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Ein Jahr Aufstände in Syrien Kein Ende in Sicht

Freie Wahlen in Ägypten, Bürgerkrieg in Syrien: Vor einem Jahr begannen die Proteste in Syrien. Bis heute herrscht Unruhe. Was bisher geschah und warum Syrien sich von anderen Staaten des arabischen Frühlings unterscheidet.

Von: Nicole Ficociello

Stand: 15.03.2012 | Archiv

epa03145663 A handout picture released by Syrian Arab News Agency (SANA) shows Syrians waving their national flag during a rally at Umayyad Square in Damascus, Syria, 15 March 2012. Thousands of Syrians loyal to the regime of President Bashar al-Assad gathered on 15 March in the capital Damascus, state media reported. Around one million people are expected to take part in the rally that coincides with the first anniversary of a popular revolt against al-Assad's rule. EPA/SANA / HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES | Bild: dpa/ picture-alliance

Dem Land droht ein Bürgerkrieg

Der Aufstand in Syrien ist einer der blutigsten im Arabischen Frühling. Auch sonst lässt sich die Situation in Syrien nicht mit der in den anderen Ländern des arabischen Frühlings vergleichen. "Die Gesellschaft in Syrien ist viel heterogener als die in Ägypten oder Tunesien", sagt Christian Thuselt, Syrien-Experte, Lehrbeauftragter der Uni Erlangen und Blogger für den Blog "Fokus Nahost". Es sei kein Aufstand einer homogenen Masse gegen das Regime. Vielmehr drohe dem Land ein Bürgerkrieg. Die Mehrheit in Syrien sind arabische Sunniten mit ca. 65 Prozent. Baschar al-Assad gehört allerdings zur Glaubensrichtung der Alawiten. Obwohl nur 15 Prozent der Bevölkerung den Alawiten angehören, ist diese Gruppe unter anderem in den politischen Institutionen des Landes überrepräsentiert.

Die Nachbarn haben es vorgemacht

"In Kairo waren alle Menschen gemeinsam auf der Straße. In Syrien sitzen sie daheim und warten ab", sagt Christian Thuselt. Ein Grund dafür sei, dass Syrien in direkter Nachbarschaft zu zwei Ländern liege, in denen ein Sturz des Regimes schlimme Folgen hatte. Der Irak und Libanon seien abschreckende Beispiele für die syrische Bevölkerung.

Syrien ist ein Überwachungsstaat

Der größte Unterschied zwischen Syrien und den anderen Staaten liege jedoch woanders. Der staatliche Unterdrückungsapparat sei dort viel stärker als in Tunesien und Ägypten. "In Syrien gibt es mindestens fünf Geheimdienste, die sich alle gegenseitig überwachen. Überall stehen bewaffnete Menschen. Wenn man in einem Internetcafé war, setzt sich zufälligerweise immer sofort jemand an den Rechner, an dem man gerade war", sagt Christian Thuselt. Außerdem werden alle privaten E-Mails kontrolliert. Das Wort Israel führe zum Beispiel in jedem Fall dazu, dass die Mail nicht beim Empfänger ankommt. Außerdem gehört der größte staatliche Telefonanbieter Syriatel einem Mitglied des Assad-Clans. Die Überwachung hat System.

Syrien Demo 1 Jahr | Bild: BR zum Artikel Interview // Syrer im Exil "Ich würde lieber weiterkämpfen"

Fern der Heimat: Shiro Ali hat sich an der Revolution beteiligt und musste Syrien deshalb verlassen. Jetzt sitzt der 21-Jährige in München im Asylbewerberheim und versucht die Proteste von Deutschland aus zu unterstützen. [mehr]

Chronik der Ereignisse

15. März 2011

Erste Demos in Damaskus: die Demonstranten fordern politische Reformen.

18. März 2011

Die ersten Opfer: fünf Menschen sterben bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.

24. März 2011

Das Regime kündigt Reformen an, aber nichts geschieht. Die Proteste gehen weiter, immer öfter enden sie blutig.

21. April 2011

Zugeständnis: nach 48 Jahren hebt Assad den Ausnahmezustand auf.

22. April 2011

Karfreitags-Massaker: 100.000 Menschen in ganz Syrien fordern ein Ende der Gewaltherrschaft. Assad reagiert mit Gewalt. Mindestens 112 Demonstranten werden getötet. Unter anderem von Heckenschützen.

25. April 2011

Die Panzer rollen: das Regime setzt das Militär gegen das Volk ein.

30. April 2011

Ab jetzt mischt sich das Ausland ein: die USA und Europa verhängen Sanktionen gegen das Assad-Regime.

28. Mai 2011

Das Regime holt sich Hilfe in Iran: Iranische Spezialeinheiten unterstützen Syrien im Kampf gegen die Aufständischen.

Juni 2011

Bis jetzt sind bereits über 1500 Menschen getötet worden. Zehntausende Syrer sind über die Grenze in die Türkei geflohen.

2. September 2011

Die EU verhängt ein Öl-Embargo gegen Syrien.

4. Oktober 2011

UN-Resolution scheitert: China und Russland legen ihr Veto ein.

2. November 2011

Die Arabische Liga stellt einen Friedensplan auf. Die Forderungen: nicht auf unbewaffnete Demonstranten schießen, politische Gefangene frei lassen und das Militär aus den Städten abziehen.

12. Dezember 2011

Die UN geht mittlerweile von über 5.000 Toten aus.

28. Januar 2012

Der Friedensplan der Arabischen Liga scheitert.

16. Februar 2012

Die UN-Vollversammlung nimmt eine Syrien-Resolution an. Inhalt: Assad soll zurücktreten.

26. Februar 2012

Referendum für eine neue Verfassung: In den Wahlräumen gibt es aber keine Wahlkabinen.

14. März 2012

Mails von Assad gehackt: angeblich liegen dem "Guardian" tausende Mails aus Assads persönlichem Posteingang vor. Erkenntnis: die Niederschlagung des Aufstands hat System.


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