Mein Leben mit Rami // Teil 13 Der Auszug

Rami ist aus Syrien geflohen und wohnt momentan bei BAYERN 3 PULS Moderatorin Diane Hielscher. Hier berichten sie über ihr Leben. Und darüber, wie sich nach drei Monaten ihre Wege trennen.

Von: Diane Hielscher

Stand: 09.02.2016 | Archiv

Rami - Der Auszug | Bild: picture-alliance/ dpa/ Montage: BR

Plötzlich steht Rami im Türrahmen und sagt: "Morgen ziehe ich aus."

Ich bin verdutzt, dass es plötzlich doch so schnell gegangen ist. Ich habe in der letzten Zeit Freunde gefragt, ob sie von Wohnungen wissen, in die Rami ziehen könnte - aber niemand konnte wirklich helfen. Rami hat dann selbst im Internet nach möblierten Zimmern oder Wohnungen gesucht und berichtet: "Ich habe diese Wohnung gefunden und diese ältere Dame kennen gelernt, sie vermietet ihre möblierte Wohnung. Zuerst nur ein Zimmer für mich, aber später bekomme ich die ganze Wohnung, wenn meine Familie kommt. Es ist eine gute Gegend. Ich habe viel Glück gehabt, die Wohnung zu finden. Jetzt warte ich nur noch auf meine Familie."

Am nächsten Morgen leihe ich ihm unseren kleinen schwarzen Rollkoffer, den er mit ein paar Habseligkeiten belädt, bevor er sich aufmacht zur Schlüsselübergabe. Heute Nacht wird er das erste Mal seit über drei Monaten nicht bei uns schlafen.

Wir freuen uns natürlich. Darüber, dass er es geschafft hat, etwas zu finden. Darüber, dass er einen Ort für seine Familie hat, wenn sie kommt. Und darüber, dass wir unser Zimmer zurück haben. Seit Monaten wollen wir renovieren, damit unser kleiner Sohn endlich sein eigenes Zimmer bekommt und uns nicht mehr nachts mit seinem Geschnaufe weckt.

Abends schickt Rami dann Fotos von der neuen Wohnung. Sie ist vollgestellt, aber stilvoll eingerichtet: alte Möbel, Holzfußboden, überall liegt etwas herum, auf dem alten Schreibtisch stapeln sich Papiere und Ordner. Von seinem ersten Abend sagt er: "Ich war einsam, eine der Heizungen war kaputt, also war es kalt und einsam. Ich mochte die erste Nacht einfach nicht. Und ich habe euren kleinen Sohn vermisst, weil ich sonst immer seine Geräusche gehört habe."

Rami packt weitere Sachen. Wir schenken ihm Vorhänge, weil sein Zimmer im Parterre liegt und jeder reingucken kann. Wir versprechen ihm ein kleines Sofa, das wir ihm dann nachbringen, und ich lege ihm einen Stapel Handtücher und Bettzeug hin. Außerdem darf er eins unserer harten Sofakissen zum Schlafen mitnehmen - das ich später aber zurückhaben möchte, es gehört ja zu unserem Sofa. Er bekommt eine Lichterkette für den dunklen Flur und verlässt wieder schwer bepackt unsere Wohnung.

Auf einmal bin ich allein mit den schlafenden Kindern, mein Freund arbeitet lang. Kein konstantes SMS-Piepen, keine arabischen Telefonate aus dem Nachbarzimmer, niemand bereitet eine Shisha in der Küche zu oder hält mir ein Amtsschreiben zum Übersetzen hin. Es ist ganz still. Es ist schön, mal wieder allein zu sein.

Es war eine spannende Zeit, es ist ein gutes Gefühl, jemandem zu helfen. Es ist aufregend, so viel über eine Welt zu erfahren, von der man nichts weiß. Die "Flüchtlingskrise", wie sie in den Artikeln genannt wird, hat ein Gesicht bekommen für mich. Dank Rami kann ich ein bisschen nachvollziehen, was für Ängste man hat, wenn man ein neues Leben am anderen Ende der Welt beginnt, und wie schwer es ist, neu anzufangen. Aber Helfen ist eben auch anstrengend, deswegen genieße ich jetzt einfach die Stille in unserer Wohnung.

Plötzlich piept mein Telefon, Rami schreibt: "Danke für alles, du bist meine Schwester und dein Freund mein Bruder. Ich werde niemals vergessen, was ihr für mich getan habt." Ich schreibe: "Wir wissen das, wir haben es gerne getan... und wir werden uns sehr sehr bald wieder sehen. :-)"

Übermorgen wollen wir alle zusammen mit dem Auto die letzten Sachen in seine neue Wohnung bringen. Wir werden Hadeel und die Kinder kennen lernen, werden immer mal wieder helfen und Rami wird uns zum Essen einladen. Deswegen ist das eigentlich kein Abschied.

Das war die letzte Folge der Kolumne. Wir halten euch aber auf dem Laufenden, wie es Rami geht.