Die Macht der Worte Warum der Bundespräsident mehr als ein Maskottchen ist

Am Sonntag wird der Nachfolger von Bundespräsident Gauck gewählt. Viele denken sich: "Ist doch egal wer's wird, der hat ja eh keine Macht." Falsch. Der Bundespräsident hat die Macht des Wortes.

Stand: 09.02.2017 | Archiv

Steinmeier in Adlerkostüm | Bild: BR

Am Sonntag wird der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Es wird wohl Frank Walter Steinmeier werden. Auf den SPD-Politiker und ehemaligen Außenminister haben sich SPD und CDU/CSU geeinigt, damit ist seine Wahl eigentlich sicher.

Aber wie viel Macht hat der höchste Repräsentant unseres Staates eigentlich? Per Grundgesetz hat er wenig politische Macht, dafür aber ein Maximum an Autorität und Einfluss. Denn das gesprochene Wort ist das wichtigste Instrument von Politikern - und das des Bundespräsidenten ist besonders einflussreich. Diese fünf Männer haben es bewiesen.

Christian Wulff,  zehnter Bundespräsident von 2010-2012

Seine Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit hat eine gesellschaftliche Debatte entfacht:

"Zuallererst brauchen wir aber eine klare Haltung. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."

– Wulff, 3. Oktober 2010

Wulff hat Deutschland mit diesem Satz zum zweiten Mal vereint, und zwar mit den vielen Muslimen im Land. Viele schätzen ihn bis heute dafür. Wulff war allerdings nicht der Erste, der diesen Satz gesagt hat - auch Wolfgang Schäuble hat ihn bei der Eröffnung der Islamkonferenz 2006 ausgesprochen. Aber erst bei Bundespräsident Wulff hatte er eine immense Wirkung auf die Gesellschaft. Wulff schlug allerdings auch viel Kritik entgegen für diese Äußerung – Joachim Gauck, sein Nachfolger, relativierte sie: "Muslime, die in Deutschland leben, gehören zu Deutschland."

Horst Köhler, neunter Bundespräsident von 2004-2010

Horst Köhler ist nicht für einen bestimmten Ausspruch in Erinnerung geblieben – dafür durch Taten. Unter anderem feiern wir dank ihm heute noch den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder wollte den Feiertag abschaffen und auf einen Sonntag verlegen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Köhler hat sich jedoch klar dagegen positioniert und damit - zusammen mit anderen Politikern - den Einheitsfeiertag erhalten.

Köhler hat auch ein paar Gesetze nicht unterzeichnet – obwohl sie vom Bundestag beschlossen waren. Die Privatisierung der Deutschen Flugsicherung und das dazugehörige Flugsicherungsgesetzt ratifizierte er zum Beispiel nicht, weil es für ihn nicht mit dem Grundgesetz vereinbar war.

Johannes Rau, achter Bundespräsident von 1999-2004

Johannes Rau hat klare Worte gefunden gegen falschen Nationalismus:

"Man kann nicht stolz sein auf etwas, was man selber gar nicht zu Stande gebracht hat, sondern man kann froh sein oder dankbar dafür, dass man Deutscher ist. Aber stolz kann man darauf nicht sein [...]. Stolz ist man auf das, was man selber zu Wege gebracht hat."

– Rau,16. März 2001

Rau musste dafür den Vorwurf der CSU einstecken, als Bundespräsident fehle ihm Patriotismus. Rau antwortete, wie jeder Patriot ist er gerne Deutscher - und genau deshalb lehne er Nationalismus ab. Er mahnte auch: "Hüten wir uns daher vor nationalistischen Tönen"  - eine Mahnung aktuell wie nie.

Der achte Bundespräsident war auch der erste deutsche Politiker, der vor dem israelischen Parlament, der Knesset, stand und eine Rede hielt – darin bat er 2000 um Vergebung für die Verbrechen des Holocaust.

Roman Herzog, siebter Bundespräsident von 1994-1999

Wenige Reden haben sich so eingeprägt, wie die sogenannte "Ruck-Rede" von Roman Herzog, die als sein Markenzeichen in die Geschichte einging:

"Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen, vor allen Dingen von den geistigen, von den Schubläden und Kästchen, in die wir gleich alles legen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen"

– Herzog, 26. April 1997

Herzogs Rede war ungewohnt direkt für Politik dieser Zeit und deckte eine unbequeme Wahrheit auf. Sieben Jahre nach der Wiedervereinigung war Deutschland damit überfordert, die Begeisterung war weg, alte Strukturen noch immer da. Bis heute ist der "Ruck" ein geflügeltes Wort.

Und auch für Bayern ist er besonders wichtig. Nicht Edmund Stoiber, nein Roman Herzog hat "Laptop und Lederhose" erfunden:

"In München sind Lederhose und Laptop eine Symbiose eingegangen."

– Eröffnung der CeBIT in Hannover, 17. März 1999

Richard von Weizsäcker, sechster Bundespräsident von 1990-1994

Richard von Weizsäcker hat mit einer Rede im deutschen Bundestag unsere Erinnerungskultur geprägt:

"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."

– von Weizsäcker, 8. Mai 1985, Rede im Bundestag zum 40. Jahrestag des Endes des zweiten Weltkriegs

Seine schonungslos offene Rede hat die Aufarbeitung der NS-Zeit geprägt und verändert. Er hat die kollektive Verantwortung der Deutschen für die NS-Verbrechen klar formuliert und den 8. Mai als Tag der Befreiung gefeiert. Das hat vor ihm kein Bundespräsident getan.