Mein Leben mit Rami // Teil 11 Wer nichts zu verlieren hat, hat keine Angst mehr

Rami ist vor dem Krieg geflohen, von Syrien nach Deutschland - und nun wohnt er bei PULS-Moderatorin Diane Hielscher. Jetzt will Rami ein eigenes Restaurant eröffnen. Weil er gerne isst, gut kocht - und keine Wahl hat.

Von: Diane Hielscher

Stand: 25.01.2016 | Archiv

Rami will ein Restaurant eröffnen | Bild: BR

Wir sitzen in einem arabischen Schnellrestaurant in Berlin-Neukölln. "Moderne arabische Küche" steht am Fenster und tatsächlich: Es ist stylisher als all die anderen Läden hier, in denen es Falafel, Haloumi und Schawarma gibt. Hier stehen Holzstühle, das Menü ist mit Kreide auf den Tresen geschrieben, und an den Decken hängen Glühbirnen an bunten Kabeln. Keine Kamele, keine bunten Kissen, keine Shishas, keine Folklore. "Ich mache eigentlich das gleiche wie alle anderen auch, ich hab nur eine bessere Innenausstattung und habe 'moderne arabische Küche' ans Fenster geschrieben," hat mir der Besitzer mal augenzwinkernd verraten.

Wir essen wieder mal arabisches Essen, aber diesmal aus einem bestimmten Grund: Mein Freund und ich wollen Rami dieses Restaurant zeigen, weil es cool ist. Denn Rami möchte auch ein syrisches Restaurant in Berlin eröffnen. Und damit er sieht, wie es aussehen könnte, haben wir ihn hierhergebracht.

"Ich muss mir jetzt überlegen, was ich machen will. Ich kenne einen Mann aus Syrien, der hier Geld investieren will und ich habe ihm vorgeschlagen, ein Restaurant zu eröffnen. Jetzt muss ich rausfinden, wie es weitergeht."

Rami

Die Kinder albern rum und werfen eine Apfelschorle um, mein Freund und ich bestellen einen vegetarischen Teller. Rami schwärmt weiter von seinen Plänen und erklärt, warum er ein so guter Koch ist:

"Aleppo ist die bekannteste Stadt in Syrien. Wir sind bekannt für unsere Feste und für unser schweres und fettiges Essen. Wir lieben Essen!"

Rami

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Ich hatte auch schon oft die Idee, eine Kneipe, ein Café oder irgendwas anderes zu eröffnen. Aber ich werde es nie machen. Ich habe zu sehr Angst, pleite zu gehen. Ich denke an schlimme Monate der Bürokratie: Gewerbeanmeldung, Kreditbeantragung, Gesundheitspässe, Mitarbeiter einstellen, Buchhaltung machen, mich schüttelt es bei diesen Gedanken. Ich habe schon Angst vor dem Lohnsteuerjahresausgleich. Das und die ganzen Kita-und Schulanträge reichen schon, um mich in Panik zu versetzen. Und wenn es schief geht? Wenn keine Gäste kommen? Insolvenz! Und dann schleppt man womöglich sein Leben lang Schulden mit sich rum. Für mich wäre das nichts. Ich bin einfach ein Angsthase, was das angeht. Rami nicht.

"Wir Flüchtlinge haben so viele Risiken in Kauf genommen, um hierher zu kommen und um zu überleben. Da habe ich jetzt auch keine Angst davor, mit einem Restaurant zu scheitern. Und was soll ich denn anderes machen? Ich muss jede Chance ergreifen. Und es wird funktionieren."

Rami

Natürlich hat er recht, denke ich. Ich kann mir meine Angst eben leisten. Rami nicht.