79

Faktencheck zur Flüchtlingskrise Die Wahrheit hinter den Flüchtlingsmythen

Flüchtlinge kriegen "viel zu viel Geld vom Staat". Und wir in Deutschland "können ja auch nicht die ganze Welt aufnehmen". In sozialen Netzwerken kursieren haarsträubende Behauptungen über Asylbewerber. Fünf Mythen im Faktencheck.

Von: Eva Riedmann & Jasmin Körber

Stand: 14.09.2015 | Archiv

OMG - Flüchtlinge! Flüchtlingsmythen widerlegt | Bild: BR

Sie bekommen vom Staat das Geld hinterhergeschmissen, nehmen braven deutschen Bürgern gleichzeitig aber die Arbeitsplätze weg. Die Wohnungen nehmen sie uns auch weg, und überhaupt können wir ja auch nicht alle Flüchtlinge aufnehmen. Ganz schön haarsträubend, was in letzter Zeit so in den sozialen Netzwerken an "Flüchtlingsfacts" kursiert. Wir haben die fünf beliebtesten Mythen einem Check unterzogen.

Mythos 1: Asylbewerber bekommen mehr Geld als Hartz IV-Empfänger

Stimmt nicht. Ein Beispiel: Ein junger, alleinstehender Mann aus Syrien kommt in eine deutsche Erstaufnahmeeinrichtung. 216 Euro bekommt er vom Staat für die Deckung des "monatlichen Bedarfs", allerdings nicht bar auf die Hand, sondern in Form von Unterkunft, Kleidung und Verpflegung. Ausbezahlt werden ihm 143 Euro pro Monat - umgangssprachlich wird das auch Taschengeld genannt. Ein beschönigender Begriff, findet Günter Burkhardt von Pro Asyl. Denn von dem Geld müssen Fahrkarten bezahlen werden, um zum Amt oder zum Arzt zu kommen. Ebenso Telefon- und Internetkosten, um mit der Familie in Kontakt zu bleiben. Verlässt ein Asylbewerber nach drei Monaten die Erstaufnahmeeinrichtung, unterstützt ihn der Staat mit 359 Euro pro Monat. Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt 40 Euro mehr.

Mythos 2: Es kommen fast nur Männer

Stimmt sogar. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren 2014 zwei Drittel aller Asylbewerber, die nach Deutschland gekommen sind, Männer. Wer aber daraus schließt, dass die Situation in den Heimatländern so schlimm nicht sein kann, wenn Flüchtlinge ihre Familie zurücklassen, liegt falsch. Weltweit sind dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen zufolge genauso viele Frauen wie Männer auf der Flucht. Meist fliehen ganze Familie aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak und retten sich zunächst in ein Flüchtlingslager über die Grenze. Nach Deutschland weitergeschickt werden dann aber vor allem Männer. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl spricht von "Asyl-Darwinismus" - nur die Stärksten schaffen es ans Ziel. "Der Weg in Schlauchbooten über das Mittelmeer ist extrem gefährlich. Deshalb wird innerhalb der Familie oft entschieden: Der Mann nimmt das Risiko auf sich und hofft dann, Frau und Kinder auf legalem Weg zu holen, wenn er als Flüchtling anerkannt ist", sagt der Geschäftsführer von Pro Asyl Günter Burkhardt.

Mythos 3: Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen

Tun wir auch nicht. Laut Pro Asyl bleiben 80 Prozent der Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat. Sie hoffen, bald in ihr Land zurückzukehren oder können sich den weiteren Fluchtweg nicht leisten. Die Türkei ist deshalb Flüchtlingsland Nummer eins - laut UNO-Flüchtlingshilfswerk hat das Land 2014 1,6 Millionen Menschen aufgenommen. Gefolgt von Pakistan und dem Libanon. Ein Drittel aller Flüchtlinge, die es nach Europa schaffen, kommt nach Deutschland. Dort werden innerhalb der EU die meisten Asylanträge gestellt. Setzt man die Zahl der Flüchtlinge aber in Relation zur Bevölkerungsgröße, rutscht Deutschland auf Platz sechs. Ganz oben auf der Liste: Schweden.

Mythos 4: Die Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze weg

Stimmt nicht. Laut Professor Herbert Brücker, beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für das Thema Migration zuständig, gibt es keinen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit. In den ersten drei Monaten in Deutschland darf ein Asylbewerber sowieso nicht arbeiten. Während der Asylantrag läuft, bekommen nur rund zehn Prozent der Flüchtlinge einen Job - das Risiko, dass zum Beispiel der Auszubildende wieder in sein Heimatland zurückgeschickt wird, ist für viele Arbeitgeber zu groß. Außerdem gilt das "Vorrangsprinzip". Das heißt: Gibt es eine freie Stelle, haben zuerst alle Deutschen ein Anrecht. Danach EU-Bürger, Bürger aus dem Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer und erst dann Flüchtlinge mit Arbeitserlaubnis.

Ein weiterer Grund, warum Zuwanderer und Einheimische am Arbeitsmarkt nicht konkurrieren: "Deutsche und Migranten arbeiten im Regelfall in verschiedenen Segmenten", sagt Brücker. So seien Migranten beispielsweise häufig im Handel, der Gastronomie oder im Bauwesen tätig. "Durch das zusätzliche Angebot an Arbeitskräften entstehen außerdem völlig neue Dienstleistungen und Produkte, die wir sonst in unserer Volkswirtschaft nicht hätten." In der häuslichen Pflege oder der Landwirtschaft sind wir schon heute auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Ohne Saisonarbeiter aus Osteuropa gäbe es in Deutschland zum Beispiel keinen Spargel.

Mythos 5: Wir haben gar nicht genug Wohnungen für so viele Flüchtlinge

Jein. Ob Flüchtlinge überhaupt Anspruch auf eine eigene Wohnung haben, kommt auf ihren Flüchtlingsstatus an: Asylsuchende und Geduldete werden meistens in Lagern und Wohnheimen untergebracht. Letztendlich liegt das aber im Ermessensspielraum der jeweiligen Bundesländer. Sie können Asylbewerber auch in Privatwohnungen unterbringen. Berlin macht das zum Beispiel schon.

Sind die Flüchtlinge schon als solche anerkannt, haben sie auch das Recht darauf, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Sie müssen sich aber wie jeder andere Wohnungssuchende selbst eine Bleibe suchen. Weil ihre finanziellen Mittel meist begrenzt sind (siehe oben), haben Flüchtlinge oft nur Chancen, im sozialen Wohnungsbau fündig zu werden. Den haben die Länder und Kommunen in den letzten Jahren tatsächlich zurückgefahren, Bayern hat aber zum Beispiel schon angekündigt, die Fördermittel für sozialen Wohnungsbau wieder anzuheben.


79

Kommentieren

Edith Burggrebe, Donnerstag, 19.Januar 2017, 13:21 Uhr

13. Video Hartz4-Empfänger Vs. Flüchtlich

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe heute von einer Kollegin ein merkwürdiges Video beschrieben bekommen, welches sie per WhatsApp erhalten hat. Hier werden Flüchtlinge gezeigt, die quasi wie aus einem Automaten Geld in Überfluss bekommen, dagegen erscheint ein älterer Hartz4-Empfänger, der seiner alten kranken Mutter das Häuschen wegnehmen soll (Pflichtteil des Erbes einklagen). Wenn das Häuschen nicht verkauft würde, gäbe es kein Hartz4. Die alte Oma liegt auf dem Sofa und ächzt mit letzter Kraft, dass man sie hier nicht rauskriegt.
Zu meinem Entsetzen habe ich festgestellt, dass meine Kollegen diesen Schwachsinn tatsächlich glauben. Leider hat meine Kollegin das Filmchen schon gelöscht. Wie kann man das widerlegen? Wie kann man feststellen wer diesen Fake in Umlauf gebracht hat.
Ich habe sofort gesagt, dass das rechte Propaganda ist, aber leider denken viele, dass das im Kern wahr ist, also der Hartz4-Empfänger vom Arbeitsamt solche Auflagen bekommt.
Mfg
E. Burggrebe

BR24: Vielen Dank für den Hinweis, wir kümmern uns darum. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
Kommentar-Richtlinien bearbeitet.

Antworten

Peter, Freitag, 19.Februar 2016, 20:18 Uhr

12. Faktencheck zur Flüchtlingskrise

ich frage mich warum ihr auf die Kommentare nicht eingeht! Warum werden keine antworten gegeben, es sind genug Frage und Kommentare da, es ist wie in der Politik, es wird nur drumherum Geschwätzt und ich kann nur aus meinen eigenen Erfahrungen berichten es ist wie die Leute es sagen!!! Irgendwie stimmt etwas nicht mit unserem System. Gesetze werden gebrochen, die Politik macht was sie will und die Leute haben kein mitbestimmungsrecht recht. Ob es nun um die EU oder um die Asylanten geht - komische Demokratie!!! Und dann noch das schlimmste man wagt was zu sagen oder zu fragen und man ist sofort ein Nazi!!! Irgendwie seltsam oder??? Deutschland tut mir leid.

Antworten

Joachim Michels, Freitag, 25.September 2015, 13:29 Uhr

11.

Warum sagt die Presse nicht mal die Wahrheit ? Haben die Medien Angst vor unserer Politik ?

Zu 1: 216 Euro für Kaltmiete, Nebenkosten ( Heizkosten Allgemeinstrom, Müll, Wasser usw ) und Kleidung sowie Verpflegung ? Sagen sie mir bitte wo ich so eine Wohnung mieten kann. Tolle Rechnung. Nehmen sie als Vergleich die Hartz4 Sätze.

Wie wollen sie einem deutschen, der hier 25 Jahre gearbeitet hat Rente einbezahlt hat, dann Arbeitslos wird und nach einem Jahr in Hartz4 rutscht erklären das er nur 40 Euro mehr hat als ein Asylant ? Das versteht wahrscheinlich jeder.

Zu 2: Das kann sein.

Zu 3: Ich habe Verständnis für die Flüchtlinge. Warum schreien alle Flüchtlinge nach Deutschland. Weil es ihnen hier besser geht. Ich würde es genau so machen.

Zu 4: Meiner Meinung nach nehmen sie uns wirklich keine Arbeitsplätze weg. Im Gegenteil. Es müssen Lehrer, Sachbearbeiter usw eingestellt werden.

Zu 5: Viele bräuchten mitlerweile eine Sozialwohnung. Für uns sind keine da.

Antworten

Stefan, Donnerstag, 24.September 2015, 09:15 Uhr

10. Fragwürdige Wahrheit

Wie in Nachrichten zu sehen ist und zu lesen ist, werden Wohnung und Arbeitsplätze, geziehlt an Asylbewerber (Flüchtlinge) vergeben.
Diese Arbeitsplätze und Wohnungen können hiesige Bürger (Deutsche mit und ohne Migratiionshintergrund) nicht mehr bekommen,
da helfen auch keine Statistiktricks! Und das obwohl in Deutschland 4,2 Millionen (!) Sozialwohnungen und hunderttausende normale
Wohnungen fehlen - siehe "Frontal21", "Monitor" und den Deutschen Mieterbund. Es gibt für Flüchtlinge u. a. sogar Gratis-ÖPNV und
sogar gratis Lebensmittel!

Antworten

Danzer , Montag, 21.September 2015, 16:28 Uhr

9. Lügen/

Also wenn man Hartz IV mit den Kosten für Flüchtlingen vergleicht sollte man erwähnen, was der Staat für die Unterbringung zahlt, dann sollte man auch vergleichen wieviel und für was der Satz von Hartz IV von 399 ,- herhalten muß, das ein Flüchtling nicht zahlen muß wie z. B. Strom und Kleidung,
dann sollte man auch mal kurz erwähnen, kein Hartz IV bekommt kostenlos mal eine Sprachkurs finanziert, (Bildungskosten im Satz 1, 5 €),
Also wenn wir dann mal die Stromkosten/Bekleidungskosten/Unterhaltskosten für die Wohnung, die ein Flüchlting in dem Sinne nicht bezahlen muß vom Satz abrechnet, dann sind wir bei 304,24 € , da heißt, jetzt können wir die Daten mit einander vergleichen,
Gut, das sie sich das näher angesehen haben, von diesen 304,24 €, wird einem Hartz IVler 141,66 € für Lebensmittel /Getränke zugestanden, d.h. wenn man des Rest zusammen zählt , = 162,58 € wobei die Kosten für Strom leider höher sind als im Satz enthalten.
(Link von der Redaktion entfernt) Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
Kommentar-Richtlinien bearbeitet.

Antworten