Interview mit Regisseur Levan Akin Wieso queere Filme für uns alle wichtig sind

Filme mit queeren Figuren: Erfolgreich, aber trotzdem nicht richtig im Mainstream. Voll dumm eigentlich. Von queeren Filmen können wir nämlich alle was lernen - findet auch Levan Akin, Regisseur von "Als wir tanzten".

Von: Cosima Weisske

Stand: 02.09.2019

Regisseur Levan Akin 2019 | Bild: Levan Akin

Gefühlt haben wir jedes Jahr einen richtig populären queeren Film in den Kinos: "Brokeback Mountain", "Boy Erased", "Call Me By Your Name", "Rocketman". Sie feiern Erfolge mit ihren Geschichten, in denen sich alles um schwule, lesbische oder andere LQBTQI* Charaktere dreht. Trotzdem sind sie nach wie vor eher selten im Mainstream-Kino. Wieso eigentlich, wenn sie doch gut ankommen?

Auch Levan Akin hat einen Film gemacht, der in diese Reihe passt – der schwedische Regisseur zeigt in "Als wir tanzten" die Geschichte eines jungen georgischen Tänzers, der sich das erste Mal in einen Mann verliebt. Jetzt schon ein Kritiker-Liebling, wurde der Film in Cannes und beim Odessa Film Festival ausgezeichnet und geht als schwedische Oscar-Hoffnung ins Rennen.

Warum queere Filme wichtig sind und sie kein Nischenevent bleiben sollten, darüber haben wir mit Regisseur Levan Akin gesprochen.

PULS: Queere Filme gelten im allgemeinen als nischig, inwiefern verbinden sie die Zuschauer trotzdem?

Szene aus "Als wir tanzten" von Levan Akin

Queere Filme sind ja unterschiedlich, auch wenn sie alle queere Hauptfiguren haben. Meinen Film sehe ich zum Beispiel gar nicht als queeren Film im eigentlichen Sinne, obwohl er das natürlich auf eine Art ist. Es geht darum, die gesellschaftliche Norm zu brechen. Ich denke diese empowernde Botschaft ist ziemlich universell und einer der Gründe, warum der Film international so gut ankommt. Weil sich viele Leute, egal welche Orientierung sie haben mögen, mit dieser Botschaft identifizieren können: Sei du selbst, auch wenn dir die Gesellschaft etwas Anderes diktieren will.

Es kommen öfter Kinofilme raus, bei dem man denkt: Jetzt sind queere Themen überall – "Boy Erased" mit Nicole Kidman und Popsänger Troye Sivan zum Beispiel. Trotzdem gibt es den echten Durchbruch irgendwie nicht – wieso eigentlich?

Wir leben in einer wirklich deprimierend maskulinen Welt. Aber Männlichkeit ist ironischerweise etwas sehr Brüchiges und fühlt sich schnell bedroht. Und das ist, glaube ich, der Grund, warum queere Figuren und Themen nie so richtig im Mainstream ankommen.

Die Hauptfigur in deinem Film lebt zwischen zwei Welten: Als Merab entdeckt, dass er schwul ist, besucht er Gay-Bars und geht auf Techno-Parties. Seine Lehrer und seine Familie sind hingegen extrem konservativ. Ein Tänzer am Ensemble verliert zum Beispiel seinen Job und wird zusammengeschlagen, als herauskommt, dass er schwul ist. Inwiefern spiegelt das die georgische Gesellschaft heutzutage wieder?

Das ist ja in vielen Ländern im Moment so, diese Polarisation: Am einen Ende des Spektrums hast du Techno-Clubs, Gay Bars und sogar Darkrooms - und am anderen Ende musst du gleich heiraten, wenn du ein Mädchen geschwängert hast. Und ich denke, diese Gegensätze sind sehr faszinierend. In Georgien gibt es eine regelrechte Spaltung zwischen der älteren und der jüngeren Generation. Die Jungen wachsen auf wie wir, schauen die gleichen Serien im Internet, hören die gleiche Musik. Auf der anderen Seite stehen die Alten, die Sowjet-Generation, die auch viel gelitten hat. Und jetzt gibt es diese beiden Extreme.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

And Then We Danced - Official Trailer (2019) | Bild: FREE TRAILER ARCHIVE (via YouTube)

And Then We Danced - Official Trailer (2019)

Bei den Dreharbeiten in Georgien konntest du nicht offen sagen, worum es in deinem Film geht. Auch der Name des Choreografen musste verschwiegen werden, weil er sonst seinen Job verlieren könnte. Das ist schon ein hohes Risiko. Warum hast du das auf dich genommen?

Je mehr ich zu meinem Film recherchiert habe, desto mehr habe ich das Gefühl bekommen, dass ich das einfach machen musste - aber auf eine Art und Weise, die nicht noch weitere Konflikte hervorruft. Der Film ist auch eine Art Liebesbrief an Georgien und die georgische Kultur. Und daran, auf die eigene Kultur stolz zu sein, auch wenn dir manche Leute diktieren wollen, dass du kein Teil davon sein darfst, weil du nicht der Norm entsprichst. Ich habe das Gefühl, das ist generell so eine Konversation, die gerade überall auf der Welt geführt wird. Sogar bei euch in Deutschland diskutieren die Leute auf einmal, was es bedeutet, ein Deutscher zu sein – auch in Schweden. Es gibt all diese fremdenfeindlichen Debatten, die zurzeit überall auf der Welt geführt werden. Deshalb war es wichtig für mich, diesen Film zu machen. Wir leben in einer Zeit, in der es immer wichtiger wird, sich politisch zu positionieren.

Dein Mut hat sich offensichtlich gelohnt: Dein Film "Als wir tanzten", ist ein großer Erfolg – er ist in Cannes gelaufen und wurde jetzt für den Auslands-Oscar nominiert. Wie fühlt sich das an?

Überwältigend, weil der Film eher ein Herzensprojekt war. Es ist eine kleine Produktion gewesen, wir hatten wenig Budget. Dass der Film jetzt so weit herumgekommen ist und so viele Leute erreicht hat, fühlt sich einfach großartig an!

Sendung: PULS am 30.08.2019 - ab 15.00 Uhr