AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund Das steckt hinter dem AfD-nahen Verein "Die Neudeutschen"

"Die Neudeutschen" ist ein Verein, der sich an Leute mit Migrationshintergrund richtet. Die Mitglieder haben zwei Sachen gemeinsam: Sie haben selbst einen Migrationshintergrund - und sie gehören zur AfD. Aber was sind ihre Ziele?

Von: Kevin Ebert

Stand: 22.03.2019 | Archiv

Ein AfD-Pfeil mit Frage- und Ausrufezeichen | Bild: BR

Würde man eine Straßenumfrage durchführen mit der Fragestellung "Wodurch zeichnet sich die Politik der AfD aus?", gäbe es viele Antwortoptionen. Eine, mit der man eher nicht rechnen würde, wäre: "Durch Engagement für Migranten."

Genau dafür will die AfD jetzt aber stehen - beziehungsweise ein Verein, der der AfD strukturell und programmatisch sehr nahesteht. "Die Neudeutschen" heißt die Vereinigung, die sich gerade erst gegründet hat. Im Vorstand sitzen der Bundestagsabgeordnete Dr. Anton Friesen und sein Kollege Alexander Tassis. Generell sind alle der bislang 20 Vereinsmitglieder auch AfD-Mitglieder. Aus einem einfachen Grund: Es ist Pflicht.

Was ist die Idee dahinter?

Wie der Name "Die Neudeutschen" schon erahnen lässt, haben die Vereinsmitglieder neben ihrer AfD-Zugehörigkeit noch eine Gemeinsamkeit. Sie haben einen Migrationshintergrund. Vorstand Anton Friesen wurde beispielsweise in Kasachstan geboren. Von ihm wollten wir wissen, welche Idee hinter dieser nicht unbedingt naheliegenden Vereinigung ist: "Wir haben natürlich eine gewisse Programmatik, das ist die AfD-Programmatik, die wir vertreten. Wir haben ja auch ein Manifest, in dem wir uns ganz klar aussprechen gegen eine Islamisierung Deutschlands und in dem wir uns ganz klar für die Rechte christlicher Asylbewerber und der Frau im Islam aussprechen. Es geht natürlich um ganz bestimmte, patriotisch gesinnte Deutsche mit Migrationshintergrund."

Die sogenannte "De-Islamisierung". Eines der großen Vereinsziele - so steht es auch im "neudeutschen Manifest", der programmatischen Basis des Vereins. Alleine der Begriff De-Islamisierung zeigt, um welche Subgruppe es den Neudeutschen wohl eher weniger geht: um 4,5 Millionen Muslime in Deutschland. Zwar sei man "offen für alle, die einen liberalen Islam ausleben", außerdem ist eines der Vereinsmitglieder eine Ex-Muslima - aber die Maßnahmen der De-Islamisierung sprechen eine eindeutig islamkritische Sprache. Minarettverbot, Verbot "islamischer Kleidung" oder keine getrennten Schwimmzeiten in kommunalen Schwimmbädern. Klassische AfD-Positionen.

An wen richten sich "Die Neudeutschen"?

Auch wenn die Muslime wohl zum Großteil durch das Raster der Neudeutschen fallen - es gibt in Deutschland andere große migrantische Gruppen, die der Verein ansprechen möchte: Russlanddeutsche, Deutschpolen oder Rumäniendeutsche zum Beispiel.

An den Russlanddeutschen haftet sowieso schon der Ruf, ziemlich empfänglich für AfD-Positionen zu sein. Professor Achim Goerres von der Uni Duisburg-Essen hält diesen - wie er es nennt - "Medienhype" um die vermeintlichen AfD-Sympathien der Russlanddeutschen für übertrieben. Auch die Partei selbst stelle das unrealistisch dar: "Die AfD ist nicht die Partei der Russlanddeutschen. Wenn es sowas gäbe, dann wären das die Christdemokraten. Und selbst die haben nicht so sonderlich stark unter ihnen abgeschnitten."

Aber in einer großen Studie zur Bundestagswahl 2016 haben er und sein Team festgestellt, dass Russlanddeutsche tendenziell eben doch konservativer wählen. Knapp 15 Prozent haben ihre Stimme der AfD gegeben - etwas mehr als in der Gruppe der Deutschen ohne Migrationshintergrund.

Menschen mit offensichtlichen Migrationsgeschichten wählen die AfD? Wieso? "Zum einen ist unter Russlanddeutschen das Christentum etwas stärker verbreitet", sagt Goerres, "und das geht häufig einher mit stärkerem Konservatismus. Das heißt, grundsätzlich haben konservative Parteien - die CSU, die CDU und eben auch die AfD - bessere Karten bei den Russlanddeutschen."

Zum anderen gibt es unter Russlanddeutschen stärkere Tendenzen zum Autoritarismus. Goerres und sein Team haben in ihrer Studie die Frage gestellt, ob die Befragten es gut fänden, wenn wir in Deutschland einen starken Anführer hätten - selbst wenn der manchmal die Gesetze beugt. Dem haben 30 Prozent der Russlanddeutschen zugestimmt, im Vergleich zu nur 18 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund. Russlanddeutsche zeichnen sich also statisch betrachtet als Gruppe dadurch aus, dass sie empfänglicher für autoritäre Politik sind.

Migranten = Migranten?

Außerdem hat die Studie herausgefunden, dass einige Russlanddeutsche ihre eigene Migrationsgeschichte mit denen der Geflüchteten vergleichen, die seit 2015 nach Deutschland kommen. Man könnte auch sagen: Die Befragten waren davon überzeugt, dass ihre Migrationsgeschichte die legitimere ist - lebten sie doch über Jahrhunderte als Deutsche in einem fremden Land und wurden dort für ihr Deutschsein teils diskriminiert. Den Flüchtlingen der vergangenen Jahre sprechen sie ihr Recht auf Migration also quasi ab. Auch islamfeindliche Ressentiments spielen dabei laut Professor Goerres eine Rolle. Wie viele Russlanddeutsche diese Einstellung haben, dazu fehlen allerdings empirische Daten.

Für die AfD macht es auf jeden Fall Sinn, Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen - auch wenn der Verein offiziell noch nicht zur Partei gehört. Aber es gibt ein Wählerpotential unter beisielsweise Russlanddeutschen, Deutschpolen und Rumäniendeutschen, das bestätigt Professor Goerres.

Außerdem ist ein anderes Ziel des Vereins: Imagepolitur. Wodurch lässt sich der Ruf als migrationsfeindliche Partei besser reparieren, als durch einen eigenen Migranten-Verein?

Sendung: Filter vom 21.03.2019 - ab 15 Uhr