Serie // Dogs of Berlin Wie ein zehn Stunden langer Til-Schweiger-Tatort

Viel Machismo, Fußball, Rap und Mafia: Die neue Netflixserie "Dogs of Berlin" lehnt sich fast schon schamlos an "4 Blocks" und den Eminem-Film "8 Mile" an. Das hätte auch ein Algorithmus nicht besser zusammenzimmern können.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 04.12.2018 | Archiv

Szene aus der Netflix-Serie "Dogs of Berlin" | Bild: Netflix

Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr lieber viel Action und viele Stories als tiefe Charaktere in euren Serien habt, wie in "BEAT", ihr auf die abgefuckten Cops aus "True Detective" steht und ihr eurer Fußballleidenschaft schon immer mal in einer Serie fröhnen wolltet.

_______________________________________________________________________________________________________

In Berlin brodelt es - arabische Clans auf der einen Seite, Neo-Nazis auf der anderen, dazwischen desillusionierte Deutschtürken, abgehängte Hartz-IV-Mütter und perspektivlose Jugendliche. Ein Straßenkrieg bricht aus. Auslöser dafür ist ein tot aufgefundener Fußballspieler. Nicht irgendeiner, sondern der deutschtürkische Star-Nationalspieler Orkan Erdem, eine Art fiktionalisierter Mesut Özil. Der sollte eigentlich in einem Länderspiel gegen die Türkei den Sieg holen, jetzt liegt er tot im Berliner Stadtteil Marzahn. Zufällig gerät der LKA-Polizist Kurt Grimmer (Felix Kramer) an den Fall. Gut für ihn, denn Grimmer steckt ganz tief in Wettschulden und wittert seine Chance, jetzt mit einer Wette auf die Türkei alles ausgleichen zu können - was klappen könnte, wenn die Öffentlichkeit nicht mitbekommt, das Erdem tot ist. Also will er genau das verhindern.

Cops, die auf's Gesetz scheißen

Mit Regeln hat es dieser Cop also eindeutig nicht so. Und wie sich rausstellt, hat Kurt Grimmer zu allem Überfluss auch noch eine Neonazi-Vergangenheit, in die seine ganze Familie verwickelt ist - und mit der er noch nicht ganz abgeschlossen zu haben scheint. Sein Chef sieht die Schlagzeilen schon vor sich: "Ex-Neonazi als Chefermittler im Fall eines ermordeten Deutschtürken!"
Also stellt er Grimmer den türkischstämmigen Kollegen Erol Birkan (Fahri Yardım) an die Seite. Der hat allerdings gar keine Lust in dem Fall zu ermitteln, weil er gerade dabei ist, die libanesische Drogenmafia hochgehen zu lassen.

Erol Birkan geht nicht weniger skrupellos vor, als sein Kollege. Er schickt Leute in die Fänge eines Mafiabosses, um an Infos zu kommen. Aber er lässt sich auch von dessen Schlägertrupp zusammenschlagen, wenn seine Informanten in Gefahr sind. Zuhause zeigt er eine andere Seite von sich – nur nicht vor seinen konservativen Eltern. Birkan ist schwul und lebt mit seinem Mann zusammen. Für die Geschichte spielt das keine Rolle, außer für seine chauvinistischen Polizeikollegen, die ihm bei jeder Gelegenheit einen Spruch drücken.

Total drüber, aber wenigstens unterhaltsam

Berlin, libanesische Mafia, Naziclans und Fußball - das klingt als hätte Netflix bei der Ideenfindung einen Algorithmus rangelassen, um junge männliche Zuschauer zu ködern. Eine der vielen Nebenhandlungen folgt dann auch einem Schüler, der von den Verheißungen des Gangsterlebens verführt wird und der beschließt, mit Hilfe seines kleinkriminellen Kumpels Rapper zu werden. So gibt’s dann auch noch die Gelegenheit für einen Gastauftritt von Haftbefehl. Dass das bei der rapaffinen Zielgruppe zieht, hat ja schon die Gangsterserie "4 Blocks" bewiesen. Der kommt "Dogs of Berlin" auch gefährlich nahe, genau wie dem Eminem-Film "8 Mile" - obwohl die Macher die Idee zur Serie wohl schon seit Jahren mit sich rum trugen. Das Ergebnis ist ein auf zehn Folgen aufgeblähter Till-Schweiger-Tatort (für die war der "Dogs of Berlin"-Regisseur Christian Alvart auch wirklich zuständig) mit viel Machismo, expliziten Sexszenen und offen klaffenden Fleischwunden.

Das tut nicht weh und ist manchmal sogar ganz witzig. Aber es ist auch schade um die Kernidee der Serie, die zwar am Anfang bedeutungsschwer angekündigt wird, aber dann, genau wie der Mordfall selbst, viel zu kurz kommt: Rechte Tendenzen im Fußballfanblock und die Frage nach kultureller Identität und Zugehörigkeit. Aber dann wäre "Dogs of Berlin" wahrscheinlich nicht so streaming-freundlich gewesen. So setzt uns Netflix dann eben noch eine Serie von der Sorte "abgefuckter Cop kriegt sein Leben nicht auf die Kette" vor. Und die muss man nicht unbedingt gesehen haben.

Die zehn Folgen von "Dogs of Berlin" gibt's ab 07.12. bei Netflix.

Sendung: Hochfahren, 05.12.2018 - ab 7 Uhr