9

Spielwiese Twittern statt Bügeln - der "Social TV"-Trend

Aus Feind wird Freund. Lange galt das Internet als Ende des Fernsehens, jetzt sehen in ihm viele die Zukunft. Die Idee: Die Zuschauer sollen aktiv werden – interaktiv. Mit einfachem Sich-Berieseln-Lassen ist es damit vorbei.

Von: Ralph Glander

Stand: 11.06.2012 | Archiv

Spielwiese Social TV | Bild: BR

Das Fernsehen will sich mal wieder neu erfinden. Dafür muss die Couch-Potatoe den Dialog proben. Und zwar nicht nur mit dem Mitbewohner, der auf der anderen Couch liegt. Nein, mit dem Fernsehen selber und der ganzen, weiten Zuschauerwelt: via Facebook, Twitter, Google-Hangouts und zahlreichen Apps.

Der aktuelle, große Medientrend geht dahin, dass die Zuschauer zeitgleich zum guten, alten Fernseher mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones nutzen. Internet und Social Media werden interaktiv ins Fernsehen eingebunden - die Zuschauer gestalten selbst das Sendungsprogramm mit, indem sie sich zum Beispiel über Skype live in die Sendungen einklinken, sich parallel dazu Zusatzinformationen auf ihr Smartphone holen oder sich in Echtzeit mit Fremden und Freunden über Twitter und live-Chat austauschen. Der starre Blick auf einen singulären Monitor war gestern. Jetzt hält der "Second Screen" Einzug in die Wohnzimmer. Die geschmeidigen Buzzwords der Stunde sind "Social TV" oder auch "Smart TV".

Der Social Media Tatort

Einen ersten Eindruck wie das aussehen könnte, gab es diesen Mai: Beim ersten "Tatort +"-"Der Wald steht schwarz und schweiget" war nach dem Film vor dem Film: Im Anschluss an die Sendung mussten die Zuschauer selbst im Netz weiter ermitteln, um den Mörder zu finden. Der Ansturm war groß – Fast 110.000 Teilnehmer ließen das System zur online-Mörderjagd erst einmal abstürzen.

Social TV Format "Die Rundshow"

Was früher der Telefon-Ted war, sind heute Google-Hangout, Twitter und Live-Chat. Mit der "Rundshow" ist das erste, waschechte Social-TV-Format gestartet. Zuschauer skypen sich live in die Sendung oder kommentieren per eigens programmierter App. Derart direkte Zuschauerbeteiligung ist Neuland – für die Nutzer, aber auch für die Macher. Daniel Fiene, einer der Moderatoren, zieht nach vier Wochen Sendung eine erste Bilanz.

Fernsehen und Couchfunk

Social ist am neuen Fernsehen aber nicht nur, dass man das Programm live mitgestalten kann, sondern auch – ganz klassisch – die Kommentare drum herum. Dafür kann man sich seine Fernseh-Kumpels auf die Couch einladen und zusammen über "Germany's next Topmodel" oder über die Gurken der deutschen Nationalmannschaft ablästern. Oder aber man benutzt die App "couchfunk" und kommentiert damit seine Lieblingssendungen live im Netz. Für die beiden couchfunk-Entwickler Frank Barth und Uz Kretzschmar ist ihre App eine logische Weiterentwicklung des Fernsehens, schließlich sind wir inzwischen gewohnt, Medien aktiv zu gestalten und zu kommentieren. Das Fernsehen, meinen die beiden, muss da endlich nachziehen.

Vier Fernsehtypen

Um Couchfunker zu werden muss man allerdings einigen Spaß am kollektiven Fernsehen mitbringen. "Event-Glotzer" sind aber nur ein Teil der Fernsehgemeinde. Mit ihnen teilen sich die Fernsehbedienung noch die "Kommentierer" und die "Nachschauer". Sie alle könnten Fans des Social-TV werden. Der "Schweiger" allerdings ist in der schönen neuen Mitmachfernsehwelt hoffnungslos verloren.

TV und Internet verbünden sich langsam

Netz und TV – langsam scheinen sich die beiden Kontrahenten also anzufreunden. Viele Fernsehmacher sehen im Netz inzwischen nicht mehr das Ende, sondern einen neuen Anfang für ihr Medium. Für den Internet-Experten Bertram Gugel hat der gute alte Fernseher deshalb auch noch lange nicht ausgedient – vorausgesetzt Redaktionen und Formatgestalter sind offen für den Input aus dem Netz.


9