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Info Das französische Duo trägt den Namen des pflanzlichen Geliermittels, weil Armand früher Ameisen züchtete und diese mit Agar Agar fütterte. Mit Sängerin Clara mixt er da Synth-Pop, Techno und futuristische Sounds.


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Bergsteiger am Everest "Ich will da hin, wo es nicht weiter geht"

Das Bergsteigen ist seine Passion: Für Google Street View macht Florian Nagl Bilder auf den höchsten Gipfeln der Welt. Am Everest hat ihn sein Hobby im Frühjahr fast das Leben gekostet. Uns erzählt er vom Abenteuer seines Lebens.

Von: Frank Seibert

Stand: 12.06.2015 | Archiv

Bergsteiger Florian Nagl aus Tapfheim | Bild: Frank Seibert

Dreadlocks, Augenbrauenpiercing, Bart und Outdoor-Klamotten: Florian Nagl sieht genau so aus, wie man sich einen Naturburschen vorstellt. Der 32-Jährige kommt aus Tapfheim im Landkreis Donau-Ries. Nach dem Abi beginnt er viel zu reisen, sieben Jahre lang ist er unterwegs. Das bringt ihm seinen politischen unkorrekten Spitznamen "Zigeiner" ein.

Zwischendurch studiert Florian International Business Management und findet in dieser Zeit erstmals zum Klettern. Als er im Auslandssemester den Kilimandscharo besteigt, beginnt die "Sucht", die ihn "bis heute verfolgt." Florians Mission: Er will von jedem Land den höchsten Berg besteigen. Nach eigenen Angaben hat er das mittlerweile immerhin in 41 Ländern geschafft.

Nach seinen Reisen will er zur Ruhe kommen, bewirbt sich bei Google. Und das klappt tatsächlich. Seitdem arbeitet er in Dublin als Online-Marketing-Specialist für das Unternehmen. Gemeinsam mit anderen "Freaks", wie Flo sie nennt, gründet er das inoffizielle Google-Adventure-Team. Die Leute von Street-View leihen ihm und seinen Kollegen für ihre privaten Kletter-Trips Equipment. Als er mit seinen Kollegen von Kletter-Touren vom Elbrus und der Carstensz-Pyramide spektakuläre 360-Grad-Bilder mitbringt, launcht Google eine eigene Unterseite.

Als nächstes Ziel plant das Google-Team, den Everest zu besteigen. Aber eine Lawine, bei dem 16 nepalesische Bergführer sterben, hindert Flo und seine Begleiter daran, den Gipfel zu besteigen. Im Jahr darauf wollen sie es wieder versuchen.

PULS: Hattest du keinen Schiss vor dem Berg?

Florian Nagl: Nicht mehr Schiss als sonst. Das ist kein Projekt, das man im Sommerurlaub macht. Das reift in dir. Und ich habe mir das zugetraut. Ich will zu einem Punkt, wo es einfach nicht mehr weitergeht. Jedesmal, wenn ich auf einem Berg stehe, könnte ich noch weiterlaufen. Ich will an den Punkt, wo es kein Weiter gibt. An den höchsten Punkt. Und dann will ich auch wissen, ob er so schwer ist, wie es alle sagen. Ich will sehen, ob der Everest mich ans Limit bringt.

Und du wolltest es wieder probieren, obwohl beim ersten Versuch schon so viele Leute umgekommen sind?

Bevor ich hier los bin hat jeder gesagt: "So etwas passiert nicht zweimal. So viel Pech kann keiner haben." Am Berg gibt es viel kalkulierbares Risiko, aber auch das Schicksal spielt eine Rolle. So ein Eisblock hängt da oben tausende Jahre. Und in einem Moment fällt er ab. Wenn du zur falschen Sekunde am falschen Ort bist. Dann war's das. Schicksal.

Wie hast du dich vorbereitet?

Das Google-Gebäude in Dublin ist das höchste der Stadt.  Es hat 16 Stockwerke, 432 Stufen. Vom dritten Kellergeschoss bis ganz nach oben. Ich bin dreimal die Woche nach der Arbeit zwei Stunden mit 20 Kilo im Rucksack rauf und runter gelaufen. Zehn Mal die ganze Geschichte. Es kann sich keiner vorstellen, wie viel Vorbereitung in so einem Trip steckt. Das ist sehr viel Druck und Stress, der sich über ein Jahr aufbaut.

Wie liefen dann die ersten Tage?

Wir waren wieder mit dem gleichen Team unterwegs und haben die erste Ladung zu Camp 1 hoch gebracht. Schlafsack, Daunenanzug, Verpflegung. Wir sind dann wieder runter, ein bisschen Pause machen. Am nächsten Tag wollten wir die zweite Ladung schleppen. Alle waren superhappy, denn alle waren gesund, es hat noch keine Verletzten oder Toten gegeben, der Eisfall war präpariert, die Route war gepasst.

Aber dann kam das Beben...

Es hat an dem Tag ein bisschen geschneit und die Sicht war schlecht. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Wir waren in unseren Zelten und haben gepackt. Auf einmal ist der ganze Gletscher bestimmt einen halben Meter nach unten, nach links, nach rechts gewankt. Ich bin im Zelt herumgeflogen. Ich konnte das gar nicht einordnen in dem Moment. Man spielt im Kopf tausend Szenarien durch, was alles schiefgehen kann am Everest. Man hat einen Emergency-Plan. Aber ein Erdbeben? Kein Mensch hatte damit gerechnet.

Wie hast du reagiert?

Ich bin wie vom Blitz gestochen sofort raus, vorn ans Zelt. Ich bin in meine Stiefel reingegeschlüpft. Alle um mich herum hatten ein ganz verlorenes Gesicht. Und in dem Moment höre ich es krachen. Das hast du im ganzen Körper gespürt. Und ich wusste nicht, woher es kommt. Aber wir wussten: Irgendetwas Großes passiert jetzt.

Hört sich total beängstigend an. Mitten in der Natur so ein Geräusch zu hören, und nicht zu wissen, was jetzt passieren wird.

Allerdings. Ich bin ins Zelt gesprungen und habe Daunenjacke und Handy gegriffen. Als ich wieder draußen vor dem Zelt stand, habe ich es direkt vor mir gesehen. Der ganze Berg, dieser ganze Scheißberg ist vor mir zusammen gebrochen. Bei höchstens 100 Meter Sicht baute sich diese Wand auf.


Ich habe mich sofort umgedreht und bin gerannt. So schnell es ging. Hinter meinem Zelt ging es ein bisschen runter, in eine Kuhle. Ich bin mit einem Riesensatz in das Geröll reingesprungen, bis ganz nach unten gerutscht, habe mich dann ganz klein gemacht. In dem Moment feuert mir das ganze Camp um die Ohren: Zelte, Eisäxte, Helme, Schuhe, Gastanks, Essensbehälter.

Wann hast du das Ausmaß begriffen?

Ich habe meine Fleece-Jacke ausgezogen. Alles war weiß. Ich habe sie ausgeschüttelt und wieder angezogen. Mein Kumpel Michele ist mir glücklicherweise hinterher gerannt und war dann hinter mir in dieser Mulde. Wird sind dann auf den Hügel geklettert. Und da haben wir gesehen: Es war nichts mehr da. Die ersten Leute sind zombiehaft aufgestanden, manche haben geschrien. Das Basecamp ist über einen Kilometer lang, man braucht über eine Stunde um durchzulaufen. Der mittlere Kilometer war weg, einfach radiert. Und wir waren genau mittendrin, im Zentrum.

Du warst aber nicht nur mit Michele, sondern auch mit deinem Freund Dan dort. Habt ihr euch gleich auf die Suche gemacht?

Michele und ich sind die Finnen abgelaufen und haben nach ihm geschrien. Dan war neben uns im Zelt, jetzt war er nicht mehr da. Das war einer der schlimmsten Momente in meinem Leben. Da wusste ich: Scheiße, irgendwas stimmt nicht. Vielleicht fünf Minuten nach der Lawine schreit Michele etwas entfernt um Hilfe. Gute 150 Meter unterhalb vom Camp lag ein riesiger Felsbrocken. So groß wie ein Wohnwagen. Direkt davor lag ein Knäuel von Farbe: Zeltfetzen, Matratze. Ich bin hingerannt, auf die Knie gefallen und habe Dan in diesem Knäuel liegen sehen. Tot.

Dieser Anblick muss schrecklich sein...

Dan war nicht nur ein Kollege von mir, vor allem war er ein verdammt guter Freund. Er war auf vielen Expiditionen dabei. Wir waren zusammen in Russland, in Papua, am Everest. Wir waren das beste Team. Wir drei: Dan, Michele und ich. Das war Freundschaft für die Ewigkeit.

Was hast du in dem Moment gedacht?

Ich war im Schock. Ich habe einfach nicht verstanden, was gerade passiert ist. Und plötzlich findest du deinen besten Kumpel. Und er ist tot. Auf so etwas ist keiner vorbereitet. Im Eisfall oder am Gipfeltag ist man mental fokussiert - aber wir waren im Zelt. In einer halben Stunde hätte es Mittagessen gegeben. Aus dem nichts ist die ganze Welt zusammengebrochen. Ich war leer, hatte keine Gefühle. Die ersten Tränen kamen drei Tage später, als alles vorbei war. Das Adrenalin pumpt dich.

Und euch ist überhaupt nichts passiert?

Ich habe nur ein paar Schrammen vom Geröll. Sonst nichts. Michele und mir ist nichts passiert. Wir haben uns angeschaut und wussten, was wir für ein Scheißglück hatten.


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