem Tisch, im Gesicht und auf den Sachen. Auch Rami isst mit dem Brot. Aber er kann das ja auch. Bei ihm ist es wie eine Gabel.

"Mein kleiner Sohn zu Hause ist mein Liebling. Deshalb mag ich deinen Kleinen hier auch so gerne. Mit deinem großen Sohn kann ich wegen der Sprache ja leider noch nicht wirklich kommunizieren… Aber immer wenn ich deine beiden Jungs hier sehe, denke ich, sie sind genau wie meine beiden Jungs. Deswegen liebe ich die beiden auch so sehr!"

Rami

Ramis Familie ist sicher in Ankara angekommen und lebt dort bei Verwandten. In Aleppo ist derweil die Schule seiner Jungs von zwei Raketen getroffen und zerstört worden, viele Kinder wurden dabei getötet. Rami zeigt mir ein Foto vom kaputten Gebäude. Ich bin wieder einmal sprachlos. Die Rebellen haben die Schule angegriffen, weil sie sich für die von Assad gesteuerten Angriffe aus Russland rächen wollten. Mir ist scheißegal, wer, wen, warum bombardiert - diese Kinder sind tot. Punkt.

Seit Rami bei uns wohnt, bin ich viel dankbarer geworden. Dankbar für den ganz banalen Alltag. Ich laufe durch die Stadt und freue mich: Darüber, dass wir Zeit haben für unsere kleinen Alltäglichkeiten. Wenn mich die Kinder stressen, den ganzen Tag Süßigkeiten haben aber ihre Schlafanzüge nicht anziehen wollen, dann ist das alles plötzlich nicht mehr so schlimm. Weil sie leben und wir in Sicherheit sind, weil wir Strom haben und niemand ihre Kita bombardiert, weil sie nicht fliehen müssen und nicht um ihr Leben fürchten, wenn irgendwo ein Silvesterknaller explodiert.

Das klingt pathetisch und gefühlsduselig, aber es ist wahr für mich. Ich bin entspannter im Umgang mit meinen Kindern geworden, denn so viele Freunde, Bekannte und Verwandte von Rami werden nie wieder von ihren Kindern gestresst werden, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschen.                                   

"Die Familie meines Cousins hatte einen schrecklichen Unfall. Sie sind im Mittelmeer ertrunken, wie so viele. Umso erleichterter bin ich, dass meine Familie jetzt in Sicherheit ist. Ich weiß nicht, was ich sagen soll... es ist unser Schicksal."

Rami

Unser großer Junge ist fast sechs. Jeden Abend liegen wir zusammen im Bett, lesen, kuscheln und reden über den Tag. Eines Abends sagt er: "Mama, ich hoffe, der Krieg zieht nicht mit den Flüchtlingen hierher."