Mein Leben mit Rami // Teil 2 "Ich werde uns nicht abfackeln, ich bin nicht der IS!"

PULS Moderatorin Diane hat einen neuen Mitbewohner: Rami aus Syrien. Rami hat gefragt, ob er Shisha rauchen darf und baut in der Küche alles auf. Zuerst füllt er Wasser in den Glasbehälter, dann macht er Feuer - auf dem Ceranfeld.

Von: Diane Hielscher

Stand: 23.11.2015 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

"Ich habe die Shisha von meinem Cousin ausgeliehen, er hat schon eine winzige Wohnung hier in Berlin. Ich rauche keine Zigaretten, meine Frau raucht auch keine Zigaretten, aber Shisha rauche ich manchmal ganz gerne, das schmeckt süß und der Vorgang ist irgendwie schön."

Rami

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck zum Artikel Mitbewohner aus Syrien Mein Leben mit Rami

PULS Moderatorin Diane Hielscher hat einen neuen Mitbewohner: Rami, 38, aus Syrien. Hier stellen beide sich vor und erzählen, wie Rami in Dianes Wohnung gelandet ist. [mehr]

Während Rami die Shisha aufbaut, unterhalten wir uns, natürlich über den Krieg in Syrien. Rami erzählt schreckliche Geschichten aus seiner Heimat. Seit er bei uns wohnt, läuft in meinem Kopf eine furchtbare Kriegs-Serie ab, jeden Tag folgen weitere Episoden. Die Hauptdarsteller sind Rami und seine Familie, seine Freunde, seine Nachbarn. Ramis bester Freund wurde von einem Scharfschützen erschossen, einfach so, Rami selbst hat nur mit Glück überlebt, einfach so. Es ist eine Binsenweisheit, dass Krieg sinnlos ist, trotzdem erschreckt mich diese Tatsache wieder. Ich trinke Rotwein.

Mittlerweile hat Rami die Herdplatte angeschaltet und kleine schwarze Steine aufs Ceranfeld gelegt, die Herdplatte leuchtet rot. Ich zucke zusammen und will den Herd ausschalten. Dann schnalle ich, dass die kleinen schwarzen Steine für die Shisha glühen sollen und bleibe sitzen.  "Nein, nein, das ist nicht gefährlich", sagt Rami und lacht. "Ich werde uns nicht abfackeln, ich bin nicht der IS!" Wir lachen. Weil wir so weit weg vom Terror des IS sind.

"Jemanden töten ist kein Weg um ins Paradies kommen, davon bin ich überzeugt, ist doch klar. Unsere Religion ist friedfertig. Wir gehen friedlich mit allen um, die im Frieden mit uns leben."

Rami

Wie einen heiligen Gral trägt er die Shisha vor sich her ins Wohnzimmer. Ich ziehe und schmecke Erdbeer-Tabak. Wir sitzen zusammen in einer weißen Rauchwolke. Ich fühle mich wie die Raupe in "Alice im Wunderland" und muss kichern. Rami kennt den Film, die Raupe raucht tatsächlich Shisha.

"Ich hoffe, ich kann der Familie und auch der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ich bin so glücklich hier bei dieser Familie zu sein. Bei vielen Menschen muss man vorsichtig sein. Man darf nicht jedem einfach so trauen. Aber ich glaube, wir machen hier etwas Gutes zusammen."

Rami

Weiße Rauchschwaden hängen über unseren Köpfen. Manchmal weiß ich einfach nicht, was ich sagen soll und manchmal will ich nur eine harmlose Serie bei Netflix schauen, mich verstecken vor Ramis Realität, Ramis Geschichten. All das, was er niemals vergessen wird, weil er es erlebt hat, ist mir manchmal zu viel. Zu viel Grauen auf einmal. Er kann nicht davor weglaufen, seine Frau und seine beiden Söhne sind in Aleppo. Ramis Frau möchte mir danken, Rami gibt ihr meine Nummer. Am nächsten Tag kommuniziere ich mit einer mir fremden Frau in Aleppo, Hadeel, 31 Jahre alt, Ramis Frau. Sie schreibt mir, wie schlecht es ihr ohne Rami geht und dass sie nur darauf wartet, ihn in Deutschland wiederzusehen.

Als die Russen Aleppo bombardieren, ist mein erster Gedanke: Hadeel und die Kinder! Hoffentlich geht es ihnen gut! Der Krieg in Syrien hat sich für mich verändert durch Rami. All die Geschichten sind keine Zeitungsmeldungen mehr für mich. In unserer Küche steht jetzt eine riesige Shisha, im Kühlfach liegt arabisches Brot. Unser Kleinkind liebt es, deutsches Brot hat es immer ausgespuckt.